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Nur vier Kilometer lang ist das Atauta-Tal am östlichsten Rand der Ribera del Duero. Mit 59 Hektar ist es das weltweit größte Gebiet, das noch mit wurzelechten, über 100-jährigen Reben bestockt ist. Jaime Suárez, Technischer Direktor von Dominio de Atauta, berichtet von den Herausforderungen, den Weinbau dort am Leben zu erhalten.

Jaime Suárez ist seit 2016 Technischer Direktor von Dominio de Atauta.

Dominio de Atauta

Was ist so besonders am Atauta-Tal?

Jaime Suárez: Eigentlich alles (lacht). Das Tal liegt sehr abgeschieden auf rund 1.000 Metern Höhe am östlichen Rand der Appellation Ribera del Duero in der Provinz Soria. Es ist nur vier Kilometer lang und rund einen Kilometer breit. Im ganzen Tal gibt es noch 59 Hektar Reben – alle wurzelecht und zwischen 130 und 190 Jahre alt. Obwohl das Tal sehr klein ist, haben wir 25 verschiedene Terroirs charakterisieren können.

 

Gibt es in Europa ein vergleichbar großes Gebiet mit Prä-Phylloxera-Reben?

Jaime Suárez: Nicht, dass ich wüsste. Ich denke, dass es weltweit das größte zusammenhängende Gebiet mit wurzelechten Reben ist.

 

Dominio de Atauta bewirtschaftet 56 der 59 Hektar Rebfläche. Seit wann existiert das Weingut?

Jaime Suárez: Es wurde 1999 vom Weinhändler Miguel Sánchez gegründet. Sánchez stammt selbst aus der Provinz Soria. Damals vermisste er in seinem Portfolio Weine aus diesem unbekannteren Teil der Ribera del Duero. Er war so fasziniert von diesem Anbaugebiet, dass er ein eigenes Projekt im Atauta-Tal aufgezogen hat. Im Jahr 2000 hat er zum ersten Mal dort Wein erzeugt und gezeigt, welches Potenzial hier schlummert.

Seit 2009 gehört Dominio de Atauta zur spanischen Gruppe Terra Selecta, die acht Weingüter in Spanien besitzt. Aber bei Dominio de Atauta geht es weniger ums Business als darum, den Weinbau im Tal am Leben zu erhalten.

 

Ist das Projekt ein Aushängeschild für Terra Selecta?

Jaime Suárez: Es ist sehr kompliziert und kostspielig, 700 kleine Parzellen zu bewirtschaften. Da braucht man ein gewisses Kapital im Rücken. Und für das Unternehmen ist es ein großes Privileg, diese Weinbautradition fortzuführen. Ohne unser Engagement gäbe es keinen Weinbau mehr im Tal.

 

700 Parzellen, das ist fast unvorstellbar. Wie ist diese kleinteilige Situation zu erklären?

Jaime Suárez: Dazu muss man in die Geschichte eintauchen. Fast jeder in der Provinz Soria besaß ein Stück Land mit ein paar Reben, der Großteil davon war Tinto Fino (Tempranillo). Die meisten Trauben wurden für den Eigenverbrauch verwendet und selbst vinifiziert. Wein galt damals auch als Zahlungsmittel.

Als dann 1982 die Appellation Ribera del Duero entstanden ist, haben sich die meisten großen Weingüter in den Provinzen Valladolid und Burgos niedergelassen. Soria ist die höchstgelegene und kälteste Region der Appellation. Innerhalb der Provinz ist das Atauta-Tal nochmal extremer, da es sich auf einer Höhe von 930 bis 1.000 Metern erstreckt. Früher reiften die Trauben dort oft nicht aus. Deswegen hatten die Bodegas kein Interesse, zu investieren. So ging die Rebfläche nach und nach zurück. Man spricht von einer ehemaligen Anbaufläche von rund 200 Hektar.

 

Auf sehr kargen Böden wächst hier Tinto Fino, wie die Rebsorte Tempranillo in der Ribera del Duero genannt wird.

Dominio de Atauta

Was haben die übrigen Winzer mit ihren Trauben gemacht?

Jaime Suárez: Es gab in San Esteban de Gormaz eine Kellereigenossenschaft. Dort wurden sie zu Fasswein verarbeitet, der auf der Plaza de Madrid verkauft wurde. Aber die Traubenpreise fielen ins Bodenlose. Viele Weinberge wurden nicht mehr richtig gepflegt, weil es sich für die Bauern einfach nicht lohnte.

Also war es vor 25 Jahren sehr einfach, Weinberge zu kaufen.

Jaime Suárez: Genau. Auch wenn die Appellation Ribera del Duero Ende der 1990er-Jahre großen Erfolg hatte – in Soria spürte man das nicht. Erst unser Weingut hat den Weinbau im Tal wiederbelebt und die ersten Flaschen abgefüllt. Für die Winzer vor Ort war das ein großes Aufatmen. Dominio de Atauta hat ihnen sechs Mal so viel gezahlt wie die Genossenschaft. Im zweiten Jahr hat keiner mehr an die Kooperative geliefert.

 

Besitzt Dominio de Atauta auch eigene Weinberge oder kauft ihr ausschließlich Trauben zu?

Jaime Suárez: Mittlerweile besitzt das Weingut selbst 30 Hektar Reben und kauft Trauben von weiteren 26 Hektar zu. Einige Weinberge werden noch von ihren Besitzern bewirtschaftet. Diejenigen, die zu alt geworden sind, überlassen uns die Bearbeitung. Aber unsere Qualitätsstandards im Weinberg gelten für alle Vertragswinzer.

