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Das Roussillon ist Frankreichs heißeste Region. In den vergangenen zwei Jahren fiel dort teilweise so wenig Regen wie in der Sahara. Die Winzer entwickeln Strategien gegen Trockenstress und Missernten.

Es ist kaum mehr als ein Rinnsal, das durch die Landschaft schleicht. Eigentlich ist die Têt einer der drei Hauptflüsse im Roussillon, dem katalanischen Süden Frankreichs. Doch seit über zwei Jahren fehlt ihr das Wasser. „Seit September hatten wir nur etwa 220 Millimeter Niederschlag“, berichtet Winzer Serge Baux, „und das waren schon zehn Prozent mehr als im Jahr davor.“ Bislang lag die durchschnittliche Niederschlagsmenge im Gebiet bei gut 570 Millimetern pro Jahr.

Das Roussillon gleicht einem Amphitheater, das sich gen Osten zum Mittelmeer hin öffnet. In den übrigen drei Himmelsrichtungen wird es von Gebirgen begrenzt: den Pyrenäen im Süden, Albères im Westen und Corbières im Norden. Auf das heiße, mediterrane Klima mit jährlich rund 316 Sonnentagen haben sich die Bewohner eingestellt, ebenso auf die acht Winde, die teils vom Land, teils vom Meer her wehen. Eine Vielzahl unterschiedlicher Terroirs bringt hier charaktervolle Weine hervor. Für deren Ausgewogenheit sorgen Höhenlagen, die Bodenart, eine Lese sehr früh am Morgen und eine Vinifikation, bei der meist mit Kühlung gearbeitet wird.

 

Landschaft bei Saleilles nahe der Mittelmeerküste

Carsten M. Stammen

Ernteverluste durch Trockenheit

„Landwirtschaft im Roussillon ist eine Herausforderung“, sagt Eric Aracil, Vizepräsident des regionalen Weinverbands (CIVR). Zwar kann die dort übliche Buscherziehung der Rebstöcke die Trauben vor Sonne und Hitze schützen. Doch die massive Trockenheit stellt Pflanzen und Menschen auf eine besonders harte Probe. Denn es regnet im Sommer- und im Winterhalbjahr viel zu wenig. Das bedeutet dauerhaften Trockenstress für die Reben, die Böden können sich nicht regenerieren.

„Viele Reben treiben gar nicht erst aus, und alte Rebstöcke sterben“, beklagt Rémi Sisquelle vom Weingut Château de Rey. Der Grund: „Der Wasserkreislauf ist unterbrochen.“ Das führt zu Ernteverlusten: Laut La Revue du Vin de France sank die Erntemenge im Roussillon von 42 Hektolitern pro Hektar 2012 auf 26 Hektoliter pro Hektar im Jahr 2023. „Wir haben im vergangenen Jahr 40 Prozent weniger Trauben geerntet“, bestätigt Nastassia Dobritz von der Domaine Gardiès. In vielen anderen Betrieben sieht es ähnlich aus.

Optimisten und Pessimisten

Wie die Reben auf den Trockenstress reagieren, erläutert Alain Razungles von der Domaine des Chênes, emeritierter Professor für Oenologie an der Universität von Montpellier: „Rebstöcke haben ein Gedächtnis für den Witterungsverlauf in ihrem Leben. Sehr alte Reben erkennen deshalb Frühindikatoren für Hitze und Trockenheit und passen ihr Wachstumsverhalten an. Nehmen sie solche Gefahren wahr, verschließen sie sich und wachsen nicht mehr, um sich zu schützen.“

Dabei gebe es „pessimistische“ und „optimistische“ Rebsorten. „Carignan ist eher pessimistisch“, so Razungles. „Die Triebe wachsen nach zwei trockenen Jahren in Folge vielleicht nur noch auf eine Länge von 15 Zentimetern. Hält die Trockenheit weiter an, bildet der Rebstock im nächsten Jahr womöglich gar keine Triebe mehr aus.“ Syrah sei dagegen eher optimistisch: „In trockenen Jahren wachsen die Triebe vielleicht nur 20 oder 50 Zentimeter weniger. Damit hat der Rebstock noch Reserven, um länger zu überleben.“

 

