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Über 7 Millionen Euro haben Aktionen zur Unterstützung von Ahr-Weingütern gesammelt. Doch bislang ruht das Geld auf den Spendenkonten: Steuerliche Hürden verhindern die Auszahlung. Den Ministerien ist das bekannt – doch passiert ist bislang nichts. Nun zeichnet sich eine Lösung ab, hat Gisela Kirschstein recherchiert.

Es war die größte Crowdfunding-Kampagne in der Geschichte der Bundesrepublik: Rund 47.500 Menschen bundesweit unterstützten die Aktion "Flutwein", um den von der Ahr-Flut im Juli 2021 geschädigten und zerstörten Weingütern zu helfen. Die schlammverschmierten Flaschen aus den Rückständen der Katastrophe im Ahrtal wurden zum Symbol für Hilfsbereitschaft: Allein über "Flutwein" kamen 4,5 Millionen Euro an Spenden zusammen. Gemeinsam mit der „SolidAHRität“-Kampagne des rheinhessischen Winzers Dirk Würtz, der Aktion „Der Adler hilft“ des VDP sowie weiteren Spendenaufrufen sind inzwischen weit über sieben Millionen Euro zusammengekommen. Doch ein halbes Jahr nach der Katastrophe liegt der größte Teil des Geldes noch immer auf den Spendenkonten: Ausgerechnet an die Weingüter dürfen sie aus steuerrechtlichen Gründen nicht ausgezahlt werden. Die Folge: Seit über sechs Monaten warten Winzer mit zerstörten Weingütern auf Hilfe. Doch nun kommt offenbar endlich Bewegung in das Problem.

Frust bei den Ahr-Weingütern

"Hilfen an Unternehmen dürfen wir nicht auszahlen", erklärt Peter Kriechel, Ahrwein-Winzer und einer der Initiatoren der Flutwein-Kampagne. Denn an gewinnorientierte Betriebe dürfen private Spenden, die sich meist von der Steuer absetzen lassen, nicht weitergeleitet werden. Daher habe der Verein nur rund 40 Kollegen mit Soforthilfen von 5.000 Euro pro Person helfen können, berichtet Kriechel auf Anfrage von wein.plus. Doch seither ist die Auszahlung der Spendengelder gestoppt, und an der Ahr wächst der Frust.

45 der 57 Weingüter im einst idyllischen Ahrtal sind von der Flutkatastrophe im vergangenen Juli direkt betroffen. "Wir sprechen von Schadenshöhen zwischen 500.000 Euro und bis zu zehn oder sogar 15 Millionen Euro", sagt Kriechel, der auch Vorsitzender des Winzerverbands Ahrwein e.V. ist. Bei Weingütern wie Nelles, Meyer-Näkel, Bertram, Dagernova oder der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr – überall wurden Keller und komplette Betriebe unter Schlammmassen begraben, Traktoren und Maschinen zerstört sowie Gebäude verwüstet.

Auf das Geld aus den Spendentöpfen warten zudem Hotels oder Restaurants, Ferienwohnungsbetreiber und Handwerksbetriebe. Denn auch sie dürfen nicht mit Spenden bedacht werden. Als gemeinnütziger Verein dürfe man laut Finanzministerium Hilfen nur an Privatpersonen auszahlen, bestätigt VDP-Chef Steffen Christmann auf Anfrage. Auch der von VDP-Mitgliedern gegründete Verein "Der Adler hilft" wollte mit seinen Spenden etwaige Finanzierungslücken der Weingüter schließen, die nicht vom Staat oder den Versicherungen getragen werden. "Wir wollen zielgerichtet helfen”, betont Christmann – aber genau das dürfen die Spendensammler derzeit nicht.

Unternehmen sind steuerrechtlich nicht „bedürftig“

"Wir haben hier einen Webfehler", sagt Christian Senk, Geschäftsführer von Ahrwein e.V.: "Bedürftig sind laut Definition nur natürliche Personen. Ein Winzer ist aber in der Regel ein gewinnorientierter Unternehmer, also keine natürliche Person im Sinne dieser Definition." Die Folge: Spenden dürfen nicht fließen – würden die Vereine trotzdem Hilfsgelder an die Weinbaubetriebe auszahlen, müssten sie Mehrwertsteuer an die Finanzämter abführen. Bis zu 19 Prozent der Spendensummen wären dann futsch. Dazu könnten weitere Steuern auf die Weinverkäufe anfallen. Was die Winzer an der Ahr nicht verstehen: Bei der Politik ist das Problem bereits seit einem halben Jahr bekannt. "Spendenrecht ist Bundesrecht, und somit einheitlich anzuwenden", heißt es auf Anfrage aus dem rheinland-pfälzischen Finanzministerium. Das Problem sei "dem Ministerium bekannt und wird derzeit erörtert".

