wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Theresa Olkus ist Geschäftsführerin des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter (VDP). Im Interview erzählt sie Uwe Kauss über den schweren Weg zu leichteren Flaschen, Tradition und Piwi-Anbau, zu wenig Personal und ihre Arbeit zwischen Geduld und Geschwindigkeit.

Bereits 2021 hat der VDP den Beschluss gefasst, sämtliche Mitgliedsbetriebe bis 2025 auf Richtlinien für nachhaltige Arbeit zertifizieren zu lassen. In diesem Jahr ist Halbzeit. Wie geht’s voran?

Theresa Olkus: Es gibt unterschiedliche Geschwindigkeiten. Zu uns gehören ja Betriebe, die schon zertifiziert waren, bevor wir den Beschluss gefasst haben. Andere haben sich bisher weniger damit beschäftigt. Es ist ein Prozess. Unser Ziel ist es, dass alle auf dem gleichen Level sind. Ich kann mir vorstellen, dass wir zum Jahresende schon der Hälfte der Betriebe nahe kommen.

 

Welche Aspekte der Nachhaltigkeit sind Ihnen besonders wichtig?

Theresa Olkus: Wir nehmen uns in jedem Jahr einen Meilenstein zur Nachhaltigkeit vor. Im vergangenen Jahr war es die leichtere Flasche für Guts- und Ortsweine, die nur noch unter 430 Gramm statt zuvor über 500 Gramm wiegt. Da sind wir recht weit vorangekommen, nach meiner Erfahrung kommen bei Guts- und Ortsweinen kaum noch andere Flaschen zum Einsatz – vorausgesetzt es gab keine Lieferschwierigkeiten. Wir arbeiten auch daran, bei der etwa 700 Gramm schweren Flasche für Große Gewächse (GG) fast 25 Prozent Gewicht einsparen zu können. Derzeit werden Prototypen gefertigt, die etwa 550 Gramm wiegen. Uns ist aber bewusst, dass es rein mengentechnisch nicht die Bedeutung der Gutsweine hat, denn hier sind die Mengen größer als bei GGs. Gerade für den Fine Wine-Sektor ist es ein Signal. Es ist uns dabei aber sehr wichtig, uns nicht über das Gewicht der Flasche zu definieren – es kommt schließlich auf den Inhalt an. Die leichte GG-Flasche wird bald zum Einsatz kommen.

 

Die internationalen Handelsketten, die sich im „Sustainable Wine Roundtable“ (SWR) zusammengeschlossen haben, sind verantwortlich für Millionen Flaschen und haben sich sehr konkrete Ziele für den Einsatz leichterer Flaschen gesetzt. Die sind leichter als die des VDP.

Theresa Olkus: Wir sind in die Diskussionen im SWR voll einbezogen und arbeiten dort mit. Aber das größte Problem ist derzeit ja die Verfügbarkeit von Flaschen. Wir wissen aber auch, dass die Flasche einer der größten Hebel ist, um CO2 in der Weinproduktion einzusparen. Und bei unseren Mitgliedern herrscht eine sehr große Offenheit dafür. Dieses Thema, auch die Reduzierung der Flaschen-Vielfalt ist bei uns in der Diskussion. Zunächst müssen wir herausfinden, wie viele verschiedene Flaschen unsere Weingüter im Einsatz haben. Dazu läuft eine Umfrage. Wir denken aber in jedem Fall weiter.

 

Die Herstellung von Flaschen produziert im Weinbau am meisten CO2. Der VDP will daher ihr Gewicht reduzieren.

© VDP - Peter Bender

Sind die VDP-Betriebe mit dem Beschluss verpflichtet, die leichteren Flaschen einzusetzen? Oder ist das nur eine Empfehlung?

Theresa Olkus: Der Beschluss ist einerseits verpflichtend für die Mitglieder und wird geprüft. Andererseits können wir unsere Mitglieder bei dieser akuten Flaschen-Knappheit aber zu nichts zwingen.

