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Die Ausstellerzahlen der Wine Paris - Vinexpo haben 2024 einen Riesensprung gemacht. Die Pariser Messe steht nun im direkten Wettbewerb zur ProWein. Doc wie haben Aussteller und Besucher sie erlebt? Matthias Stelzig hat in den Hallen überraschende Antworten erhalten.

„Cool“, sagt Klaus Gasser von der Cantina Terlan und lässt den Blick schweifen. Am Stand der Südtiroler auf der Vinexpo ist viel Betrieb. Er ist sicher: „Paris wird in einigen Jahren die wichtigere Messe." Solche Sätze hört man oft in den Hallen. Die Stimmung ist gut. Seit dem Start 2018 ist die Messe stetig gewachsen und legte in diesem Jahr zu wie nie zuvor. Sie wuchs von 3.400 Ausstellern, die 2023 kamen, auf nun 4.074. Anbieter aus 48 Ländern buchten 53 Prozent mehr Fläche als im Vorjahr, 41.253 Besucher kamen aus 155 Ländern.

Solche Zahlen sprechen für sich, auch im Vergleich mit der Leitmesse ProWein. Rund 5.200 Aussteller aus 66 Nationen waren Ende Februar in Düsseldorf angemeldet, die Veranstalter erwarten „rund 50.000 Fachleute“. Da stellt sich wieder einmal die Frage, ob die Vinexpo künftig zur wichtigsten Weinmesse der Welt werden könnte. Die Abläufe sind gut organisiert auf dem Messegelände im 15. Arrondissement, wo jeder zehnte Pariser wohnt. Eiffelturm und Arc de Triomphe sind weit weg, aber hier weht Pariser Luft: In Laufweite zur Messe gibt es, anders als in Düsseldorf, reichlich gute Restaurants und Bars.

Mit diesem Erfolg im Rücken schlägt Messe-Chef Rodolphe Lameyse den großen Bogen zu Klimawandel, Kriegen und veränderter Verbrauchernachfrage. Er will eine Lobby organisieren, um „Menschen zu ermutigen, mehr Wein zu trinken“. Er wehrt sich gegen die Stigmatisierung der Branche als „Drogenhändler“ durch die WHO. Der geschäftsführende Direktor bietet dabei den „Weltmarktplatz“ Vinexpo als „internationalen Partner“ an. Zur Eröffnungskonferenz spricht er auf Französisch - ohne Übersetzung für die ausländischen Gäste. Danach hält der französische Landwirtschaftsminister Marc Fesneau eine längere Rede mit vielen Fakten, ebenfalls ohne Übersetzung für die Gäste. Das demonstriert: Die Vinexpo ist Chefsache. Passend dazu ist kein Geringerer als Staatspräsident Emmanuel Macron der Schirmherr. Auch das Rahmenprogramm mit 126 Informationsveranstaltungen und einer Preisverleihung kann sich sehen lassen.

Volle Gänge, gute Organisation: Die VinExpo weist 2024 massiv steigende Aussteller- und Besucherzahlen auf.

Bernard Nardeau

Beim Rundgang durch die Hallen fällt auf, dass Konzept - und Realität - sich in wesentlichen Teilen mit der ProWein überschneiden. Die riesigen Stände der großen Produzenten dominieren das Bild. Dazu gibt es Themenschwerpunkte wie Spirituosen (+47 %), Mixology, Cidre, Bier und Alkoholfrei. In der Mittagszeit stehen Wartende auch hier vor dem McDonald’s in einer 20 Meter langen Schlange. Dabei stellt sich dem Beobachter die Frage, ob die Messe sich nicht überdehnt mit ihrem immer größeren Angebot. Diese Sorge formulieren Beobachter der ProWein schon länger. „In Düsseldorf werden wir nicht gesehen“, klagt etwa Yves Hamel, Export-Verantwortlicher von La Choupette. Die Burgunder-Domaine hat erste Lagen in Puligny-Montrachet, Chassagne-Montrachet und Santenay. Der Jahrgang sei zwar schon verkauft, der Stand in Paris lohne sich für ihn dennoch. Diese Ansicht teilt er mit vielen französischen Winzern.

Die Messe ist mit deutlich mehr als 50 Prozent heimischen Ausstellern noch sehr französisch geprägt. Erheblichen Anteil am Zuwachs der ausländischen Aussteller haben die italienischen Winzer: Südtirol etwa ist erstmals mit einem Gemeinschaftsauftritt von 18 Gütern dabei. Auf Nachfrage erfährt man von vielen, dass sie ihre deutschen Kunden auch am Stand in Düsseldorf treffen werden. Das hört man auch von anderen italienischen Winzern. Die kleine Gambero-Rosso-Verkostung ist allerdings in der hintersten Ecke der letzten Halle untergebracht. Das gefällt nicht jedem Drei-Gläser-Weingut.

 

Gemischte Stimmung in der Halle "International"

Die übrigen ausländischen Aussteller verteilen sich auf eine halbe Halle Spanien und eine gemischte Halle, die aus Sachzwang „International“ heißt. Gemeinschaftsstände von Österreich, Kalifornien, Australien, Deutschland, Südafrika und Slowenien halten die jeweiligen Fahnen hoch. Die Stimmung ist dort aber gemischt. „Wir sind zum ersten Mal hier und gehen jetzt nicht mehr auf die ProWein“, berichtet Silvia Gesellmann aus dem österreichischen Deutschkreutz zufrieden, "unsere Exporteure treffen wir hier alle“.

