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Konstantin Baum MW erreicht mit seinen Verkostungsvideos auf Youtube ein weltweites Millionenpublikum. Im Interview erzählt der 41-jährige Geisenheim-Absolvent, warum er kein Influencer sein will, wie seine Videos entstehen und welche Grenzen er sich setzt.

Konstantin Baum MW

Guido Bittner

Du giltst bei YouTube als einer der weltweiten Wein-Stars, deinem Kanal folgen fast 160.000 Menschen. Was war das erste Video, das du hochgeladen hast?

Konstantin Baum: Das war ein Vorstellungsvideo für meinen ersten Kanal, der noch auf Deutsch laufen sollte. Das habe ich so aber gar nicht umgesetzt, weil irgendwie das Leben dazwischen kam. Dann kam das erste Video auf dem neuen Kanal, so wie er jetzt ist: auf Englisch und mit einem anderen Anspruch an die Qualität. Wenn ich mich richtig erinnere, war das die Verkostung einer Flasche Riesling von J.J.Prüm.

 

Was war dein Anspruch?

Konstantin Baum: Ich war dabei, als vor 17 Jahren der amerikanische Video Tasting-Pionier Gary Vaynerchuk loslegte. Das hat mich interessiert. Danach habe ich aber nie Wein-Inhalte auf YouTube gefunden, die mich gepackt hätten. Irgendwann dachte ich mir: Ich will Inhalte posten, die ich selbst gerne sehen will. Mein Anspruch ist, dafür zu sorgen, dass die Welt besser schmeckt. Das bedeutet, dass ich die richtigen Weine ins Land hole, über meinen Handel verkaufe und bei den Hotels und Restaurants auf die Weinkarte setze, mit denen ich zusammenarbeite. Ich will aber auch dafür sorgen, dass die Leute lernen, selbst besser zu schmecken. Darum soll es gehen. Es soll unabhängig sein. Es soll spannend sein. Es soll lustig sein – und immer auch lehrreich. Mir ist es wichtig, nicht irgendeinen Quatsch zu produzieren, sondern Wissen zu vermitteln.

 

Du sagst, die Welt soll besser schmecken. Schmeckt sie nicht gut?

Konstantin Baum: (Lacht) Da gibt’s viel Potenzial! Ich habe kürzlich ein Video gemacht, bei dem ich Weine der Eigenmarke von Amazon verkostet habe. Da geht’s auf jeden Fall noch nach oben. Hier in Deutschland hat sich wahnsinnig viel getan. Aber es geht halt immer noch besser. Wie gut einem etwas schmeckt, hat aber nicht nur damit zu tun, wie gut der Wein selbst ist, sondern auch, wie gut man mit ihm umgehen kann. Daher gehört es für mich nicht nur dazu, dass man den besten Wein im Glas hat, sondern auch den Wein schätzen lernt.

 

Du bist in englischer Sprache auf YouTube gestartet. Warum?

Konstantin Baum: Ich habe den Kanal auf Deutsch begonnen, 2020 aber beschlossen, ihn auf Englisch zu machen. Ich habe viel Zeit im englischsprachigen Ausland verbracht, dort gearbeitet und gelebt. Warum sollte ich ihn nur für Leute machen, die Deutsch sprechen? Außerhalb von Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es kaum Menschen, die mich verstehen. Und Wein ist sowieso eine Nische. Warum sollte ich mich noch weiter limitieren? Es ist der beste Weg, um eine große Zuschauerzahl zu erreichen.

 

Du bist einer der wenigen YouTuber, die mit Wein-Videos weit über eine Million Abrufe verzeichnet haben. Warst du überrascht, dass etwa deine Verkostung eines 159 Jahre alten Portweins 3,4 Millionen Abrufe erzeugt hat?