 

Wie steht der VDP zu den Konzepten eines Pfandsystems für Weinflaschen?

Theresa Olkus: Wenn es umsetzbar ist: warum nicht? Ich kenne es aus meiner Kindheit in Württemberg, da haben wir die Literflaschen schon immer zurückgebracht. Die Genossenschaften dort haben kürzlich ein System für die 0,75l-Flasche vorgestellt. Das finde ich super-spannend. Bei der Menge von Flaschen, mit der die Genossenschaften dort arbeiten, funktioniert so ein System. Wir arbeiten im Vergleich ja eher kleinteilig. Und wir haben sehr viele unterschiedliche Flaschen im Einsatz.

 

Das klingt skeptisch.

Theresa Olkus: Die Detailfragen, auch zum Wassermanagement und dem Spülen, müssen geklärt sein. Denn wir sind noch nicht an dem Punkt, es komplett durchdacht zu haben. Eines der großen Fragezeichen ist beispielsweise der Export: Derzeit gilt, dass alle Erzeuger ihre Flaschen wieder zurücknehmen müssen. An der Mosel haben einige unserer Weingüter einen Exportanteil von 70 bis 80 Prozent.

 

Haben Sie eine Antwort?

Theresa Olkus: Ich bin persönlich der Meinung: Der VDP allein kann diesen Karren nicht ziehen. Wenn man über eine Umsetzung nachdenkt, brauchen wir ein System, das für alle deutschen Weinproduzenten funktioniert. Es müsste eine Initiative aller Institutionen des deutschen Weins geben – auch in Zusammenarbeit mit der Hochschule Geisenheim, die Pläne zur eventuellen Umsetzung eines Pfandsystems erarbeitet und untersucht: Wann, wo und in welcher Form ist es sinnvoll und wirklich nachhaltig.

 

Die Bierbrauer haben längst ein Rückgabe-System etabliert - trotz sehr unterschiedlicher Flaschenformen.

Theresa Olkus: Auch die Mineralwasser-Produzenten, doch vertreiben die andere Mengen. Aber uns geht es um viel mehr als allein um die Glasflasche. Wir haben daher bereits unser Markenbild verändert: Früher stand der Adler immer auf der Kapsel als Erkennungsmerkmal. Aber wenn ein Weingut auf die Kapsel verzichten oder die Flasche mit Wachs verschließen will, wollen wir nicht die Bremse sein. Dann muss der Adler auf das Etikett. Wir haben zudem nachhaltige Vorgaben für Papier-Banderolen entwickelt, die gut funktionieren. Weiter diskutieren wir mit unserem Etiketten-Partner über nachhaltige Labels und viele weitere Aspekte. Auch da wird’s Veränderungen geben.

 

Welche Themen beschäftigen Sie außer Flaschen und Pfand?

Theresa Olkus: Wir arbeiten an einem Manifest zur sozialen Nachhaltigkeit. Eines der größten Probleme im Weinbau derzeit ist der Personalmangel. Der VDP ist ja eine der größten Institutionen zur Ausbildung im Weinbau: Zwei von drei Weingütern bilden aus. Joachim Heger am Kaiserstuhl beispielsweise hatte inzwischen mindestens 80 Auszubildende, von denen einige heute selbst tolle Betriebe führen. Wer Winzerin oder Winzer werden will, hat zudem sehr häufig den Plan: Ich mache mindestens ein Jahr lang eine Ausbildung in einem VDP-Betrieb. Danach arbeite ich zum Beispiel in einem Sekthaus oder einem anders ausgerichteten Betrieb.

 

Der Personalmangel trifft auch VDP-Weingüter hart. Daher fragt Theresa Olkus: „Wie können wir es schaffen, den Beruf des Winzers oder der Winzerin wieder attraktiv zu machen?“

© Deutsches Weininstitut

Dennoch werden Auszubildende auch in VDP-Weingütern dringend gesucht.

