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Die Hotelpreise in Düsseldorf schießen zur ProWein in legendäre Höhen: Messegäste und Aussteller zahlen oft mehr als das Vierfache des üblichen Preises. Viele Winzer verzichten daher schon auf den Messestand. Und die Preise steigen weiter. Doch warum? Matthias Stelzig hat nachgefragt.

© Constanze Tillmann

Der Preis war sensationell: 40 Euro mit Frühstück - für ein Zimmer mitten in der Düsseldorfer Innenstadt. U-Bahn direkt vor der Tür. Was will man mehr für eine Nacht auf Geschäftsreise? Vor Ort gibt’s noch ein Upgrade auf eine Junior Suite, die ihren Namen verdient. Geschätzte 50 Quadratmeter, und alles neu renoviert. Im Café nebenan kostet alleine das Frühstück 11,90 Euro. Das Angebot in Düsseldorf ist groß: Außerhalb der ProWein gibt es preiswerte Hotels schon unter 50 Euro. Warum also nicht dasselbe Hotel zur Messe buchen? Weil es dann das Vierfache oder gar deutlich mehr kostet. Viele ProWein-Besucher kennen den Augenblick, in dem man ungläubig auf den Preis beim Online-Buchen starrt. Wer zur Messe – und auch deutlich früher – ein Hotel buchen will, braucht unter 150 Euro pro Nacht gar nicht anfangen zu suchen. Dafür gibt’s in diesen Tagen aber nur ein einfaches Hotelzimmer, das zu anderen Zeiten des Jahres um 40 Euro pro Nacht zu haben ist.

Diese horrenden Preisaufschläge sind in Düsseldorf aber Standard. Woran liegt das? Thorsten Hellwig räuspert sich. Der Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Nordrhein-Westfalen (DeHoGa) erklärt, er könne das so nicht bestätigen. Und er fügt Altbekanntes hinzu: „Pauschal kann man das nicht sagen. Hohe Nachfrage erzeugt hohe Preise. Das ist vergleichbar mit Hotels in Urlaubsorten in der Hauptsaison oder Flügen zur Ferienzeit.“  Ist das wirklich so?

 

Entspannte Weinreise zum Preis des Messebesuchs

Der Urlaubs-Vergleich hinkt: Selbst in Spitzenzeiten wie den Sommerferien vervierfachen sich in Ferienhotels keineswegs die Preise. Außerdem richten sie sich an eine sehr große Zahl von Gästen. Während der ProWein leidet hingegen nur die spezielle Gruppe der Aussteller, Dienstleister und Messebesucher darunter. Wer nicht ins weitere Umland ausweicht und lange Anfahrtszeiten in Kauf nimmt, kommt schnell auf deutlich mehr als 1.000 Euro Hotelkosten – pro Person. Zusammen mit den ohnehin hohen Spesen von der Anreise über Restaurantbesuche bis zu oft weiten Taxifahrten am Abend addiert sich das zu sehr stattlichen Summen. Besucher, die keine Spesen abrechnen können, machen daher eine andere Rechnung auf: Statt teurem Messestress kann man für diesen Betrag auch in aller Ruhe eine interessante Weinregion bereisen. Da lernt man mehr – und kann in Ruhe guten Wein einkaufen.

Das schadet der Weinmesse und auch der Branche: Sehr viele Winzer, etwa aus Österreich und Italien, nehmen nicht mehr an der Messe teil. Der Grund ist nur einer: Die extrem hohen Kosten. Das bestätigt auch die Nachfrage der wein.plus-Redaktion bei mehreren Winzern dieser Länder. “Warum soll ich nur für ein paar neue Kontakte mehrere tausend Euro ausgeben? Das ist doch rausgeschmissenes Geld. Diesen Betrag investiere ich lieber in gutes Marketing”, sagt etwa ein italienischer Winzer, der nicht genannt werden will.

 

Hotelschiffe und Caravan-Stellplätze als Alternative

Auch die Messegesellschaft Düsseldorf ist ratlos. „Da hat sich in den letzten Jahren leider gar nichts verändert“, sagt Pressesprecherin Christiane Schorn enttäuscht, „als Veranstalter der Messe haben wir auf die Hotellerie keinen Einfluss.“ Zur Entlastung haben die Veranstalter große Flusskreuzfahrtschiffe organisiert, die als schwimmende Messehotels am Rheinufer liegen und rund 350 Übernachtungsplätze anbieten. Allerdings kostet dort eine Kabine auch 275 Euro. Das nimmt aber immerhin ein wenig Druck aus dem Markt. Außerdem können Gäste mit dem Wohnmobil anreisen. Dank der besucherstarken Caravan-Messe in Düsseldorf gibt es viele Stellplätze mit allem Komfort. Bei den vielen tausend Ausstellern und Besuchern der ProWein hilft dieses Angebot trotzdem kaum.

