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Prof. Dr. Randolf Kauer ist Professor für Öko-Weinbau an der Hochschule Geisenheim und Bio-Winzer. Er forscht auch zu Pilzinfektionen wie der Peronospora, die derzeit massive Schäden in Frankreich und Italien verursacht. Kauer berichtet über die Grenzen des Pflanzenschutzes und neue Chancen für Bio-Winzer.

Prof. Dr. Randolf Kauer
Steffen Böttcher

Winzer in Italien befürchten Ernteverluste von 40 Prozent“, „Hotline für „traumatisierte“ Bordeaux-Winzer eingerichtet“, „Sechs Prozent der Bio-Winzer in Frankreich wollen Zertifizierung aufgeben“: Das sind Schlagzeilen der vergangenen Wochen, ausgelöst durch den Befall mit Falschem Mehltau (Plasmopara viticola oder Peronospora), der aufgrund der anhaltend feuchten Witterungsbedingungen ein „bisher nie dagewesenes Ausmaß“ in manchen Gebieten erreicht hat.

„Es war nur eine Frage der Zeit, bis so etwas passiert, denn die Wetterextreme nehmen zu. Unter diesen Bedingungen ist dann auch die Macht des Rebschutzes begrenzt. Dann sind Ertragseinbußen unvermeidlich, und dies macht sich auch ökonomisch bemerkbar”, beschreibt Prof. Randolf Kauer von der Hochschule Geisenheim die Bedrohungslage.

In kühleren Anbauzonen wie Deutschland oder Österreich seien solche Wetterlagen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder aufgetaucht, daher haben die Winzer dort mit Falschem Mehltau besser umzugehen gelernt. Der Wissenschaftler und Bio-Winzer erinnert an die Jahrgänge 2016 und 2021 in Deutschland. 2021 hat er in einer Versuchsanlage in Geisenheim im Rheingau selbst erlebt, dass der Merlot, der nun auch in Bordeaux besonders betroffen ist, noch in der Spätphase der Beerenentwicklung dahingerafft wurde. „Die Trauben waren bereits erbsengroß und wir dachten, wir hätten die Anlage sauber und alles im Griff. Da rauschte die Peronospora mit hohem Infektionsdruck rein und in wenigen Tagen wurde die Ernte vernichtet.“ Bei Merlot seien die Trauben extrem empfindlich, mehr als die Blätter. Das verursache die großen Schäden.

 

Sobald erbsengroße Beeren befallen sind, sind sie kaum noch zu retten

Hochschule Geisenheim

Winzer in „Plasmopara-Panik”

Kauer unterstellt den betroffenen Winzern in Frankreich und Italien aber nicht, den Pflanzenschutz vernachlässigt zu haben. Bei so extrem hohem Infektionsdruck kämen alle Weinbauern an ihre Grenzen, egal, ob sie biologisch oder konventionell arbeiten: „Das hatten wir 2016 und 2021 in Deutschland genauso. 2016 begannen die Infektionen kurz vor der Blütezeit und zogen sich über vier Wochen hin. Das ist besonders gefährlich, weil die Pflanzen in diesem Stadium äußerst empfindlich sind. Auch ganze Trauben wurden sehr schnell zerstört. Und wenn man meint, die Beeren wären sicher, besteht immer noch große Gefahr, da der Pilz durch die Stiele eindringen kann. Wenn es besonders viel regne, könne man auch keinen Pflanzenschutz mehr vollziehen, da man mit den Traktoren die aufgeweichten Böden nicht mehr befahren könne.

 

Der kritische Faktor ist die Zeit

Selbst wenn das Befahren der Weinberge noch möglich sei, benötigten Biobetriebe eine entsprechend hohe Schlagkraft an Applikationstechnik, um ihre Flächen an maximal zwei Tagen, möglichst vor der nächsten Infektion, behandeln zu können. Konventionell arbeitende Winzer mit systemisch wirkenden Mitteln könnten die Behandlungsintervalle ausdehnen, aber: „Der Zeitpunkt und die Applikationsdauer sind die kritischen Faktoren.“

Mit ausreichender Schlagkraft bei der Applikationstechnik müsse man sich auf die Biologie des Schaderregers konzentrieren und versuchen, nicht nur zu reagieren, sondern vorbeugend zu arbeiten. „Peronospora haben wir seit Ende des 19. Jahrhunderts in Europa. Sie wurde, wie auch die Reblaus und der Echte Mehltau, aus Übersee eingeschleppt. Seit 1885 ist Pflanzenschutz ein notwendiges Übel – und Pflichtprogramm. Die Winzer, vor allem die Bio-Winzer, haben inzwischen einiges an Erfahrung gesammelt. Die Biologie des Erregers ist sehr genau untersucht und wir verstehen, wie sich der Pilz unter gewissen Bedingungen entwickelt. Danach muss gehandelt werden.“ Leider seien die Wettervorhersagen maximal für drei Tage im Voraus verlässlich. Die Großwetterlage sei kaum korrekt einzuschätzen. Daher erfolgt der Rebschutz immer vorbeugend.

