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Ein bis zwei Gläser Wein pro Tag galten bislang als unschädlicher Konsum. Doch seit einiger Zeit warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO: Schon ein einziger Tropfen Alkohol ist ungesund. Damit ist sie gesellschaftlich und politisch im Trend – aber nicht auf dem Stand der Wissenschaft.

Frederico Falcão ist eher ein ruhiger Typ. Doch als der Präsident von ViniPortugal in Toledo ans Rednerpult tritt, kennt er kein Halten mehr. Auf dem Kongress „Lifestyle, Diet, Wine & Health“ im vergangenen Oktober wittert er eine Verschwörung „von Fundamentalisten", die Wein als Gift verunglimpfen würden. Grund war unter anderem eine Erklärung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die warnt, dass es nach einer systematischen Bewertung über Jahre hinweg und [...] gut dokumentierten Risiken „kein sicheres Maß" an Alkoholkonsum gebe, „das die Gesundheit nicht beeinträchtigt". Dies ist eine fundamentale Abkehr vom bisherigen Forschungsstand, nach dem mäßiger Weingenuss nicht schädlich ist.

Noch in ihrem „Globalen Alkohol-Aktionsplan 2022-2030“ fordert die WHO eine „Strategie zur Verringerung des schädlichen Alkoholkonsums", anstatt ihn zu verbieten. Jetzt heißt es barsch: „Das Risiko für die Gesundheit beginnt mit dem ersten Tropfen eines alkoholischen Getränks." Diese Behauptung, schimpfte Falcão, „basiert auf falschen Beweisen“. Gegen den aktuellen Standpunkt der WHO spricht immerhin eine dreistellige Zahl von Studien, die positive Wirkungen von Wein belegen, besonders auf Herz, Kreislauf und Gefäße. Rotwein verdünnt das Blut, verbessert den Kreislauf, seine Polyphenole fangen freie Radikale, schützen Herzkranzgefäße vor Ablagerungen. Er hilft dem Körper, Omega-3-Fettsäuren zu bilden, beugt Arterienverkalkung und -verschluss vor und wirkt positiv auf den Cholesterinspiegel.

Mittelmeerdiät statt Medikamente

Rotwein-Fans können außerdem auf niedrigen Blutdruck hoffen: Das Risiko für einen Schlaganfall oder Herzinfarkt sinkt. Bereits 2021 zeigte eine Studie, dass die Mittelmeerdiät mit Wein bei Patienten, die bereits an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, zu einer Reduzierung der Symptome um 38 Prozent führt. Das schafft kaum ein Medikament.

Außerdem hilft mäßiger Weinkonsum gegen Leiden von Arthritis bis Zahnfäule: Bandscheiben-Verschleiß, Bronchitis, Schäden der Darmflora, Diabetes, Dickdarmkrebs, Gallensteine, Gebärmutterkrebs, Glasknochen, Grauer Star, Halsentzündungen, Lungenschäden, Nierenfunktionsstörungen und -krebs, Osteoporose, Parkinson, Prostataleiden, Rheuma, Schlaflosigkeit, Übergewicht.

Rotwein soll zudem dem Körper helfen, Immunität gegen 200 verschiedene Viren aufzubauen, die beispielsweise Erkältungen auslösen. Herausragend ist auch die Wirkung gegen Demenz. All diese Studien sind bis heute nicht widerlegt. Die WHO fordert trotzdem erhöhte Steuern auf Alkohol und schiebt gleich ein „Fachhandbuch zur Alkoholsteuerpolitik und -verwaltung“ hinterher. Darin werden am Beispiel von Litauen hohe Preise als Mittel gegen Alkoholtote empfohlen und mit einer Zahl belegt: Die Todesrate sei dadurch von eins zu 4274 auf eins zu 5525 gesunken. Das zeigt vor allem eins: Viel weniger Menschen sterben an Alkohol, als es die WHO vermittelt. In Deutschland verstarben 2016 etwa 62.000 Menschen an den Folgen ihres Alkoholkonsums. Das klingt viel. Allerdings sterben im Land pro Jahr etwa eine Million Menschen, 360.000 davon an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 230.000 Krebs und etwa 42.000 durch Gewalt oder Unfälle. Alkohol ist also eine Ursache mit eher geringer Relevanz – und Wein kommt in den Statistiken nirgends vor.

Subjektive Annahmen gegen starke Argumente

Der Münchner Ernährungswissenschaftler und Bestseller-Autor Prof. Nicolai Worm bewertet die Verbots-Argumente der WHO als „Annahmen, die sehr subjektiv sind".

Die WHO und so manche Forscher beeindrucken diese Zahlen offenbar nicht. „Es scheint derzeit einen starken politischen Druck zu geben, um die Vorstellung zu fördern, dass Null Alkohol der einzige Weg ist", klagt Professor Nicolai Worm aus München, ein führender deutscher Ökotrophologe, renommierter Experte für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Vorsitzender des Weininformationsrates und Mitveranstalter des Kongresses in Toledo. Den von der WHO verwendeten Quellen bescheinigt er „begrenzte Evidenz" und die „parteiische Interpretation der Institution", auf die sich viele Länder bei ihrer Gesundheitspolitik stützen. Japan etwa revidierte im November eiligst seine ohnehin zaghafte Empfehlung von einem Glas Sake pro Tag in Richtung Null und verwies ganz offen auf den Widerstand der Gesundheitsexperten.

