Gesunde Reben im Ökoweinbau, Reduktion des Einsatzes von Kupfer im Pflanzenschutz und zugleich eine hohe Produktionssicherheit für Winzer: Mit diesen anspruchsvollen Zielen startete im Juni 2019 in Deutschland das Forschungsprojekt Vitifit. Zum ersten Mal überhaupt haben sich dafür die wichtigsten deutschen Ausbildungs- und Forschungsinstitute und Verbände mit Technologie-Anbietern und Weingütern zusammengeschlossen. Sie können dazu auf einen stattlichen Förderbetrag zugreifen: Immerhin finanziert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) das Forschungsprojekt mit 6,3 Millionen Euro im Rahmen seines “Bundesprogramms ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft” (BÖLN).
Beteiligt sind neben der Hochschule Geisenheim der Weincampus Neustadt, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, das Julius Kühn-Institut in Siebeldingen, das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück und das DLR Rheinpfalz. Das Weinbauinstitut Freiburg und die Bayerische Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim runden die Reihe der staatlichen Institutionen ab. Dazu kommen die Bio-Verbände Bioland, Demeter, Ecovin und Naturland, drei Technologie-Unternehmen sowie einige Öko-Weingüter, die als Pilot- und Demonstrationsbetriebe fungieren.
Drei Forschungsschwerpunkte verfolgt das Projekt - die Reduzierung von Kupfer zur Bekämpfung des Falschen Mehltaus (Peronospora) ist einer davon. „Seit Kaliumphosphonat im Bio-Weinbau nicht mehr zugelassen ist, bleibt zur Bekämpfung von Peronospora nur noch Kupfer“, erläutert Randolf Kauer, Professor und Projektleiter an der Hochschule Geisenheim. Das systemisch wirkende Pflanzenschutzmittel gilt als zuverlässiges Stärkungsmittel für Reben und war auch im Bio-Weinbau zugelassen. Der positive Effekt: Kaliumphosphonat zeigt hohe Wirksamkeit gegen Infektionen mit Flaschem Mehltau. Doch mit der EU-Einstufung als Pflanzenschutzmittel fiel der Wirkstoff nach langen, teils heftigen Diskussionen der Beteiligten aus der Bio-Zulassung heraus. Die Begründung der Expertengruppe: Das Mittel sei nicht natürlichen Ursprungs, Rückstände könnten unter Umständen ins Produkt gelangen. Diese Argumente ließen viele Bio-Produzenten ratlos zurück. „Dabei sind die Abbauprodukte von Kaliumphosphonat toxikologisch irrelevant“, hält Randolf Kauer dagegen. So hat er als Ziel für Vitifit ausgegeben, die Chancen zur Bekämpfung des falschen Mehltaus zu verbessern. Sein Anspruch: Langfristig sollen 2,5 oder sogar nur zwei Kilogramm Kupfer pro Hektar und Jahr ein realistischer, bei jedem Wetter möglicher Wert werden.
Denn mit dem alleinigen Einsatz von Kupfer gegen gegen Falschen und Echten Mehltau tun sich viele Bio-Winzer schwer. Es bleibt ein Schwermetall, das sich über die Zeit hinweg im Boden anreichert und Auswirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit hat. Kupfer wirkt nämlich nicht nur antibakteriell, es stoppt auch die Entwicklung von Mikroorganismen. „In Deutschland sehen wir Kupfer grundsätzlich sehr kritisch“, berichtet Randolf Kauer. Während man in der EU vor zwei Jahren die Gesamtmenge an Kupfer von sechs Kilogramm pro Jahr und Hektar auf vier Kilogramm reduzierte, hat Deutschland schon seit 2009 den Kupfereinsatz auf drei Kilogramm minimiert. „Ecovin hat diese Menge schon seit 1985 vorgegeben“, betont der Geisenheimer Universitätsprofessor. In Jahren wie 2016 mit einem enorm hohen Peronospora-Druck bedeutet es für viele Ökowinzer, den Totalausfall der Ernte zu erleiden – oder die Aufgabe des Bio-Weinbaus. „Für uns muss es daher darum gehen, Winzern, die Bio-Weinbau betreiben, Produktionssicherheit zu geben“, betont Randolf Kauer das Anliegen des Forschungsprojekts.
