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Das “Coda” in Berlin ist Deutschlands einziges Dessert-Dining-Restaurant mit zwei Michelin-Sternen. Meister-Pâtissier René Franks Umgang mit der Weinbegleitung ist ebenso überraschend wie sein sensorisches Gesamtkonzept.

Das mittlerweile international bekannte “Coda Dessert Dining” passt trotz seines Zwei-Sterne-Levels und des puristischen Interieurs bestens in den Berliner Hipster-Bezirk Neukölln. Mit dem Dreiklang Food-Handwerk, Pairing und Wein-Expertise setzt René Frank neue Maßstäbe einer modern interpretierten Pâtisserie. Mit viel Pioniergeist produziert er ungewöhnliche Desserts, die im klassischen Sinne keine sind. Auch wenn die Nachspeise für ihn der emotionalste Teil eines Menüs ist, besitzt jedes Gericht eine akribisch durchdachte Rezeptur. Während des vierstündigen Menüs spielt Wein die wichtigste (Neben)rolle.

René Franks Kreationen basieren zwar auf Handwerkskunst aus aller Welt mit klassischen Techniken der Pâtisserie. Das Innovative aber ist die Stilisierung und Dekonstruktion der nur noch zu erahnenden Klassiker. Sie müssen keinesfalls süß sein, sondern können ein Zusammenspiel unterschiedlicher, auch herzhafter Geschmacksrichtungen sein. Dabei gilt die Formel: Natürlichkeit trifft auf Balance. Frank setzt auf ein Setting aus süß, salzig, sauer und bitter, das sich zu ausgeklügelten Konsistenzen vereint. Natürliche Süße gewinnt Frank aus der Stärke von (Wurzel-)Gemüsen wie Sellerie, Süßkartoffel, Roter Bete oder fermentiertem schwarzem Knoblauch. Gleich dahinter rangieren Obst, Eingewecktes oder Trockenfrüchte wie Datteln, aber auch Kokosblüten-, Ahornsirup sowie Honig. Herbe oder bittere Noten liefern raffinierte Kräutertinkturen. Die Salzigkeit von Käse und die Säure von Zitrusfrüchten ergeben ein balanciertes Miteinander mit dem Umami aus proteinreichen Hülsenfrüchten, Shiitake-Pilzen, fermentiertem Reis oder Algen. Die Kunst dabei sei, eine maximale Reduktion auf das Wesentliche zu erreichen und alle Ingredienzien auf Augenhöhe zu behandeln, erläutert Frank sein Konzept.

 
Riesling Auslese 2011 zum Singature-Dish Caviar Popsicle
© Anke Sademann

Pairing als Aroma-Moderation

Auch beim Wein balanciert der weltbeste Pâtissier zwischen süß, salzig und feiner Säure. Wer allerdings eine traditionelle Begleitung zum Menü erwartet, wird im "Coda" eines Besseren belehrt – denn nur zu einem Gang wird Wein serviert. Das ist eine 2011 Riesling-Auslese von Joh. Jos. Prüm zu Franks Signature Dish: Der „Caviar Popsicle“ – ein Topinambur-Bourbon-Vanilleeis am Stiel mit Pecannuss-Herz – ist mit Kakao und zwölf Gramm Osietra-Kaviar „Sturia“ ummantelt. Hier setzt die feine Süße des Weins an und löst sich im Umami auf.

Die Kunst des richtigen Übergangs

In der Regel trinkt man den Wein im "Coda" nicht zu, sondern zwischen den Gerichten. Gemäß Franks Philosophie fungiert er eher als Zwischenspiel und aromatisiert die Pausen zwischen den Gängen. Wein sei der perfekte Träger des lang anhaltenden Geschmacks am Gaumen, er bereite ihn auf den folgenden Gang vor. Daher gibt es keine klassische Weinbegleitung zu Franks Kreationen. Oft sei der vom Sommelier gewählte Wein nicht aussagekräftig genug, erklärt René Frank. Und es sei „ein absoluter Trugschluss, ein sehr süßes Gericht mit einem sehr süßen Wein, wie etwa einer dominanten Beerenauslese, zu begleiten“. Hier gelte es, die intensive Süße im Gesamtkonzept auszugleichen: am besten mit Säure, Mineralität oder feiner Frucht als Mit- oder Gegenspieler.