Im Weingarten von Mas Baux: Syrah-Rebstock mit Syrah-Trieb (rechts oben) und aufgepfropftem Xarello-Trieb (links unten)

Carsten M. Stammen

Resistente Rebsorten

Befragt nach Strategien im Umgang mit dem Trockenstress, hat Razungles mehrere Ansätze parat: „Zunächst tief wurzelnde Rebstöcke, die auch in Trockenzeiten wahrscheinlicher an Grundwasser gelangen.“ Das erscheint leichter gesagt als getan, denn der Grundwasserspiegel in der Region sinkt immer weiter ab. Darüber hinaus dringt durch die fast ausgetrockneten Flussbetten mitunter sogar Meerwasser ins Landesinnere vor, was zusätzlich zur Versalzung der Böden führt.

Razungles’ zweiter Vorschlag: „Rebsorten, die weniger empfindlich gegen Trockenheit und Hitze sind, etwa aus Griechenland, Portugal oder Spanien.“ Auf diese Idee kamen bereits mehrere Winzerinnen und Winzer, beispielsweise die Domaine Gardiès. „Wir suchten nach Trauben, die hitzeresistent sind und weniger Alkohol produzieren“, schildert Nastassia Dobritz. Inzwischen kultiviert Gardiès unter anderem Torbato – in Frankreich Tourbat genannt – sowie Xarello und Assyrtiko. Auch korsische oder sardische Sorten kämen in Frage.

Hoffnungsträger Xarello

Serge Baux vom Weingut Mas Baux setzt ebenfalls auf Rebsorten, die weniger Wasser brauchen. Seine Wahl fiel ebenfalls auf Xarello: „Die Sorte reift früh und trägt gut.“ Erst vor Kurzem hat Baux einen Hektar Syrah-Reben mit Xarello gepfropft. Wenn der Versuch funktioniert, will er die Syrah-Triebe später abschneiden.

Interessant ist, dass die genannten „neuen“ Rebsorten alle weiß sind. Damit tragen die Winzerinnen und Winzer dem Weißwein-Trend Rechnung, der überall im Roussillon zu beobachten ist. Die Region, die traditionell für gehaltvolle Rotweine bekannt ist, steht damit möglicherweise vor einem strategischen Wandel. Serge Baux will in diesem Jahr sogar einen Mourvèdre Blanc de Noirs produzieren.

Mit dem Gedanken, Xarello anzubauen, trägt sich auch Thomas Mangin vom Weingut Torredemer Mangin. Er weist auf einen historischen Aspekt hin: „Vor 20 oder 30 Jahren wurden im Roussillon Rebsorten gepflanzt, die sich gut verkaufen ließen. Heute stellt sich heraus, dass sie auf lange Sicht eventuell zu empfindlich gegenüber Hitze und Trockenheit sind.“

 

Weinberg bei Latour-de-France im Naturpark Corbières-Fenouillèdes

Carsten M. Stammen

Geduld, Austausch und Zuversicht

Rémi Sisquelle von Château de Rey sieht im Wesentlichen zwei Wege, mit dem Trockenstress umzugehen. Zum einen baut er auf Know-how aus regenarmen Regionen wie Südspanien oder Marokko. Zum anderen hat er sich für Diversifikation und Agroforstwirtschaft entschieden: In seinen Weinbergen stehen Oliven-, Vogelbeer- und Aprikosenbäume. Sie sollen das Ökosystem stabilisieren.

Pierre Boudau von der Domaine Boudau betont: „Es braucht Zeit, um wirksame Strategien zu entwickeln. Wir wissen ja noch gar nicht, ob der Anbau von spanischen Rebsorten funktioniert. Wichtig ist, dass wir miteinander kommunizieren und uns über die Ergebnisse von Versuchen austauschen.“ Boudau setzt auf die „Resilienz der traditionellen Familienweingüter“. Sie hätten die Erfahrung von Generationen. Problematisch werde es dagegen für Quereinsteiger, die in der Region ein Weingut gründen wollen.

„Das Wesen der Winzer im Roussillon ist es, sich anzupassen“, erklärt Yannick Clavier, kaufmännischer Direktor der Vignerons de Caramany. Die Chancen, dass ihnen das auch diesmal gelingt, stehen durchaus gut. Der Stil der Roussillon-Weine allerdings dürfte sich deutlich verändern.

 

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