Konstantin Baum: Ich mache ein Video nicht, weil ich denke, das wird das viralste Weinverkostungs-Video, das es gibt. Aber an nur einem Tag wurde das Portwein-Video knapp eine halbe Million Mal aufgerufen, Das kam mir ziemlich wild vor. Aber sowas kann man nicht strategisch planen. Ich habe sehr teure und ältere Weine verkostet, und die sind nicht so viral gegangen. Daher kann es nicht mein Anspruch sein, dass jedes Video so laufen muss. Aber es hat den Kanal für viel mehr Zuschauer geöffnet. Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Zahl meiner Follower verdoppelt. Das Portwein-Video wird heute noch oft aufgerufen. Was mich fasziniert, dass Zuschauer kommentiert haben: Ich bin Muslim, ich habe noch nie Alkohol getrunken, aber das Video fand ich total interessant. Das freut mich einfach. Ich will ja nicht jeden dazu bringen, Alkohol zu trinken. Ich will vermitteln, was Wein alles sein kann.

 

Wie entsteht ein Video bei dir?

Konstantin Baum: Ich habe sechs Leute, die für mich arbeiten. In der Regel habe ich die Idee, mein Mitarbeiter Leon organisiert die Weine. Ich kaufe sie fast alle selbst zu Endverbraucherpreisen – auch den Pétrus für 3.000 Euro, mit dem wir ein Video gemacht haben. Danach setze ich mich ans Skript. Das schreibe immer ich. Manchmal scripte ich das Video komplett durch, denn es ist wichtig, dass man sehr schnell die Zuschauer in den Bann zieht. Da musst du auf den Punkt kommen. Meine Videos laufen ja durchaus 20 Minuten – das ist ein Investment heutzutage. Leon recherchiert für mich die Fakten: Was gibt es zu den Weinen zu sagen? Wenn es aber Blindverkostungen sind, weiß ich gar nichts über sie.

 

Konstantin Baum MW

Guido Bittner

Ist das wirklich so?

Konstantin Baum: Ja, ich kenne nur das Thema. Leon und manchmal meine Ehefrau verpacken die Weine in die Hülsen. Danach drehe ich meistens alleine. Darauf gehen die Dateien zu den Editoren. Das Material wird geschnitten, ich bekomme die Rohfassung, darauf folgt die Korrekturschleife. Wenn alles in Ordnung ist, wird das Video gepostet. Ansonsten arbeiten wir nochmal dran.

 

Wie viele Aufnahmen drehst du für ein Video?

Konstantin Baum: Manchmal könnten es schon 30, 40, 50 Takes sein. Mir ist es sehr wichtig, dass der Inhalt gut rüberkommt. Ich muss die richtige Intonation treffen – vor allem, wenn Witz dabei ist. Da muss es präzise und sehr sauber sein. Für ein Video, das 20 Minuten lang ist, brauche ich mindestens zwei bis drei Stunden, nur um es zu drehen.

 

Könntest du von YouTube leben?

Konstantin Baum: Mit YouTube mache ich einen sechsstelligen Umsatz. Daher könnte ich davon schon leben. Aber ich finde es gut, davon nicht leben zu müssen, weil es mir sonst den Spaß rauben würde. Ich würde mir Gedanken machen, wie ich noch mehr Einkommen damit erziele. Die Summe hört sich viel an, aber ich muss auch meine Mitarbeiter bezahlen.

 

Würdest du dich als Influencer bezeichnen?

Konstantin Baum: Ungern. Es ist halt das, was die Leute sich so vorstellen. Bei YouTube bin ich ein Content Creator. Ich versuche, die Zuschauer zu informieren – und nicht, sie zu beeinflussen. Das aber ist der Kern des Begriffs Influencer.

 

Wo sind deine Grenzen?

Konstantin Baum: Was für mich gar nicht geht, ist, dass Inhalte gekauft sind. Ich würde nicht mit einem Weingut zusammenarbeiten, deren Weine besprechen und sagen: Die sind super. Das würde vieles kaputt machen, weil meine Arbeit auf Vertrauen basiert. Daher muss echt bleiben, was ich tue. Ich habe anderseits auch Lust, viele verrückte und auch ein bisschen bescheuerte Sachen zu machen. Mir geht es nicht nur darum, ein Video zu produzieren, das maximale Aufrufe generiert, sondern ich will das tun, worauf ich Lust habe. Ich habe etwa ein Video über den italienischen Kritiker Luca Maroni gemacht, weil mich seine Bewertungen so nerven. Oder ich produziere ein Video über Lightstrike, das ist ein Lichtfehler im Wein. Nichts für die Masse, aber das interessiert mich. Oft sind es aber genau diese Themen, auf die ich bei Veranstaltungen angesprochen werde.