Deutsche Bio-Winzer seien schon lange Weltmeister in Sachen Kupferreduktion: “In den vergangenen Jahren konnten wir aufgrund der Wetterbedingungen sogar unter zwei Kilogramm pro Hektar bleiben.“ Das muss aber nicht immer so bleiben, daher sind drei Kilogramm aktuell die absolute Schmerzgrenze – und manchmal ist es auch zu wenig. „Für viele Weingüter ist das ein Grund, die Produktion nicht auf Bio umzustellen“, weiß Randolf Kauer. Zu hoch schätzen sie das Risiko ein, im Zweifelsfall keinen Handlungsspielraum zu haben und Ernteeinbußen oder -ausfälle in Kauf nehmen zu müssen.
So suchen die Experten in dem Projekt nach völlig neuen Wegen zur Bekämpfung des Falschen Mehltaus. Ein Ansatz stammt aus der Züchtung pilzwiderstandsfähiger Rebsorten. „Man kennt inzwischen die Mechanismen, die in den neu gezüchteten Rebsorten die Resistenz steuern“, erläutert Randolf Kauer die ersten Erfolge. Durch das Extrahieren dieser sekundären Pflanzeninhaltsstoffe, der so genannten Stilbene, versprechen sie sich neue Chancen: Etwa zum Einsatz als Bio-Pflanzenschutzmittel. Ein weiterer Ansatz sind Verfahren, um die Wirkstoffabgabe des Kupfers zu verlangsamen. Mit Hilfe der “Verkapselung”, einer Art Fett-Ummantelung des Wirkstoffs, soll die Haftung des Pflanzenschutzmittels auf den Blättern verbessert und zudem die Wirkstoffabgabe über einen längeren Zeitraum gestreckt werden. „Da haben wir schon erste erfolgversprechende Ergebnisse“, zeigt sich Randolf Kauer optimistisch. Was aber im Gewächshaus und im Freiland-Versuch funktioniert, muss sich allerdings erst noch in der Praxis bewähren.
Daneben verfolgt das Projekt eine dritte Strategie gegen Peronospora: die Bekämpfung des Pilzes mit UV-Licht. „Wie dieses Licht wirken kann, weiß jeder, der sich zu lange in der Sonne aufhält“, berichtet der Professor für ökologischen Weinbau. In Geisenheim haben die Forscher schon Erfahrungen damit gesammelt, Pilz-Erreger mit UV-C-Strahlung abzutöten. „Da geht es aktuell vor allem darum, die richtige Dosierung zu finden, um dabei nicht auch das Blatt oder die Gescheine zu schädigen.“ Ganz klassisch beschäftigen sich die Forscher auch mit einer verbesserten Anbautechnik. Dabei werden die Zeitpunkte für Entblätterung oder Bodenabdeckung optimiert, um so den Krankheitsdruck aus den Rebanlagen zu nehmen. Das ist eng gekoppelt an einen zweiten Forschungsbereich: Das Prognosemodell Vitimeteo liefert bereits jetzt recht genaue Daten zur Planung des Pflanzenschutz-Einsatzes. „Für uns geht es darum, dieses Modell auch an die Bedürfnisse pilzwiderstandsfähiger Rebsorten anzupassen. Die haben eine ganz andere Schadschwelle als die klassischen Rebsorten, das ist hochinteressant“, sagt Kauer.
Die pilzwiderstandsfähigen Rebsorten bilden den dritten Schwerpunkt im Vitifit-Projekt. „Wenn man über Kupferreduzierung spricht, muss man auch über Piwis sprechen“, betont der Projektleiter, “das Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof hat hier viel Pionierarbeit geleistet.“ So wissen die Rebzüchter inzwischen sehr genau, auf welchen Chromosomen die genetischen Resistenzen liegen. Bei neuen Ergebnissen aus der Kreuzungszüchtung könnten sie daher direkt überprüfen, welche und wie viele Resistenzgene vorliegen. „Das spart jahrelangen Versuchsanbau und hat nichts mit gentechnischer Veränderung zu tun“, schwärmt Randolf Kauer. Zudem würden die Forscher immer neue Resistenzgene identifizieren.
Den größten Vorteil des Forschungsprojektes sieht Randolf Kauer in der gemeinsamen Arbeit der Experten an verschiedenen Spezial-Disziplinen. „Es sind viele Beteiligte, jeder hat seine Schwerpunkte. Das Wichtigste an diesem Projekt ist, dass das alle Ergebnisse zusammengeführt werden“. Vorläufig wurde das Projekt auf drei Jahre bewilligt - aber es war von Anfang an klar, dass das zu kurz sein dürfte. Deshalb beantragten die Beteiligten schon zum Start zwei weitere Jahre. Die Entscheidung darüber ist noch offen. Randolf Kauer ist guter Dinge, dass sie bewilligt werden.