wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Der Pfalzwein e.V. hat versucht, das Amt der Pfälzischen Weinkönigin zu modernisieren und zu öffnen. Das hat massiven Widerstand in der Region ausgelöst. Nun wurde ein Kompromiss gefunden – doch der Konflikt geht weiter.

Mitte Juli kündigte die Pfälzer Gebietsweinwerbung an, dass sie das Amt der Pfälzischen Weinkönigin modernisieren wolle. Diese sollte ab 2024 durch „PfalzWeinBotschafterin“ und „PfalzWeinBotschafter“ ersetzt werden, die gemeinsam als „TeamPfalz“ (siehe Bild oben, v.l.n.r.: Lara Karr, Denise Stripf, Manuel Reuther) auftreten und statt Krone eine Anstecknadel tragen.

Dieses Ansinnen schlug hohe Wellen in der Weinszene und der regionalen Politik. Eine Debatte mit weitreichendem Medienecho ging durch die Branche. Inzwischen wurde ein Kompromiss gefunden, doch der erscheint kaum geeignet, das Spannungsfeld aufzulösen.

 

Geschlechterfragen

Der erste Schritt zur Transformation war die Öffnung für männliche Bewerber. Pfalzwein machte das durch die Formulierung „Kandidat:innen“ deutlich, die sich auf „ihr Amt als Weinhoheiten vorbereiten“ würden. Damit war „Weinhoheiten“ als geschlechterübergreifende Bezeichnung gesetzt.

Der Oberbürgermeister von Neustadt an der Weinstraße, wo die Wahlen zur Pfälzischen und zur Deutschen Weinkönigin stattfinden, wandte sich gegen die Pläne. „Das Glamouröse und Märchenhafte gehört zur Figur“, betonte er gegenüber der FAZ. „Das lässt sich nicht so einfach auf einen Mann übertragen, nur weil man sagt, wir leben in ei­ner gleichberechtigten Gesellschaft.“

In anderen Regionen ist man schon weiter. Auf Ortsebene gibt es Weinprinzen bereits in mehreren deutschen Anbaugebieten. In Rheinhessen steht auch auf Gebietsebene ein Mann zur Wahl, und am Mittelrhein sind bereits zwei Gebietsweinprinzen im Amt. Der Unterschied zum Pfälzer Vorstoß: Dort rüttelt man nicht am monarchischen Konzept. Im Rheingau wiederum werde man keine Männer zur Wahl zulassen, erklärte Weinbaupräsident Peter Seyffardt in der FAZ. Das Deutsche Weininstitut (DWI) hingegen hat das Amt der Deutschen Weinkönigin bereits für alle Geschlechter geöffnet. Wird ein Gebietsweinkönig gewählt, kann er auch Deutscher Weinkönig werden.

 

Die amtierenden Weinhoheiten des Anbaugebiets Mittelrhein: Weinkönigin Julia Lambrich (2.v.l.) mit Weinprinzessin Hannah Roos (2.v.r.) und den Weinprinzen Felix Kahl (li.) und Gero Schüler (re.)

Fotostudio Eidens-Holl / Mittelrhein-Wein e. V.
 

Tradition und Geschichte

Als Reaktion auf die Pfalzwein-Pläne initiierte ein Vorstandsmitglied der CDU Neustadt eine Petition, um „das Amt und den Titel der Pfälzischen Weinkönigin“ zu bewahren. Darin heißt es: „Tradition bildet die Identität, die wir als Gemeinschaft widerspiegeln.“ Amt und Titel der Pfälzischen Weinkönigin seien ein Teil dieser Identität, und die Krone sei „seit über 90 Jahren ein Symbol für unser kulturelles Erbe und die Stärke unserer Weinkultur“.