Theresa Olkus: Wie können wir es schaffen, den Beruf des Winzers oder der Winzerin wieder attraktiv zu machen? Wein-Leidenschaft allein ist ja nicht alles. Es muss mehr Anreize geben, die junge Leute motivieren, in dieser Branche arbeiten zu wollen. Dazu wollen wir von anderen Branchen lernen: Wie bekommen wir es hin, beispielsweise mehr Flexibilität und eine bessere Bezahlung möglich zu machen? Auch eine gute Gesundheitsvorsorge für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist in der Landwirtschaft und im Weinbau noch nicht angekommen. Hierzu machen wir derzeit Erhebungen und können uns vorstellen, dass unser nächster Meilenstein sich auf die soziale Nachhaltigkeit beziehen wird.

 

Nachhaltiger Weinbau ist nach Ansicht fast aller Experten mit dem Anbau von Piwi-Rebsorten verknüpft. Wie steht der VDP dazu?

Theresa Olkus: Wenn man unsere Leitbilder ansieht, sind wir Verfechter der Rebsorten, die in Deutschland ihre Tradition haben und in entsprechenden Lagen zu einem guten Ergebnis kommen. Aber es gibt eine Offenheit und einige Betriebe, die mit Piwis experimentieren. Das Weingut am Stein in Franken arbeitet bereits damit, und Lämmlin-Schindler in Baden hat sogar zehn bis 15 Prozent seiner Weinberge mit Piwis bestockt. Wir wissen aber noch nicht, welche Piwi-Rebsorten ein Terroir-Potential entfalten. Für mich persönlich geht’s in der Weinbranche in vielen Dingen zu langsam voran, andererseits haben wir bei vielen Themen keine Geduld. Über Piwi-Rebsorten wissen wir noch nicht genug. Wir müssen Erfahrung mit ihnen sammeln und zuerst Geschmacks- sowie Terroir-Profile erarbeiten.

 

Die Gründerväter des VDP mussten ab 1910 sehr ähnliche Erfahrungen sammeln. Ist der Anbau von Piwis nicht die Fortsetzung dieser Tradition?

Theresa Olkus: Wir geben niemand die Empfehlung, auf soundsoviel Prozent Piwi-Rebsorten umzustellen. Das bleibt jedem Weingut überlassen. Es ist noch zu früh, sich festzulegen: Dieser Wein zeigt in diesem Terroir dieses Potential. Zudem wollen wir ja insgesamt begrenzen, welche Rebsorten in welcher Lage zum Einsatz kommen. Ich bin keine Profi-Verkosterin, aber für mich lassen Rebsorten wie Spätburgunder, Riesling, Silvaner und Chardonnay ihr Terroir erkennen, auf dem sie gewachsen sind. Bei anderen Rebsorten, wie beispielsweise Piwis, tue ich mich sensorisch damit schwer. Piwi-Weine haben zum jetzigen Zeitpunkt für mich eine tolle Chance bei Einstiegsweinen und besonders trinkfreudigen Cuvées, die etwa im Lebensmittelhandel zum Einstiegspreis angeboten werden. Würden wir es schaffen, dort in größere Mengen Piwis zu positionieren, wäre für die Profilierung schon viel gewonnen.

 

Die Zulassung einer Piwi-Rebsorte zum Großen Gewächs ist für Sie also ein Generationenprojekt?

Theresa Olkus: Ob dies gelingt, werden die Generationen nach uns erzählen können. Für Gutsweine können wir jetzt sehr gut Erfahrung sammeln und damit die nächsten Schritte gehen. Wir müssen zunächst herausfinden: Was ist an welcher Stelle sinnvoll? Und warum sollten wir Traditionssorten ersetzen, die Deutschland einmalig machen? Ist das nachhaltiger? Viel mehr Rebsorten wollen wir auch nicht haben. In manchen Bereichen ist es uns jetzt schon eher zu viel.

Mehr zum Thema:

Mehr verwandte Stories

Alle anzeigen
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER