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Der Winzer Wilhelm („Willi“) Bründlmayer aus Langenlois (Kamptal) gilt als Vordenker der österreichischen Weinbranche. Schon vor 25 Jahren warnte er, der Klimawandel könnte den Rebsortenspiegel deutlich verändern. Alexander Lupersböck sprach mit ihm über Cabernet Franc, Agri-Photovoltaik und Ästhetik.

Wie kamst Du zur damaligen Aussage, der Klimawandel könne den Rebsortenspiegel in Österreich verändern? Was ist davon inzwischen eingetroffen?

Willi Bründlmayer: In den späten 1980er-Jahren erhielt ich durch Zufall von einem amerikanischen Klimaforscher eine Klimaprognose für Langenlois, die 20 Jahre in Zukunft blickte. Das Ergebnis: Die Durchschnittstemperatur würde um ein Grad Celsius steigen. Die Niederschläge würden insgesamt geringfügig höher, aber ungleichmäßiger verteilt. Diese Vorhersagen haben sich bewahrheitet. Durch meine Kollegen in der Acádemie Internationale du Vin konnte ich an deren Erfahrungen teilhaben. Weingüter in Italien, Spanien oder Kalifornien haben all das schon viel früher gespürt als wir in Österreich.

 

Wie hast Du auf diese Prognosen reagiert?

Willi Bründlmayer: Wir begannen, spätreifende und gegen Hitze widerstandsfähigere Reben zu setzen, die auf Trockenstress besser reagieren. Am heißesten Punkt, am Hangfuß des Heiligenstein im Kamptal, haben wir eine Versuchsanlage gepflanzt. Von Merlot bis Nebbiolo haben wir sehr viele Rebsorten beobachtet. Cabernet Franc hat sich am vielversprechendsten erwiesen. Und: Die Aufzuckerung gehört definitiv der Vergangenheit an.

 

Wie arbeitet ihr in den heißesten Parzellen?

Willi Bründlmayer: Das Kamptal war früher an der Weinbaugrenze, also sehr kühl. In vielen Jahren galten die Weine als zu säurebetont. Heute sind wir in einer sehr angenehmen Klimazone für Weinbau, es ist moderat kühl und wir können unsere Hauptsorten Grüner Veltliner und Riesling im optimalen Reifezeitraum ernten. Die noch früheren Sorten wie Müller-Thurgau oder Frühroter Veltliner haben wir aber gerodet. In den spät reifenden Lagen wie Steinberg stehen nun Riesling, Grüner Veltliner für Leichtweine und Chardonnay für Sektgrundwein, aber auch für Stillwein. Diese Trauben werden vier bis fünf Wochen nach dem Sektgrundwein reif. In der heißesten Parzelle am Heiligenstein haben wir einen Hektar Cabernet Franc gepflanzt.

 

Biodiversität im Weinberg beschränkt sich nicht auf Pflanzen und Insekten

Weingut Bruendlmayer

Welche weißen Rebsorten könnten noch interessant werden?

Willi Bründlmayer: Ich setze sehr stark auf Grünen Veltliner, aufgrund seiner dicken Schale und seiner Robustheit passt er weiterhin sehr gut hierher. Aber wir schauen uns auch Piwi-Sorten an. Für ein Bioweingut ist das ja fast zur Pflicht geworden.

 

Sind die verfügbaren Piwi-Sorten nicht zu früh reif und leiden unter der Hitze?

Willi Bründlmayer: Wir arbeiten mit der Forschungsanstalt in Klosterneuburg und dem Rebzüchter Ferdinand Regner zusammen, um ihm Daten zur Verfügung zu stellen. Es wäre verlockend, einfach Welschriesling zu pflanzen, denn er ist stresstolerant und hält Hitze aus. Aber wir sind hier im Kernland des Rieslings, daher möchte ich den nicht so einfach aufgeben. Die Piwi-Sorten Donauriesling und Donauveltliner finde ich spannend, sie erhalten die Säure. Ich kann mir einen gewissen Anteil an Piwis als Cuvéepartner für Kamptal DAC-Gebietsweine gut vorstellen. Jedenfalls wollen wir die Forschung motivieren, noch robustere, später reifende Sorten zu entwickeln.

 

Wird es generell trockener oder feuchter?

Willi Bründlmayer: Grundsätzlich bekommen wir etwas mehr Niederschlag, wenn auch oft in komprimierter Form als Starkregen. Wir verwerten die Daten der offiziellen Messstation, die im Zentrum des Weinbaugebiets liegt und die bis 1965 zurückreichen.  Auf unserer Website kann sich jeder selbst die Temperatur- und Niederschlagsentwicklung anschauen.

 

Wie wirkt sich das auf den Krankheitsdruck aus?

Willi Bründlmayer: Als Biobetrieb muss man relativ oft behandeln. Die Rebstöcke werden zwar robuster gegen Krankheiten, aber die Krankheitserreger und Schädlinge entwickeln sich ebenfalls weiter und werden resistenter. Es ist ein ewiges Match. Unser Glück im Kamptal ist, dass immer etwas Wind geht und es rasch abtrocknet. Deshalb ist die Dichte an Biobetrieben hier recht groß.