Innerhalb von drei Wochen unterschrieben über 6.400 Menschen diese Petition. Ihre Beweggründe spiegeln konservative Werte wider: In den meisten Kommentaren tauchen Begriffe wie Tradition, Kultur, Brauchtum, Identität und Heimat auf. Einige Kommentare stammen offenbar vom äußersten rechten Rand. Die Unterzeichner schimpfen auf „geisteskranken Mist“, „Woke-Faschisten“, „Gesinnungsterror“, „Gender-Ideologie-Gruppierungen“, „linksgrünwoken Schwachfug“ und eine ominöse „Regenbogensekte“.

Tatsächlich hat die Pfälzische Weinkönigin eine lange Geschichte. 1931 entstand die Idee, „das schönste Mädchen beim Weinlesefest in Neustadt zur Weinkönigin zu erklären“, ist auf der Pfalzwein-Website zu lesen. Die Wahl der Weinkönigin war zu Beginn also ein Schönheitswettbewerb.

Unter den Nationalsozialisten wurde die Majestät aus der Pfalz 1937 kurzerhand zur Deutschen Weinkönigin ernannt. Der pfälzische NS-Gauleiter Josef Bürckel hatte 1935 bereits die Deutsche Weinstraße initiiert, die nur durch die Pfalz verläuft. Daher passte ihm eine Deutsche Weinkönigin aus der Pfalz bestens ins Konzept. Nachdem 1949 die Deutsche Weinwerbung – das spätere DWI – gegründet worden war, kürte man in diesem Jahr die Pfälzische Weinkönigin auch wieder wie zuvor zur Deutschen Weinkönigin.

 

Die amtierende Pfälzische Weinkönigin Charlotte Weihl

BK-Productions / Pfalzwein e. V.

Zwischen Adel und Diplomatie

Seit 1950 wählt eine Fachjury die Deutsche Weinkönigin unter den Gebietsweinköniginnen aus. Längst geht es dabei auch maßgeblich um Weinwissen und Kommunikation. „Wir sind uns der Tradition bewusst und möchten sie erhalten, doch wir sind offen für zeitgemäße Anpassungen“, erklärt DWI-Pressesprecher Ernst Büscher. Impulse müssten allerdings aus den Weinbaugebieten selbst kommen. „Um das Amt anders zu benennen, müsste es eine Mehrheit unter den 13 Anbaugebieten geben”, stellt Büscher klar.

Der Vergleich der Weinkönigin mit anderen brauchtumsbezogenen Figuren wie Schützenkönig, Spargelkönigin oder Karnevalsprinz liegt nahe. Doch eine Weinkönigin oder ein Weinkönig vertritt nicht nur Tradition und Kultur, sondern auch die gesamte Weinbranche. Insofern wäre eine Botschafterin oder ein Botschafter vielleicht doch das passende Konzept für die Imageförderung.

Allerdings gibt es in der Pfalz wie in anderen Weinbaugebieten die Kultur- und Weinbotschafter, die nach IHK-Prüfung vor allem touristische Aufgaben übernehmen. Die Kritiker halten das Konzept der „PfalzWeinBotschafter“ daher für nicht wertig genug. Auch für Ernst Büscher ist die Bezeichnung „nicht die glücklichste Wortwahl“. Er plädiert dafür, „die Sicht auf das Amt ändern, nicht die Bezeichnung. Der Begriff Königin oder König polarisiert, aber er sticht heraus und sorgt für Aufmerksamkeit. Die Krone ist ein markantes Erkennungsmerkmal, ein Hingucker – vor allem außerhalb der Weinregionen.“ Bei Branchenveranstaltungen gehe es stärker um Persönlichkeit und Fachkompetenz. „Aber in Gebieten, wo man die Weinmajestäten nicht kennt, werden sie angesprochen, weil sie eine Krone tragen“, erklärt Büscher.

Janina Huber, Pfälzer Weinkönigin 2013/14 und Deutsche Weinkönigin 2014/15, relativierte das in einem TV-Beitrag: In den Weinregionen kenne man das Amt und reagiere positiv darauf. „Aber in Norddeutschland oder irgendwo anders auf der Welt ist es eher Verwunderung“, die die gekrönten Damen auslösten, berichtete sie. Die Politikerin Julia Klöckner, die 1995/96 Deutsche Weinkönigin war, sagte in einem Interview, sie habe sogar ein gewisses „Unbehagen“ beim Tragen der Krone verspürt.