 

Was habt ihr in den Weinbergen verändert?

Jaime Suárez: Bevor die Winzer ihre Trauben an uns verkauften, holten sie aus ihren Weinbergen die höchstmögliche Erntemenge raus. Die Reben waren damals in einem sehr schlechten Zustand. Also haben wir die Erträge um die Hälfte reduziert und die Rebstöcke ins Gleichgewicht gebracht. So konnten die Trauben auch viel besser ausreifen. Der Ertrag liegt heute bei 2.000 Kilo pro Hektar auf den sandigen Böden und bei 2.500 Kilo pro Hektar auf den tonhaltigen Böden.

 
 

Es muss sehr anspruchsvoll sein, diese uralten Reben zu pflegen.

Jaime Suárez: Für uns stehen sie im Mittelpunkt unserer Arbeit. Die Reben zu erhalten, hat für uns Priorität. Sie machen den Unterschied. Heute sind sie kraftvoll und widerstandsfähig, aber es hat Zeit gedauert.

 

Was macht ihr, wenn ein Rebstock ersetzt werden muss? Dürft ihr wurzelechte Reben nachpflanzen?

Jaime Suárez: (seufzt) Das ist ein wunder Punkt. Die EU verbietet es, in Europa wurzelechte Reben zu pflanzen – außer mit gewissen Ausnahmen. Leider gelten diese nicht für unser Tal, obwohl die Reblaus hier nie nachgewiesen wurde. Um abgestorbene Reben zu ersetzen, haben wir einige besonders geeignete Rebstöcke ausgewählt, von denen wir bei Bedarf Edelreiser in eine Rebschule bringen. Dort werden sie vermehrt und auf eine Unterlage gepfropft.

 

Im Atauta-Tal ist Schnee keine Seltenheit.

Dominio de Atauta

Wie hat sich das Klima in den vergangenen 20 Jahren verändert?

Jaime Suárez: Der Klimawandel hat für uns bislang eher Vorteile mit sich gebracht. Während es früher ein sehr kaltes, kontinentales Klima war, ist es heute nur noch kalt. Unsere Weinberge liegen an der Grenze, an der Weinbau überhaupt noch möglich ist. Das Risiko von Spätfrösten ist aber trotz der gestiegenen Temperaturen immer noch groß.

 

Leidet das Tal unter Wassermangel?

Jaime Suárez: Natürlich kämpfen auch wir mit den geringen Niederschlägen. Der Durchschnitt liegt bei rund 440 mm im Jahr. Um Trockenstress zu vermeiden, müssen wir die Erträge sehr einschränken. Zudem schützen wir den Boden zwischen den Reben durch Begrünung vor Austrocknung. Denn bewässern können wir aufgrund der Kleinparzellierung nicht.

 

Was machen die Böden für einen Unterschied?

Jaime Suárez: Wir haben vornehmlich zwei Bodentypen: sandig und tonhaltig. Bei beiden haben wir nur eine relativ geringe Tiefe von 70 und 140 Zentimetern, doch darunter liegt eine Kalksteinschicht, die das Wasser sehr gut speichert. Das ist unser großer Vorteil. Da die alten Reben sehr tiefe Wurzeln haben, gelingt es ihnen, auch die letzten Wasservorräte zu nutzen.

 

Merkt man den Trauben an, in welcher Tiefe die Reben wurzeln?

Jaime Suárez: Absolut. Als wir die 25 Terroirs herausgearbeitet haben, wurde uns klar, dass dies eine der vielen Variablen ist.

 

Dominio de Atauta macht zwei Einstiegs-Cuvées und fünf Cru-Weine. Wären 25 Crus möglich?

Jaime Suárez: Ja, theoretisch könnten wir die 25 Terroirs einzeln vinifizieren. Das wäre sehr interessant. Aber unser Keller ist dafür leider nicht ausgerichtet. Wenn ich könnte, würde ich die verschiedenen Lagen noch viel stärker herausarbeiten. Vor allem, weil mit jeder Weinlese das Wissen über die Besonderheiten der Weine wächst. Aber aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das kaum machbar, auch wenn das Atauta-Projekt eine „burgundische Seele“ hat.

 

Ismael Sanz (l.) und Jaime Suárez (r.) sind bei Dominio de Atauta verantwortlich für Weinberge und Keller.

Dominio de Atauta

Sind die beiden Einstiegsweine sehr verschieden?

Jaime Suárez: Ja. Beide sind Blends aus Tempranillo von verschiedenen Terroirs, aber es gibt einen wesentlichen Unterschied. Der Parada de Atauta ist Ausdruck sandiger Böden, während der Dominio de Atauta von tonhaltigen Böden stammt. Im Parada de Atauta sind bis zu zehn Prozent Trauben aus dem Nachbartal enthalten, da er im Laufe der Jahre immer beliebter geworden ist und wir weitere Trauben brauchten. Der Parada ist zugänglicher und damit der Eintritt in die Welt von Atauta.

 

Du arbeitest seit 2016 für das Weingut. Was bedeutet es für dich, Wein unter diesen extremen Bedingungen zu produzieren?

Jaime Suárez: Es erfüllt mich mit großem Stolz, nicht einfach nur Wein zu machen, sondern gleichzeitig mit meiner Arbeit auch eine einzigartige historische Kulturlandschaft zu bewahren. Die Menschen hier im Tal identifizieren sich mit dem Wein. Wenn wir eine Auszeichnung für unsere Weine bekommen, feiert das ganze Dorf. Das ist schon eine besondere Wertschätzung.

 

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