Jeder „Ölfleck” bringt eine Unzahl von Sporen hervor

Hochschule Geisenheim

Das wichtigste und wirksamste Mittel im Bioweinbau sei weiterhin Kupfer. In den meisten Jahren käme man in Deutschland mit den erlaubten drei Kilo pro Hektar und Jahr aus. In extremen Jahren wie 2016 und 2021 wurde das Limit auf vier Kilogramm erhöht. Kauer rechnet vor, wie schnell bei fortgesetztem Regenwetter und Wärme die Grenzen der Kupferanwendung erreicht werden: „In der Anfangsphase der Infektion kommt man mit geringeren Mengen aus, da fährt man mit 100 bis 200 Gramm pro Hektar. Aber wenn es so regnerisch ist wie in diesem Jahr, dann wird es wieder abgewaschen und der Belag muss kontinuierlich erneuert werden. Dabei ist es unter den Extrembedingungen sinnlos, weniger als 300 Gramm pro Spritzung zu applizieren. Nach zwölf bis 15 Durchgängen ist die Obergrenze von drei Kilogramm erreicht. Bei einem Anwendungsrhythmus von vier bis sieben Tagen in Katastrophenjahren dauert das keine zwei Monate.“

Selbst wenn ein Bio-Winzer alles richtig mache und seinen Pflanzenschutz im Griff habe, könnten die sich massenhaft ausbreitenden Sporen aus benachbarten Weinbergen noch alles ruinieren, erklärt Kauer: „Jede Beere, die befallen ist, ist verloren. Auch einzelne Beeren, die vielleicht noch gesund sind, bringen nicht viel, denn in der Regel ist auch das Laub weitgehend zerstört und die Qualität des verbleibenden Leseguts schlecht.”

 

Kaliumphosphonat als Chance

Ertragseinbußen sind bei Befall fast unvermeidlich

Hochschule Geisenheim

Für Kauer ist der Wirkstoff Kaliumphosphonat ein großer Hoffnungsträger im Kampf gegen Peronospora, speziell für Biobetriebe. Dieser ist aber derzeit in der EU-Bioverordnung nicht zugelassen, vor allem weil Vertreter aus Frankreich, Italien und Spanien ihn bisher kategorisch abgelehnt haben. „Ich habe mich immer dafür ausgesprochen, dass wir in Krisenzeiten einen zusätzlichen Wirkstoff neben Kupfer benötigen. Die Bioverbände bereiten derzeit zusammen mit der Bundesregierung ein Dossier vor, das in Brüssel diese Diskussion neu anregen soll. Man muss so ehrlich sein zu sagen: In solchen Extremjahren wie 2023 sind wir mit den derzeitigen Kupfermengen nicht ausreichend handlungsfähig. Wir haben mit Phosphonat in Deutschland viel Erfahrung gesammelt, als es noch als Stärkungsmittel eingesetzt wurde. Wir werden Kupfer damit nicht ersetzen können, aber wir sollten diese beiden Wirkstoffe kombiniert einsetzen können. Damit könnten wir die Rebe entscheidend abhärten, vor allem im empfindlichen Zeitraum bis zum Ende der Blüte. Und um Abhärtung geht es im Bioweinbau: Die Rebe zunächst zu stärken. So könnten Bio-Winzer auch in solchen Notfallsituationen wie 2023 zumindest mit einem blauen Auge davonkommen.“

Derzeit seien die Vertreter aus Deutschland, Österreich und der Tschechischen Republik beim Bio-Anbau einsame Rufer auf EU-Ebene. Dabei sei Kupfer im EU-Pflanzenschutzrecht ein Kandidat auf Substitution, eine Erhöhung der Mengen stehe kaum zur Debatte. Noch müsse man es nutzen, aber umso wichtiger sei laut Kauer die Diskussion um die Zulassung von Kaliumphosphonat.

Ob die derzeitige Situation die Ablehnung aufweichen könne? „Ich hoffe es. Es tut mir aber leid, dass erst so etwas passieren muss. Die Franzosen, Italiener und Spanier haben das abgelehnt, weil sie so einen Befallsdruck bisher nicht kannten. Aber man muss sich der Realität stellen, und die ist nun mal, dass sich die Witterung ändert. Wenn wir den Pflanzenschutz nicht weiterentwickeln, sind wir dem immer öfter schutzlos ausgeliefert.“

 

Neue Chancen der Bekämpfung beim Bio-Anbau

Es wird aber auch mit neuen Arten der Kupfer-Ausbringung experimentiert. In Fett-Ummantelungen verkapselte Kupferdosen („CuCaps”) geben den Wirkstoff kontinuierlich ab. Extrakte aus Rebholz und Süßholz zeigen vielversprechende Ergebnisse. UV-Bestrahlung könne den chemischen Pflanzenschutz ergänzen, wenn auch wohl nicht ersetzen, speziell bei Verhältnissen wie 2023.

Und schließlich könne man mit Piwi-Reben laut Kauer 70 bis 80 Prozent des Pflanzenschutzes einsparen und in manchen Jahren völlig auf Kupfer verzichten. Trotzdem plädiert er weiter für die Forschung an Phosphonat. „Das kennen wir schon lange und seine Wirkungsweise ist gut bekannt, weil es in unterschiedlichen Pflanzenkulturen eingesetzt wird. Es ist toxikologisch unbedenklich, und irgendwann müssen wir zumindest eine Brückentechnologie zulassen, die uns die kommenden Jahre handlungsfähig erhält.“ Er resümiert: „Im nördlichen Mitteleuropa haben wir schon in den 1980ern gelernt, wie wir mit kleinen Kupfermengen gegen den Falschen Mehltau klarkommen, auch wenn wir ihn nicht immer im Griff behalten haben. Nun stellen uns auch die klimatischen Extreme vor entscheidende Herausforderungen, um den Bioweinbau weiter zu entwickeln. Die Diskussion um Nachhaltigkeit erhöht auch hier den Druck auf die Erzeuger, sich mit der Umstellung zu beschäftigen. Umso wichtiger ist es aber, dies risikoarm und erfolgreich einzusetzen. Wenn man als Winzer keinen Ertrag hat, ist man irgendwann pleite, dann ist auch Schluss mit der ökonomischen Nachhaltigkeit des Systems. Wir müssen unsere Lehren daraus ziehen, daher hoffe ich auf eine konstruktive Diskussion auf europäischer Ebene.“

 

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