Auf Nachfrage hin heißt es dann weiter: Man strebe "bei der Beurteilung von Sponsoring-Maßnahmen eine den besonderen Umständen angemessene Beurteilung an" – was das heißt, bleibt auch nach wochenlangen Nachfragen unklar. "Es kann einfach nicht sein, dass man das Problem sieht und monatelang nur prüft", kritisiert Senk. Die Situation im Ahrtal sei doch eine Ausnahmelage, das Land habe doch mindestens eine Verordnungskompetenz, die müsse es dann auch mal nutzen.

Im Ministerium heißt es dazu nur: "Was auf dem Verwaltungswege zu regeln ist, wurde selbstverständlich in Rheinland-Pfalz im Sinne der Betroffenen umgesetzt." Auch im Mainzer Wirtschaftsministerium heißt es lediglich, man habe "das Thema auf der politischen Ebene ausführlich thematisiert und das zuständige Ressort gebeten, gemeinsam mit der Bundesregierung eine Lösung zu erörtern".

"Verteilung der Spenden wird nicht an steuerlichen Hürden scheitern"

Die Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums in Berlin dazu wiederum lautet, es sei "ein wichtiges Anliegen, dass das Geld rasch an die von der Flut im Sommer des Jahres 2021 betroffenen Winzer ausgezahlt werden kann". Die Verteilung "sollte und wird nicht an steuerlichen Hürden scheitern" – es solle "eine praktikable Lösung" geben. Man stehe dafür "mit der zuständigen Landesbehörde in engem Austausch".

Der CDU-Opposition in Rheinland-Pfalz platzte daraufhin kürzlich der Kragen: "Wie ist es in solchen Ausnahmesituationen erklärbar, dass diese Hilfe durch bürokratische Hürden nicht bei den Hilfesuchenden ankommt?", schimpfte Ex-Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Die Politik habe versprochen, parteiübergreifend und unbürokratisch zu handeln, kritisierte sie und mahnte: "Wir müssen in der Lage sein, für solche Ereignisse Ausnahmen zu finden, um die Menschen vor Ort zu unterstützen."

Ministerium will Lösungen zu finden

Klöckner wandte sich dazu sogar mit Briefen an das Bundesfinanzministerium, das Bundeswirtschaftsministerium und sogar Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) persönlich. Eine Antwort gab es bislang nicht. Nun aber kommt offenbar endlich Bewegung in die Sache: Seit dieser Woche liefen endlich ernsthafte Gespräche mit dem Mainzer Finanzministerium auf der Suche nach einer Lösung, sagte Kriechel zu wein.plus : "Im Ministerium ist man gerade sehr bemüht, Lösungen zu finden. Das ist sehr motivierend."

Eine Lösung "von Gesetzes wegen", die Auszahlung von Spendengeldern an Unternehmen möglich zu machen, gebe es allerdings weiter nicht, fügte Kriechel hinzu. Nach Ansicht der "Flutwein"-Initiative müsse dafür eher der Katastrophenerlass des Landes Rheinland-Pfalz geändert werden: "Wir sind der Überzeugung, das Land kann das in seinem Erlass regeln", betont Kriechel: "Ich bin immer noch sicher, dass es möglich ist, da eine Lösung hinzukriegen – aber momentan haben wir sie noch nicht."

Die Hoffnung sei aber da, eine Lösung binnen der kommenden ein oder zwei Wochen zu finden, sagt Kriechel weiter: "Man entwickelt Ideen, die Beteiligten werden langsam kreativ." Das könne ja “auch gerne eine befristete Lösung sein”, schlägt Senk vor - nur eine Perspektive müsse her: "Die Menschen haben mit einer Solidaritätswelle nie gewesenen Ausmaßes geholfen", betont er, "aber jetzt liegt das Geld auf den Konten, und wir können es nicht verwenden – das kann es ja nicht sein.”

(Fotos: Peter Kriechel / Flutwein e.V.)

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