Am Österreich-Stand in der "International"-Halle verlief die Messe ruhiger. Dennoch waren viele internationale Aussteller zufrieden.

Bernard Nardeau

Auch Martin Hochdörfer vom Weinhaus Franz Hahn im pfälzischen Albersweiler zieht eine positive Bilanz: „Als Handelshaus hatten wir gute Kontakte.“ Für Winzer mit anderer Betriebsstruktur könnte das aber anders aussehen, räumt er ein. Das bestätigt die Winzerin Lisa Bunn aus Nierstein (Rheinhessen). Es laufe nur „schleppend“. Ein junges, anspruchsvolles Weingut aus Rheinhessen mit Lagen am Roten Hang findet hier nur wenige Interessenten. „Hier kommen die Leute nur am Ende des Tages vorbei, wenn sie mit den Franzosen fertig sind“, erzählt sie. Es ist eine Stunde vor Torschluss und eher ruhig in den Gängen – wie auch zu den anderen Tageszeiten. Kurz darauf packt ihr Nachbar John Kimball zusammen. „Wir machen heute etwas früher Schluss“, sagt der Großhandels-Direktor von Adelsheim aus Oregon (USA). Er ist trotzdem sehr zufrieden: „Hier kontaktieren uns mehr internationale Einkäufer als in Düsseldorf. Dort ist es außerdem zu teuer, vor allem die Hotels.“

Fragt man hundert Messebesucher nach dem größten Nachteil der ProWein, antworten 99: die Hotelpreise. Die Düsseldorfer Hoteliers gleichen damit ihre miesen Beleg-Raten in den restlichen Wochen des Jahres aus. 300 Euro pro Nacht und Zimmer sind zur ProWein ein Schnäppchen. In Paris schlafen Gäste und Aussteller ohne Mühe für die Hälfte oder weniger.

Die hohen Preise haben die Düsseldorfer Veranstalter aber nicht selbst in der Hand. Ebenso wenig den Streik im regionalen Nahverkehr, zu dem die Gewerkschaften im vergangenen Jahr bewusst zum Termin der Messe aufriefen. Diese Unannehmlichkeiten stießen vielen Besuchern übel auf, oder waren vielleicht nur der letzte Tropfen, der das Düsseldorfer Fass zum Überlaufen brachte.

„Wir waren mal mit 80 Winzern auf der ProWein“, erinnert sich Josef Greilinger, Chef des Pfälzer Weinwerbung, „jetzt sind es noch 20“. Das lässt tief blicken. Denn bei den anderen großen Regionen Deutschlands sieht es nicht viel anders aus. Auch vom Verband deutscher Prädikatsweingüter (VdP) fahren nur noch 94 von rund 200 Weingütern nach Düsseldorf, 2014 waren es noch 141. In der Österreich-Halle schenken 2024 zudem nur noch 198 Weingüter aus - statt 320 vor zehn Jahren.

 

Standpreise in Düsseldorf deutlich teurer

Einer der Gründe für die Absagen: Die Düsseldorfer Messe-Preise haben es in sich. Winzer berichten von Steigerungen um 100 Prozent in diesem Jahr auf nun 6.000 Euro für einen kleinen Stand. In Paris sei die gleiche Fläche schon für die Hälfte zu haben. Hier helfen auch die Anschub-Subventionen des französischen Staates, um die Preise niedrig zu halten.

Die Kritik an der ProWein ist allerdings so alt wie die Messe selbst: Zuerst hoben viele Aussteller den Zeigefinger, weil die Messe nicht in einer Weinregion stattfindet. Die ProWein wuchs dennoch zur einzigen international relevanten Weinmesse der Welt heran, während die Konkurrenz in London massiv an Bedeutung verlor oder, wie in Bordeaux, sich gegen ausländische Anbieter abschottete.

Zuletzt haderten ausgerechnet deutsche Winzer, dass sie sich nicht mehr mit der Messe identifizieren könnten. Ein sehr deutsches Phänomen: Winzer des zehngrößten Anbaulandes der Welt kritisieren, dass die globale Wein-Leitmesse, für die andere Produzenten um den halben Erdball fliegen, direkt vor der eigenen Haustür veranstaltet wird.

Abseits der harten Fakten ist der Esprit in Paris allerdings ein anderer als in Düsseldorf. Die ausländischen Vinexpo-Teilnehmer sind begeistert von der neuen Umgebung. Ein Dinner an der Seine hat eben ein anderes Flair als ein zu teures Gasthaus am Rhein. Dazu steigen die Gastronomie-Preise zur ProWein von Jahr zu Jahr – und es gibt einfach nicht genügend gute Restaurants. In Paris ist all das anders.

Der Flughafen Orly ist für die Pariser Messe zudem strategisch bestens gelegen. Mit der Straßenbahn mit einer Haltestelle direkt vor den Ausgangstoren kann man für nur 1,90 Euro direkt zum Airport fahren. Am Nachmittag des letzten Messetages gibt es jedoch auf den Anzeigetafeln eine Warnung in Rot: Wegen eines Streiks sei „mit Blockaden und erheblichen Verspätungen zu rechnen“. Das kommt bekannt vor. Auf der Fahrt im Taxi, für das es keine Warteschlangen gibt, kann man so in Ruhe über die Unterschiede der beiden Messen nachdenken. Der Kampf um den Spitzenplatz ist jedenfalls noch nicht entschieden.

 

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