Hoteliers können ihre Preise ohne jede Obergrenze festsetzen. Eine gesetzliche Regelung gibt es nicht. Die Preisgestaltung etwa bei einer Hotel-Kette geschieht oft in der Zentrale - und die reagiert nur auf die Nachfrage. Wer da den Knopf drückt, den interessieren die Messe und ihre Besucher kaum. „Dabei ist das sehr kurz gedacht“, sagt Schorn. In Frankfurt, wo die Preise etwa zur Buchmesse ähnlich überteuert angeboten werden, hätten die Hoteliers den Bogen fast überspannt: Der Veranstalter war vor einigen Jahren kurz davor, den Standort zu wechseln.

 

Nur 35 Prozent Betten-Auslastung in Düsseldorf

In Düsseldorf bezahlen Messe-Besucher aus der Weinbranche den Hoteliers ihre schlechten Standortbedingungen. Oder, je nach Sichtweise, deren Missmanagement. „Düsseldorf verfügt über ein großes Hotel-Angebot. Dazu zählen auch umliegende Städte wie Duisburg, Essen oder Mönchengladbach“, versucht DeHoGa-Fachmann Hellwig etwas die Wogen zu glätten. „Auch in der Stadt bietet der attraktive Hotelmarkt alle Segmente.“ Stimmt: Vom einfachen Kettenhotel bis zu den Luxus-Herbergen an der Königsallee gibt es ein großes Angebot. Auch moderne, individualisierte Ketten haben hier ihre Zelte aufgeschlagen. Im großbürgerlichen Stadtteil Oberkassel zum Beispiel eröffnete im vergangenen Jahr ein glitzerndes „me and all hotel“ mit 249 Zimmern und stylischem Wohnzimmer-Flair in den weitläufigen Lounges. Oder das „b’mine“, wo man sein Auto direkt vor dem Zimmer parken kann.

Die gesamte Region rund um Düsseldorf ist hoch verdichtet: Im Umkreis von nur 500 Kilometern leben fast 40 Prozent aller EU-Bürger. Internationale Konzerne wie Metro, Vodafone, E.ON, Degussa und Henkel haben hier ihren Sitz oder ihre Europa-Basis. Das erzeugt viele Geschäftsreisende, könnte man meinen. Doch genau das ist nicht so: Bis 2019 verzeichneten Düsseldorfer Hotels leicht steigende Belegungsraten. Doch die Auslastung lag auf niedrigem Niveau von 40 bis unter 50 Prozent. Im vergangenen Jahr kostete ein Zimmer durchschnittlich 110 Euro. Das ergibt Platz drei hinter Berlin und München. In den Corona-Monaten sackte die Belegung auf dramatische 21 Prozent ab, um sich 2022 schlagartig zu erholen.

Das Statistische Bundesamt verzeichnet im Januar 2023 bundesweit rund 50 Prozent mehr Übernachtungen als im Januar des Vorjahres, aber immer noch zehn Prozent weniger als 2019. In Düsseldorf waren aber 2022 mit 35 Prozent lediglich etwas mehr als ein Drittel der Hotelbetten belegt.

Trotzdem eröffnen in Düsseldorf ständig neue Hotels. Sie könnten dem ProWein-Besucher den Messebesuch komfortabler machen. Doch zwischen den Messen werden kaum mehr Menschen kommen, nur weil es mehr Hotelzimmer gibt. Um die frisch gemachten Betten auszulasten, müssten die Hotels eine satte Million Übernachtungen mehr zählen. Das aber geschieht nicht - und so müssen Aussteller und Messebesucher mit teils absurd hohen Hotelpreisen die fehlende Auslastung in den Bilanzen kompensieren.

Investor-Gesellschaften, die die großen Umsatzräder im Dorf an der Düssel drehen, rufen deshalb lautstark nach der Politik. Die soll endlich mehr touristische Anreize schaffen. Ein Opernhaus zum Beispiel - am besten so attraktiv wie die Elbphilharmonie in Hamburg.

Düsseldorf verfügt über ein respektables Angebot an Kunst, Oper und klassischer Musik. Die bildende Kunstszene zählt sogar zu den besten in Deutschland. Bei Rock und Pop ist das Angebot von den Toten Hosen bis zum Schlagersänger Heino eher gemischt. Konzertsäle gibt es genug. Ein bisschen was anzusehen gibt’s auch: Altstadt, Königsallee, Rheinuferpromenade oder Medienhafen sind einen Blick wert. Düsseldorf ist aber nicht Hamburg. Und deswegen will hier niemand Urlaub machen.

„Man muss sehen, wie es sich entwickelt“, sagt selbst Hellwig, der als Lobbyist eigentlich jubeln könnte. Neben dem traditionell volatilen Geschäft „sind wir immer noch in der Post-Corona-Phase. Der Markt wird sich verändern und neu aufstellen.“ Tja, dann: „To Another Great Year.“

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