 
Reifer Portwein zu den den Hofpraliné-Schmuckstücken
© Anke Sademann

Von Schaumwein über Sake zu Riesling

Zum Menü-Einstieg oder als Dauerbegleiter stehen Champagner aus Häusern wie Egly-Ouriet, Agrapart, Selosse oder Jacquesson auf der Karte, dazu deutsche Spitzenschaumweine von Raumland, Griesel oder Peter Lauer sowie ein Dutzend japanische Sake von trocken bis süß. Als „Pausenfüller“ zwischen den Speisen listet Frank rund 250 meist deutsche Riesling-Weine, darunter viele von der Mosel. Auf der Weinkarte stehen bekannte deutsche Namen wie Peter Jakob Kühn, Joh. Jos. Prüm, Maximin Grünhaus, Egon Müller, Kühling-Gillot oder Battenfeld-Spanier. Jahrgangstiefe bis 1990 trifft dabei auf Große Gewächse und sämtliche Prädikate. Das Geheimnis des Rieslings sei sein feines Spiel von Süße, Säure und Mineralität, das ihn für ein facettenreiches Zwischenspiel eigne, erklärt René Frank.

Schokolade mit Wagyu-Fett und Tawny-Port

Seine Schokolade hütet der Meisterkoch wie einen Schatz: Die Arriba-Nacional-Kakaobohnen bezieht Frank von einer Kleinbauern-Kooperative aus Esmeraldas in Ecuador. Das "Coda"-Team röstet den ungeschälten fermentierten Rohkakao selbst und bestimmt so die Bitterkeit. Mit einer Steinwalze werden die Bohnen in der offenen Showküche gemahlen und frisch von Hand zu feinem Kakaopulver verarbeitet. Besonders wichtig sind René Frank die Hof-Pralinés, die zum Finale wie Schmuckstücke mit der Pinzette gereicht werden. Ein Pedro-Ximénez-Sherry oder ein zehnjähriger Tawny Port begleiten das differenzierte Sortiment wie von Kakao ummantelte, dehydrierte Taggiasca-Oliven, Rote Bete, Röstmandeln, Vanille, Quarkpulver, Rübensirup und Fett vom Wagyu-Rind.

 
Creme vom schwarzen Knoblauch mit Petersilienpesto
© Anke Sademann

Überraschendes Pairing auch ohne Wein

Doch was trinkt man dazu - außer Wein? Hier kommt René Franks Bar-Vorgeschichte zum Tragen: Zu jedem Gang serviert er auf Wunsch 20 ml kleine Pairing-Drinks mit und ohne Alkohol. Die selbst hergestellten Infusionen mit zwölf Volumenprozent Alkohol liegen nah am Wein. So wird das geeiste Rote-Bete-Konstrukt an Moosbeere und Tofu von einem Mix aus Basler Langstieler Kirschbrand, Waldhimbeerbrand von Fridolin Baumgartner und Wermut der Brennerei Schwarzer begleitet. Zur Miso-Buttercreme mit Pflaume auf Zwetschgen-Chip mit karamellisierter Walnuss und Dulse-Alge reicht Frank eine sieben Stunden ausgekochte Schwarztee-Tinktur mit Madeira Verdelho.

Alles im Fluss

Das „Coda“ hat Frank 2016 als reine „Dessert-Bar“ eröffnet, nachdem er über 20 Jahre als Chef-Pâtissier in der gehobenen Gastronomie gearbeitet hatte. Er wollte weg vom Sterne-Gebaren und bot seine Kreationen zunächst lässig als „Spättisch“ mit passenden Getränken an. Cocktails sind für ihn wie flüssige Desserts: „Sie enthalten eine ähnliche Balance von süß, fruchtig und sauer“, erklärt der gebürtige Allgäuer, der zu Beginn selbst an der Bar die Drinks mixte. Das "Coda" stehe eben für fließende Übergänge. So wie in Frankreich die Quiche Lorraine zur Pâtisserie gehöre, sehe er sich selbst eher als Koch denn als meisterlichen Konditor. Trotz des unprätentiösen Konzepts holten ihn die Sterne ein: 2020 und 2021 wird das "Coda" mit zweien in Folge geehrt, womit der Startschuss für ein Menü mit Pairing fiel – und sich seitdem für die Gäste ein neuer Weinkosmos zum Dessert eröffnet.

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