 

Stimmungsbild auf Social Media

In den Sozialen Medien hat sich eine Gruppe von über 35 jungen Pfälzer Winzerinnen und Winzern für die Neuerungen ausgesprochen. Dazu zählen Namen wie Sophie Christmann, Andreas Rings oder Lukas Krauß. Sie „sehen die Neugestaltung des Amtes der Weinhoheit als Chance. Das Amt umfasst schon lange weit mehr als Krone und junge Frauen.“ Es stehe für Weinexpertise, Kulturbotschafter und das Aushängeschild der Weinregion. „Die Neuausrichtung benennt diese Rolle und modernisiert das Image.“

Ähnlich formulierten es die Pfalzwein-Vorsitzenden Boris Kranz und Yvonne Libelli: „Wir schaffen das Amt nicht ab, sondern wir entwickeln es weiter und tragen damit einem längst stattfindenden Veränderungsprozess des Amtes Rechnung.“

Die Social-Media-Diskussion darüber wird mal persönlich, mal polemisch geführt. Positive Kommentare lauten: „Eine gute, längst fällige, zukunftsorientierte Veränderung.“ Oder: „Tradition ist nicht das, was man übernimmt, sondern das, was man weitergibt.“ Einige Aussagen pro und contra sind wiederum plakativ bis populistisch, etwa wenn auf der einen Seite die Weinkönigin als „sexistischer Atavismus“ und auf der anderen Seite die Neuerung als „woker Scheißdreck“ bezeichnet wird.

 

Zukunft der Hoheiten

Nach zweiwöchiger heftiger Debatte kündigte Pfalzwein „vertiefende Gespräche“ mit der Stadt Neustadt und innerhalb des Vorstands an. Anfang August gab es eine Lösung: Gewinnt im Oktober eine Frau die Wahl zur Weinmajestät, so wird sie Weinkönigin und trägt weiter die Krone. Gewinnt ein Mann, so wird er Weinhoheit und trägt eine goldene Anstecknadel. Analog soll es eine oder zwei Weinprinzessinnen mit Krone oder eine männliche Weinhoheit mit silberner Anstecknadel geben.

Der Kompromiss besteht im Kunstgriff, den Begriff „Weinhoheit“ nur noch auf Männer anzuwenden. Dass das für mehr Verständnis der Gemengelage sorgt, darf bezweifelt werden. Doch nach der Wahl will Pfalzwein eine Interessengemeinschaft „Pfälzer Weinhoheiten“ gründen, um ein zukunftsfähiges Konzept zu entwickeln.

Ob ein solcher Runder Tisch die strittigen Themen klären kann, erscheint fraglich. Denn das Konzept der Weinkönigin bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Misswahl und Leistungswettbewerb, zwischen Dorfplatz und Exportmesse. Veränderungen finden seit einem Dreivierteljahrhundert eher homöopathisch statt. Pfalzwein hat nun erstmals versucht, die Tradition aufzubrechen – und erhielt massiven Gegenwind vor allem aus der regionalen Politik. Aus den anderen zwölf deutschen Weinbaugebieten war kein Wort der Unterstützung zu hören.

Dennoch hat die Debatte bewiesen, dass es in der Branche viel mehr Fürsprecher für Veränderungen gibt, als die traditionell Denkenden vermuten. Die Kontroverse um die Weinkönigin wird also weitergehen. Allerdings vorerst nur in einem klassisch deutschen Arbeitskreis. Das Ende: offen. Die Weinwirtschaft hat wieder einmal bewiesen: Veränderungen sind nur erwünscht, wenn alles beim Alten bleibt.
 

Mehr lesen

 

Mehr verwandte Stories

Alle anzeigen
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER