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Die kurze Spargelzeit in Deutschland ist ein kulinarisches Fest. Zu schade, dass sich viele Restaurants dabei so wenig Mühe mit der Weinauswahl geben. Die britischen Spitzen-Sommeliers Eugenio Egorov und Melania Bellesini dagegen geben Wein-Tipps, die überraschen.

Deutschland ist Weltmeister. Nicht im Fußball, aber immerhin beim Spargelessen. Fast eineinhalb Kilogramm weißen Spargel verdrückt statistisch jeder deutsche Erwachsene, in manchen Jahren auch mehr, weiß das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Nur jeder sechste mag ihn nicht. Es wird auch nirgendwo in Europa so viel Spargel angebaut wie in Deutschland. Ganze 22.000 Hektar sind es. Der Ertrag ist in diesem Jahr mit gut 110.000 Tonnen wegen des Wetters mager, sodass noch Spanien und Griechenland einspringen müssen.

Die Bundesbürger essen die Triebe des Asparagus officinalis zu 35 Prozent mit Schinken, zu 54 Prozent mit Kartoffeln und 56 Prozent fluten sie mit Sauce hollandaise, einem Amalgam aus Wein, Sahne und Eiern. Darüber jubelt die Food-Industrie und verkauft Millionen Tetrapaks der industriell angemischten Sauce, die – weitgehend ohne Wein, Sahne und Eier – immer wieder auch in Restaurants zu „frischem Spargel aus der Region“ serviert werden. Für Weinfans kommt dazu der Leidensdruck der Weinauswahl. Silvaner, Weißburgunder oder auch Riesling werden genauso oft wie einfallslos zu Spargel empfohlen. Speisekarten, Magazine und Sommeliers rattern jedes Jahr verlässlich dieselben Empfehlungen herunter.

Spargel mit Schinken, Kartoffeln und Sauce hollandaise ist ein Frühjahrs-Klassiker der deutschen Küche.
© 123rf

Spargel verdient angemessene Weinbegleitung

Sommelier Eugenio Egorov hat den Spargel in Italien kennen und lieben gelernt. Er sagt, die Weinauswahl dazu sei “ein Alptraum” - und gibt wunderbare Empfehlungen.
© Eugenio Egorov - Stafford Hotel

Spargel ist ein geniales Gemüse. In seiner kurzen Saison erregt er ganze 9 ½ Wochen die Gemüter, und, an der richtigen Stelle gewachsen, schmeckt er unerreicht gut. Deswegen hat er etwas Besseres als „Spargelwein” verdient, finden wir. Daher haben wir nur Wein-Experten gefragt, die den deutschen Spargel-Kult nicht kennen. In Großbritannien gibt es keine Spargelsaison, und weißer Spargel ist dort ziemlich selten. Er steht höchstens in gehobenen Restaurants auf der Karte. Also erkundigen wir uns dort bei den Weinprofis, was sie so mit Spargel kombinieren.

Schließlich ist das Pairing gar nicht so einfach, wenn man es ernst nimmt. Bei aller Finesse ist das Gemüse leicht bitter. Das verträgt sich mit vielen Weinen nicht. „Ehrlich gesagt, ist es sogar ein Alptraum“, schickt Eugenio Egorov vom Restaurant „Game Bird” gleich voraus. Zum Glück gibt es am Arbeitsplatz des Head Sommeliers ein paar gute Köche. Das Stafford Hotel liegt im Londoner Stadtteil St. James in der City of Westminster, wo seit Jahrhunderten britische Aristokraten wohnen. Britischer geht’s kaum.

Das Fünf-Sterne-Hotel gehört zu den besten der Stadt. Im hauseigenen Restaurant zaubert Köchin Lisa Goodwin-Allen besonders gern mit regionalen, britischen Produkten. „Es kommt also auf die Zubereitung an“, beginnt Eugenio Egorov. „Spargelcremesuppe mit Sahne und Ei verlangt eine andere Begleitung als gegrillte Spargelstangen mit intensiver Sauce.“ Aber welche? Zu Eugenios Glück lässt sein Arbeitsumfeld nichts zu wünschen übrig. Im wohl ältesten Weinkeller Großbritanniens – er ist 380 Jahre alt – lagern 8.000 Flaschen vom Feinsten. Die Kellerräume sind so gut geschützt, dass während des Zweiten Weltkriegs hier die besten Flaschen eines Pariser Edel-Restaurants und Soldaten ihrer Majestät einen sicheren Platz im Bunker fanden.

 

Die Allzweckwaffe: Sparkling Wines

Sparkling Wine ist eine kulinarische Allzweckwaffe - nicht nur für Spargelgerichte.
© ÖWM - Martin Grabmayer

Zur Suppe holt er einen griechischen Malagousia-Weißwein aus dem Keller. „Der passt mit seiner Mineralität und den floralen Aromen zur cremigen Konsistenz.“ Das ist schon mal eine gute Ansage. Den gegrillten Spargel mit üppiger Sauce begleitet bei ihm „ein leichter Schweizer Pinot Noir aus der Region Genf am nördlichsten Teil der Rhône, oder auch ein Spätburgunder aus Deutschland.“ Wobei Tannine und Spargel ja eigentlich ein No Go sind. „Aber Fett braucht Tannin. Beaujolais oder Dolcetto passen auch.“ Als Allzweckwaffe geht für Egorov immer ein – am besten britischer – Sparkling Wine, etwa zu Pasta mit Spargel, Shrimps und Zitronenschalen.