 

Welche Resonanzen erhältst du?

Konstantin Baum: Wenn Kommentare negativ sind, ist das eigentlich ein gutes Zeichen, weil das Video weit gestreut wurde. Meine Zuschauer sind echt nette Leute, die manchmal konstruktive Kritik anbringen. Aber das kommt sehr selten vor. Es gibt auch immer mal Leute, die etwas schreiben, das negativ ist. Aber das verletzt mich nicht. Ich bin ja kein 16-jähriger Tiktoker mehr. Es kommen aber Leute auf mich zu und sagen: „Hey, deine Videos haben dafür gesorgt, dass ich jetzt bei einem Winzer arbeite.“ Kürzlich hat mir eine Masters of Wine-Kollegin erzählt, ihr Nachbar habe angefangen, meine Videos zu schauen. Seitdem kauft er extrem viel Wein und beschäftigt sich total damit. Solche Sachen bleiben bei mir hängen. Ein paar blöde Sprüche in den Kommentaren gehen mir am Arsch vorbei.

 

Konstantin Baum MW

Guido Bittner

Du bist international viel unterwegs und siehst, was in der Weinszene kommt und geht. Was kommt?

Konstantin Baum: In den USA sind es die Riesling-Weine aus New York State. Die sind in Deutschland total unter dem Radar. Selbst deutsche Riesling-Winzer haben sich noch nie einen Wein von dort bestellt. Aber es ist extrem spannend, was dort passiert: Die Weine sind super kühl, frisch und präzise mit nur 11,5 oder 12 Prozent Alkohol. Das sind richtige Cool Climate-Weine, auch im Vergleich zu Deutschland. English Sparkling Wine ist für mich spannend, da werde bald ein Video darüber machen. Ich überlege auch, eine Verkostung mit Weinen aus Belgien, Luxemburg, Dänemark, Schweden und Norwegen zu machen. Da ist viel in Bewegung.

 

Was geht?

Konstantin Baum: Das plumpe, exzessive Wine Making beim Rotwein, bei dem es nur darum geht, Extraktion zu bekommen und zu viel Holz reinzubringen. In vielen Teilen der Weinwelt passiert ein Umdenken. Es geht jetzt um Frische und Lebendigkeit. Ich denke nicht, dass das die Durchschnittsverbraucher mögen, weil sie das Süße, Reichhaltige und Fette am liebsten mögen. Aber im Premiumsegment geht’s definitiv in die andere Richtung.

 

Wann wird für dich ein Thema relevant?

Konstantin Baum: Ich folge ein paar relevanten digitalen Medien. Ich werde auch von Winzern und Weinregionen kontaktiert mit Vorschlägen, was sie produzieren und mir vorstellen wollen. Wenn es wirklich interessant ist, verfolge ich das weiter und steige tiefer ein. Aber das geht nur über den Wein selbst. Ich muss erst verkosten und vor Ort gewesen sein, bevor ich etwas als als „neue Welle“ bezeichne.

 

Würdest du die Ausbildung zum Master of Wine heute noch mal genauso beginnen?

Konstantin Baum: Ich weiß nicht, wie ich das anders hätte hinkriegen können. Nicht nur, weil es mich dahin gebracht hat, wo ich jetzt bin, sondern weil diese Zeit mich unglaublich viel gelehrt hat. Ich habe viel darüber gelernt, was Wein bedeutet, wie man ihn verkostet, aber auch wahnsinnig viel über mich erfahren: wie ich mit Stress und Druck umgehe, was mir wichtig ist im Leben. Ich habe tolle Freundschaften geschlossen. Diese Zeit hat mich definitiv verändert. Die Jahre haben mich reifen lassen. Wie einen guten deutschen Riesling.

 

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