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Wer gereifte Rotweine nur zum Fleisch einsetzt, ist selbst schuld. Mürbe Tannine und Tertiäraromen harmonieren oft bestens zur modernen Gemüseküche. Wolfgang Fassbender erklärt, was passt – und was nicht.

An einen 1967er erinnere ich mich gut. Ein reifer Spätburgunder von der Mayschoßer Winzergenossenschaft, halbtrocken und, bei Ebay, nicht mal drei Euro teuer. Wer will schon einen zum Zeitpunkt des Öffnens gut 40 Jahre alten Basiswein von der Ahr kaufen und trinken? Die Investition lohnte sich indes, denn der Veteran präsentierte sich nicht nur in einem verblüffend schönen Zustand – er zeigte kaum noch Süße, dafür eine attraktive Saftigkeit –, sondern passte auch zum Essen, das in diesem Falle deftig ausfiel und allerlei Wurstwaren enthielt.

„Gereifte Rotweine harmonieren hervorragend zu veganen Gerichten”, weiß Alexandra Himmel vom Zwei-Sterne-Restaurant Lafleur in Frankfurt.

Bettina Meister

Moderne Küche verlangt oft nach reifen Weinen

Die Erfahrung war ein winzig kleiner Fingerzeig in die richtige Richtung. Reife Rote passen gut zum Essen; selbst dort, wo man es nicht vermutet. Etwa in der gehobenen Gastronomie der modernen Art. „Die zunehmende Fokussierung der Köche und die intensive Aromenprägung vieler Gerichte spielen den reifen Weinen in die Karten”, sagt Christina Hilker, langjährige Sommelière in Spitzenrestaurants und Mitinhaberin der auf Weinevents spezialisierten Firma Hilker & Schmitt. Köche fermentieren, nutzen XO-Saucen zum Fleisch und setzen frische Aromen oft im Zusammenspiel mit Umami-Noten ein. Junge Rotweine, gar noch mit Barrique-Noten und knackiger Säure ausgestattet, würden sich da schwer tun, gibt Hilker zu bedenken. Bei den gereiften Kollegen sähe das schon anders aus.

Das bedeutet nicht, dass stets alles passt. Man muss sich ja erstmal klar darüber werden, was Reife in jedem einzelnen Fall bedeutet. Ein Ahr-Spätburgunder der Prä-Barrique-Ära dürfte sich ganz anders entwickeln als ein roter Burgunder von der Côte d’Or – und dieser wiederum abweichend von einem Barolo oder einem südafrikanischen Pinotage – von einem Mourvèdre aus Bandol gar nicht erst zu reden. Sind die Tannine noch zu präsent und trumpft die Frucht zu sehr auf, sind vielleicht doch eher die Röstnoten gebratenen Fleisches (nicht dry aged!) als Begleitung angemessen. Je mehr Reifenoten aber ins Essen integriert wurden, desto besser passen auch mürbe Rote – und bei Wildgerichten wie Gams oder Taube sind tertiäre Aromen ohnehin kongenial.

 

Sommelière Christina Hilker schenkt zu modern konzipierten Speisen gerne reife Weine aus.

Bettina Meister

Gemüse und Umami-Noten: vegane Küche auf Zwei-Sterne-Niveau

Auch zwei andere Speisenkomponenten lassen sich mit den gereiften Roten gut kombinieren – jedenfalls im Prinzip. „Gemüse wird immer wichtiger in der Gastronomie”, sagt Christina Hilker, „und auch da spielt das Fermentieren häufig eine Rolle”. Die daraus entstehenden mehr oder weniger laktischen Noten und Aromen passen bestens zu Rotweinen, die die malolaktische Gärung gemacht haben. Und je besser das Essen, desto komplexer darf auch der Wein sein.

Aromatische Tiefe in Gemüse-geprägte Gänge zu bringen, bekommt wohl derzeit niemand in Deutschland besser hin als Andreas Krolik, der Küchenchef des Frankfurter Zwei-Sterne-Restaurants Lafleur. Sellerie, Radicchio Tardivo di Treviso und Grünkohl mit brauner Selleriejus sowie die in Rapsöl confierten Kartoffeln mit Lauch aus dem Ofen, Balsamico-Schalotten-Sauce, geräuchertem Paprikachutney, Kartoffelcreme und geröstetem Lauchöl sind wie gemacht, um vom Inhalt etwas älterer Flaschen begleitet zu werden. „Gereifte Rotweine harmonieren hervorragend zu unseren veganen Gerichten”, sagt Lafleur-Sommelière Alexandra Himmel. Dank Coravin-Ausschank gibt’s hier ein luxuriös anmutendes Pairing: Zu den Kartoffeln serviert sie einen 1996er Barolo Le Rocche del Falletto von Bruno Giacosa und zum Sellerie den 1999er Hermitage La Chapelle von Jaboulet.

Und was Fisch angeht: Räucherfisch und gereifte rote Burgunder passen oft prima. Der in Rotwein marinierte Zander aus dem Trierer Sterne-Restaurant Bagatelle lieferte sich etwa vor ein paar Tagen eine spannende Auseinandersetzung mit einem elf Jahre alten Burgunder. Der stammte aus einem kleinen Jahr und zeigte zwar Reife, hatte aber seine Säure bewahrt. Ein Balanceakt. „Nur Harmonie willst du ja auch nicht”, sagt Christina Hilker. Andererseits kann die spitz schmeckende Säure sehr reifer Roter auch durchaus aufdringlich wirken. Bei fragilen Veteranen im Glas sollte der Koch also nicht versuchen, mit Power dagegen zu halten, und daher lieber dünsten oder pochieren als braten.

Und was ist mit dem Käse? „Das ist alles andere als einfach”, antwortet Christina Hilker. Die Königsdisziplin der Speisen-Wein-Kombinationen verlangt akribisches Ausprobieren und keine pauschalen Urteile. Dennoch kann die Verbindung von Altwein und Käse klappen: Sommelière Hilker probierte kürzlich einen 1989er Barbaresco Pora von den Produttori del Barbaresco zum trocken gehobelten Parmigiano Reggiano und war sehr zufrieden. Und der 1967er, der uralte Mayschoßer, machte sich ebenfalls ausgezeichnet – nicht nur zu Wurst und Schinken, sondern auch als kühl-unaufdringliche Begleitung zum Eifelkäse.

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