Seine Kindheit verbrachte der Sommelier in der Ukraine – ebenfalls ohne Spargel. Sein Vater war Eisläufer, den es später in ein Trainingslager im Trentino verschlug. Die Familie blieb. Für Eugenio Egorov war schon eine Karriere auf dem Eis geplant. Doch der Kleine hatte andere Pläne und ging in die Gastronomie. Seine erste Begegnung mit Spargel hatte er am Arbeitsplatz, in einem Luxushotel am Comer See. Der Sommelier des Hauses lud den neugierigen Küchenjungen zur Verkostung eines klassischen Risottos mit Weißwein, Spargel, Butter und Parmesan. Das Rennen machte ein Timorasso. „Die vibrierende Säure und der mineralische Einschlag passten perfekt.“ Ähnlich gut klappt es mit der italienischen Neuzüchtung Manzoni Bianco sowie Nosiola aus Südtirol und Venetien. „Die kommen gut mit der Cremigkeit und den Kräuteraromen klar.“

Für die norditalienischen Weißen, so wie etwa Roero Arneis, kann sich auch Melania Bellesini begeistern. Sie betreut den Weinkeller von "The Fat Duck". Das Drei-Sterne-Restaurant im ländlichen Berkshire ist längst zur Legende geworden. Hier kombinierte Kochpionier Heston Blumenthal in den 1990er-Jahren Aromen, die man zu jener Zeit am ehesten aus Witzen über die englische Küche kannte. Nirgendwo sonst konnte man Nitro-Rührei und Speck-Eiscreme bestellen - oder Innereien-Suppe in Form einer Taschenuhr, deren Goldauflage sich auflöste. Multi-Sensorik ist auch noch heute angesagt, und so kann Melania Bellesini aus dem Vollen schöpfen.

 

Die Wein-Welt ändert sich - auch beim Spargel

In Lakritz-Gel pochierter Lachs, serviert mit einer Artischocken-Vanille-Mayonnaise und Pink Grapefruit ist hier ein Klassiker. Schokoladen-Wein auch. Zum Spargel entwickelt die Sommelière ihre ganz eigenen Ideen: „Zu weißem Spargel passen fruchtige Rote mit subtilen Tanninen. Gern ein Valpolicella, der etwas nach Veilchen und Lakritz schmeckt.” Rotwein-Tannine mit Ei? Da stehen altgedienten Traditions-Sommeliers die Haare zu Berge. „Stimmt, eigenartigerweise passt das aber doch gut. Es geht sogar mit Cabernet Franc. Die Welt ändert sich eben.“

Zu Langusten-Lasagne mit Schweinsfüßen und Sauce aus schwarzen Trüffeln passt auch weißer Spargel. Head Sommelier Melania Bellesini serviert dazu warmen Sake Tamagawa Tokubezo.
© The Fat Duck

Melania Bellesini hat sie gesehen. Mit 15 wollte sie Barista werden und belegte Kurse an einer Gastronomieschule. Ihr Lieblingslehrer steckte sie gegen ihren Willen in eine Weinverkostung. Bei der belegte sie den ersten Platz. Nach ihrer Ausbildung war sie als Frau noch ein Paradiesvogel in der Branche. Sommeliers waren alte Männer mit Silberschale um den Hals. „Manche Restaurants haben schlicht keine Frauen als Sommelier eingestellt.“ Sie schaffte es trotzdem bis in die Michelin-Welt, wo sie vor zehn Jahren im "Fat Duck" landete und heute die Verantwortung als Head Sommelier trägt.

Einmal in Fahrt gekommen, fallen ihr immer neue Spargel-Kombinationen ein: Ein Maische-vergorener Rkatsiteli aus Georgien ist für sie ein guter Kontrapunkt. Portugiesischer Alvarinho mit seinem grünen Charakter und weicher Säure passt dagegen eher klassisch, ebenso wie ein aromatisch-floraler Kerner aus Südtirol oder ein biodynamisch erzeugter Chasselas aus der Schweiz. Sie hat noch mehr Ideen: portugiesischer Encruzado oder sogar ein Verdelho aus Madeira, jung, leicht und mit viel Säure. Knackig und grün.

Nur beim Rotwein überlegt sie kurz. „Schwierig. Zu Spargel mit Huhn und Knoblauch passt vielleicht ein leichter Limniona aus Griechenland. Nur die Sauce müsste kräftig sein.“ Ein Ribolla Gialla oder Sauvignon Blanc aus Slowenien wäre dabei trotzdem schwer zu schlagen, „zum Beispiel im Stil von Edi Simčič mit langem Schalenkontakt.” Dazu braucht es für sie aber Pfifferlinge im Gericht, die seien ohnehin ein natürlicher Partner für Spargel.

Haben wir’s? Noch nicht. „Zur Langusten-Lasagne mit Schweinefüßen und Sauce aus schwarzen Trüffeln würde weißer Spargel gut passen. Dazu warmer Sake Tamagawa Tokubezo Junmai aus der Präfektur Kyoto. Das kommt genial mit dem Umami der Schweinefüße." Und für alle Fälle hat sie auch noch ein Universaltalent: „Sake-Sekt, frischer, fein-blumiger Namazake. Der packt sogar eine üppige Sauce béarnaise.“ Und die Sauce hollandaise sowieso.

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