Die irische Regierung verstieß mit einem Vorschlag für obligatorische Warnhinweise auf Wein- und Bierflaschen sogar bewusst gegen EU-Regularien – und kam damit durch. Professor Ramon Erstuch, Vorstandsmitglied des spanischen Gesundheitsinstituts, warnte hingegen vor dem Fehlen randomisierter klinischer Studien: „Relativ wenige Arbeiten unterscheiden die Auswirkungen verschiedener alkoholischer Getränke – Wein, Bier und Spirituosen – auf Krebs. Wein hat nämlich einen größeren Schutzeffekt", betonte er. Dies ist auch Worms Haupteinwand: Er hält die von der WHO verwendeten Daten von 2018 nicht durchgehend für faktenbasiert. Seine Kritik: „Sie verwenden immer nur Annahmen, die sehr subjektiv sind. Zwei Jahre später verwenden sie die gleichen Daten, um zu einem anderen Ergebnis zu kommen."

 

Immer weniger Alkoholkonsum in Europa

Eine Botschaft wie „unklare Forschungslage bei Nutzen und Gefahren von Weingenuss – Wissenschaftler vertreten gegensätzliche Standpunkte“ lässt sich von der WHO kaum global transportieren, „Alkohol tötet“ läuft da schon viel besser. Die Message – oder Panikmache – wirkt, auch wenn sie an der Realität vorbei schrammt. Seit Jahren geht der Alkoholkonsum in Deutschland und Europa zurück, längst auch der Weinverbrauch. Rund die Hälfte der Generation Z etwa trinkt niemals Alkohol. Noch 1980 trank jeder zweite Franzose täglich Wein und lebte trotzdem durchschnittlich gesünder als die Bürger der USA. 2022 war es nur noch jeder neunte Franzose. Der Pro-Kopf-Konsum sank seit den 1960er-Jahren um über 70 Prozent. Die Produzentenverbände in Europa erwarten einen Rückgang von weiteren 20 Prozent in den kommenden zehn Jahren.

Auch in Deutschland sind die Neinsager hartnäckig. Ausgerechnet Gemeinden in Weinregionen verbieten den Alkoholausschank inzwischen bei kleinen Events wie Straßenfesten. Ein Taktgeber ist dabei ausgerechnet das Wirtschaftsministerium von Rheinland-Pfalz. In diesem Bundesland liegen sechs Anbaugebiete, die zwei Drittel des deutschen Weins produzieren.

Klima des sozialen Misstrauens

Durch die pauschalen Schuldzuschreibungen, die sich weder an der konsumierten Menge noch an der Art des Getränks orientieren, entsteht ein gesellschaftliches Klima des sozialen Misstrauens. Die Erwähnung positiver Effekte des Weingenusses werden irrelevant. Sogar das harmlose Adjektiv „bekömmlich“, mit dem traditionelle Winzer jahrzehntelang ihre leichten Kabinett-Weißweine bezeichneten, wurde per Gerichtsbeschluss untersagt. Und das Glas Wein zum Mittagessen ist ohnehin schon fast Geschichte.

Auffällig bei den skeptischen Studien ist allerdings, dass Alkohol selbst in geringen Mengen mit Krebs in Verbindung gebracht wird – obwohl die meisten Studien nur wenige Krebsarten aufzählen. Die wenigsten Arbeiten liefern konkrete Zahlen: Um wieviel steigt die Wahrscheinlichkeit für welche Krebserkrankung bei welcher Konsummenge? Fehlanzeige. Auf Nachfrage folgt oft nur der Hinweis, dass es gar nicht so viele Studien zum Thema gebe, der ursächliche Zusammenhang sei unklar. Mit anderen Worten: Wir wissen nicht, ob Alkohol oder eine andere Ursache der Auslöser dieser Erkrankungen ist.

Genau diese Unschärfe werfen die Anti-Alkohol-Protagonisten aber oft Studien mit positiven Ergebnissen vor. Dort schneiden oft gesundheitsbewusste, gut gebildete, sportliche Menschen mit überdurchschnittlichem Einkommen gut ab, die sich gesund ernähren. Es ist also unklar, ob Wein gut fürs Herz ist oder ob ernährungsbewusste, wohlhabende Bildungsbürger ein insgesamt geringes Krebsrisiko haben und nebenbei noch gern Wein trinken. Nur wenige Kritiker legen die Indikatoren umgekehrt an: Hat ein Mensch, der körperlich schwer arbeitet, wenig gebildet ist, keinen Sport treibt und wenig auf seine Gesundheit achtet, eine niedrigere Lebenserwartung, wenn er keinen Wein trinkt?

Ignoriert von den Anti-Alkohol-Befürwortern werden meist auch Studienergebnisse, die Weinkonsumenten eine erhöhte Lebensqualität bescheinigen: Einige Arbeiten fanden etwa heraus, dass Weingenießer im Durchschnitt eine bessere Hirnleistung und weniger erektile Dysfunktion als Abstinenzler aufweisen. Rotweingenießerinnen sind demnach sexuell besser stimuliert und aktiver, empfinden Sex als befriedigender. Weinfreunde haben zufriedenere und stabilere Beziehungen, werden seltener depressiv und haben größere soziale Fähigkeiten. Eine Studie der Oxford University ergab zudem, dass Menschen, die in Gesellschaft trinken, mehr Freunde haben und sich außerdem glücklicher als andere fühlen. Mäßiger Alkoholkonsum ist demnach ein wirksames soziales Schmiermittel, denn er regt die Endorphinausschüttung an. Kurzum, Menschen mit bedachtem Weinkonsum haben mehr Freude am Leben. Darüber sollten alle vielleicht mal nüchtern nachdenken.

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