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Die Anbaufläche des Müller-Thurgau sinkt seit Jahren. Warum das trotz des schlechten Rufs der Rebsorte sehr schade ist, zeigen die fränkischen Winzer Stephan Krämer und Christian Stahl.
Stephan Krämer experimentiert gerne mit Müller-Thurgau © Stephan Kraemer

Müller-Thurgau ist eine Diva. Im Weinberg ist die Sorte anfällig für Falschen Mehltau, bei der Spontangärung zickt sie gerne herum, zudem ist das Zeitfenster für die Lese sehr kurz. Und dann kommen am Ende meist unspektakuläre Weine heraus, die selten mehr als ein paar Euro kosten.

Kein Wunder, dass die Anbaufläche des Müller-Thurgau seit Jahren sinkt. Der Höhepunkt war 1979 mit mehr als 25.000 Hektar erreicht. Seitdem geht es bergab. 2020 rutschte er auf Platz drei der Rebsorten in Deutschland hinter Riesling und Spätburgunder. Im vergangenen Jahr stand er noch auf etwas mehr als 11.000 Hektar.

Auch Stephan Krämer vom Weingut Ökologischer Weinbau Kraemer im fränkischen Auernhofen baut weniger Müller-Thurgau an als noch vor ein paar Jahren - die Entwicklung geht an ihm ebenfalls nicht spurlos vorüber. Dabei gehören seine Weine aus der Sorte zu den spannendsten und teuersten in Deutschland. Sie waren bereits vor zehn Jahren anders als die anderen und deutlich komplexer. “Wir waren immer noch recht konservativ, haben filtriert. Aber sonst haben wir schon damals wenig in die Vinifikation eingegriffen”, sagt Krämer. Sonst wäre wohl kaum einer der renommiertesten Weinhändler des Landes, Martin Kössler von der Weinhalle in Nürnberg, auf ihn aufmerksam geworden. Mit ihm arbeitet Krämer seit 2012 zusammen.

Neue Nuancen durch Experimente

„Martin Kössler fragte mich 2013, wie die Weine wohl aus dem Holzfass schmecken würden“, erzählt Krämer. Gesagt, getan - das war der erste Schritt einer neuen Entwicklung. Zwei Jahre später begann der Landwirt und Winzer, sich intensiv mit Naturweinen zu beschäftigen. „Das fand ich spannend. Die Freiheit, die Lebendigkeit und die Natürlichkeit in den Weinen haben mir sehr gefallen. Und ich habe mich langsam aus dem Schwefel rausgetrunken“, sagt er. „Da wirst du mit der Zeit total sensibel.“

So kam über die Jahre eins zum anderen. Krämer experimentierte mit Maischegärung und nutzte das für einen Rückverschnitt. „Zu Beginn hatten die Weine einen Anteil von 15 Prozent Maische, inzwischen sind wir bei 40 Prozent“, sagt er. Das gibt den Weinen eine phenolische Kante und schützt sie vor Oxidation. Krämer lässt den Schwefel weg, nur vor der Füllung bekommt sein Müller-Thurgau noch ein paar Milligramm.

Das nächste Experiment war die Vergärung ganzer Trauben, zudem ließ er die Weine länger auf der Vollhefe. „Nach einem Jahr haben wir sie dann abgezogen und gefüllt“, sagt er. Krämer liebt die unterschiedlichen Nuancen, die Maische- und Ganztraubengärung seinen Weinen geben und erklärt sie so: „Die Ganztraubengärung hat etwas Traubiges, Frisches und Unverfälschtes, die Aromen sind heller. Die Maischegärung hingegen gibt dunkle, rauchige Noten“.

Die Zukunft des Müller-Thurgau sieht er skeptisch: „Zurzeit gibt es von der Literflasche für etwas mehr als fünf Euro bis hin zum 50-Euro-Wein vom Südtiroler Weingut Tiefenbrunner alles. Ich frage mich, wo das hingeht.“ Krämer fürchtet, dass der Klimawandel der Sorte Probleme bereitet. Noch vor 30 Jahren reiften im Taubertal die Trauben selten vollständig aus. Werden die Herbste - wie es zu befürchten ist - nasser als früher, wird das der anfälligen Rebsorte zusetzen.

Köche lieben Müller-Thurgau

“Die Rebsorte kann was”, sagt Christian Stahl © Christian Stahl

Christian Stahls Winzerhof liegt gleich gegenüber von Krämers Betrieb. Stahl, dessen Sortiment inzwischen aus vielen international ausgerichteten Weinen besteht, erregte mit seinem Müller-Thurgau „Hasennest“ erstmals das Aufsehen der Weinwelt. „Das war damals unser bester Weinberg im Taubertal“, sagt er. „Wir hatten Müller-Thurgau und Bacchus, und ich war komplett uninformiert, was den Weinmarkt anging.“ Von Ludwig Knoll vom Weingut am Stein hatte er gelernt, wie man erstklassige Weine macht. Also ging er an seinen Müller-Thurgau genauso ran. „Und da habe ich gemerkt, dass die Rebsorte was kann, wenn sie richtig steht und man sie richtig pflegt“, sagt er.

Nach einigen sehr lobenden Weinkritiken begann Stahls rasanter Aufstieg. Dass er den Müller-Thurgau im Sortiment behalten hat, hat aber keinesfalls sentimentale Gründe. Der Winzer ist nämlich ein exzellenter und mehrfach ausgezeichneter Koch.

„Müller-Thurgau kann viele Gerichte perfekt begleiten. Wenn etwa der Silvaner zu dezent ist und die Scheurebe zu aromatisch, schlägt seine Stunde“, sagt er. Der Müller-Thurgau ist für Stahl das Bindeglied zwischen diesen beiden Rebsorten-Typen. Derzeit hat er ein Gericht auf der Karte, bei dem Schwarzer Kabeljau und Queller im Mittelpunkt stehen, Miesmuscheln und Zitrusaromen hinzukommen. „Diese Kombination aus jodig, salzig und zitrusfruchtig passt perfekt zum ‚Hasennest‘“, sagt Stahl.

Perfekte Kombination im Winzerhof Stahl: Schwarzer Kabeljau, Queller, Miesmuscheln und dazu ein Müller-Thurgau © Philipp Reinhard

Leider steht dem Müller-Thurgau sein Ruf im Weg. Er kann nämlich enorme Erntemengen hervorbringen, bis zu 200 Hektoliter pro Hektar sind keine Ausnahme.

„Das wird nicht mehr richtig reif, das schmeckt nicht, aber es gibt Alkohol“, sagt Stahl. Den Auslöser für das schlechte Image sieht er in den beiden harten Frostjahren zu Beginn der 1980er. Die Winzer hatten enorme Einbußen verzeichnet und nutzten Müller-Thurgau, um die Keller wieder voll zu machen. Und obwohl nachvollziehbar, hängen die miesen Weine von damals der Sorte immer noch nach.

„So ein ramponiertes Image wieder aufzubauen, ist sehr mühsam“, sagt Stahl. Dabei haben in seinen Augen Weine wie der „Hasennest“ genau die richtige Mischung aus Fließgeschwindigkeit am Gaumen, Salzigkeit und Ernsthaftigkeit.

„Immer wieder muss ich mir anhören, aus Müller-Thurgau könne man keine großen Weine keltern“, sagt Stahl. "Gleichzeitig stimmen die Kritiker mir aber dabei zu, dass er sich sowohl im Menü einsetzen lässt, als auch einen ganzen Abend begleiten kann. Also: was fehlt ihm bitte zu einem großen Wein?“

Titelfoto: © Weingut Kraemer

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