 

Was kann man als Winzer noch tun? Höhere Lagen, andere Sorten, Beschattung?

Willi Bründlmayer: Unsere bisherigen Anpassungen sind: Frühe Sorten durch späte ersetzen. Alle Weingärten begrünen. Den Boden mit Mulch, Humusaufbau und Bewuchs schützen und kühlen. Bis jetzt haben wir es geschafft, mit Begrünung und Laubarbeit wie der Lyra-Erziehung und ihrem Laubdach, sogar leichtere Grüne Veltliner zu erhalten. Die Lesezeit liegt nun zwei bis drei Wochen früher. In anderen Lagen plädiere ich für Agri-Photovoltaik, das ist eines meiner Lieblingsprojekte.

 

Warum?

Willi Bründlmayer: Das sind bewegliche Solarpaneele über den Rebstöcken. Normalerweise wird Energie genau nicht benötigt, wenn sie zur Verfügung steht. Doch der Energiebedarf der Menschen und der Weinstöcke ergänzen sich hervorragend. Wenn wir keine Energie zum Heizen oder Kühlen brauchen, braucht die Rebe das Licht und die Wärme. Also drehen wir die Paneele weg. Wenn wir Kühlung für Klimaanlagen, Tanks und E-Autos benötigen, stehen die Paneele waagrecht und schützen den Weingarten vor der intensiven Sonneneinstrahlung. Als Zusatznutzen erzeugen sie Energie und machen es zudem für die Mitarbeiter angenehmer. Damit wird auch der Winzer wieder etwas wichtiger – er nimmt Einfluss auf das Mikroklima der Weingärten.

 

Solarzellen am Dach der Kellerei sorgen bereits jetzt für Sonnenenergie

Weingut Bruendlmayer

Das verändert den Charakter der Weinlandschaften grundlegend.

Willi Bründlmayer: Ästhetik verändert sich im Laufe der Zeit. Vielleicht haben auch nicht alle Menschen damals Windmühlen schön gefunden. Auf jeden Fall sollten wir unsere Energie nicht mehr mit fossilen Stoffen erzeugen und dafür Geld in autokratische Regimes schicken, die unsere Demokratie untergraben wollen. Wir sollten wieder – mit modernen Methoden – dorthin kommen, wo wir vor 300 Jahren schon waren: Dass die Bauern sich selbst und andere von ihren Flächen mit Energie versorgen können. Nur zwei bis vier Prozent der österreichischen Agrarflächen würden genügen, um das Land mit der benötigten Energie zu versorgen – sofern man die Speicherproblematik löst.

 

Ändert sich dadurch nicht stark der Charakter der Herkunft? Anders gefragt: Werden die heutigen Toplagen in 50 Jahren noch immer die besten sein?

Willi Bründlmayer: Es gab auch in den vergangenen Jahrhunderten Klimaveränderungen, und unsere besten Lagen wie der Heiligenstein geben schon seit Jahrhunderten bemerkenswerte Weine. Ich bin überzeugt: Wenn man in eine gute Lage ausreichend Arbeit steckt, kommt am Ende ein gutes Produkt heraus. Die wirklichen Toplagen werden auch künftig Toplagen bleiben. Vielleicht werden sie sich künftig aber noch stärker von den anderen Lagen differenzieren.

 

Weltweit herrscht – entgegen der Anpassungen an das Klima – ein Trend weg von Rotweinen, hin zu leichten Weißweinen und Schaumweinen. Welche Schlüsse ziehst Du daraus?

Willi Bründlmayer: Wir haben ein Viertel Rotweinanteil, davon geht das meiste aber in Sekt, von dem wir immer zu wenig haben. Rosé ist auch sehr gefragt. Wir sind im Kamptal in der komfortablen Situation, dass wir hier auch gute Sektgrundweine erzeugen können. In den höheren Lagen, bis 400 Metern, reifen die Burgundersorten ausgezeichnet – und das wohl noch einige Jahrzehnte, wenn die Erwärmung halbwegs linear verläuft. Denn die eine Woche frühere Lese macht dabei sehr viel aus. Wir haben also noch etwas Zeit. Und ich setze auf Beschattung durch Photovoltaik.

 

Wo steht das Weingut Bründlmayer in 30 Jahren?

Willi Bründlmayer: Unsere ältesten Rebanlagen sind 100 Jahre alt, und diese Zeitspanne versuche ich, vorauszudenken. Wie können wir mit der Klimaveränderung umgehen und resilienter werden? Wie stimmen wir umweltgerechte Bewirtschaftung auf Sorten ab, die guten Wein ergeben? Was würde passieren, wenn der Golfstrom zusammenbricht? Dann würde es hier deutlich kälter werden und wir brauchen wieder frühreifende Sorten. Das genetische Potenzial dieser Rebsorten sollte deswegen weiter gepflegt werden, ebenso wie die genetische Vielfalt des Grünen Veltliners. Wenn die Menschen geistig flexibel bleiben, werden ihnen – wie in der Vergangenheit – Lösungen einfallen. Ich vertraue darauf, dass künftige Generationen das Kulturerbe Wein erhalten werden. Ich stehe den technischen Entwicklungen sehr offen gegenüber.

 

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