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Der Qualitätsweinbau in Israel ist jung und entwickelte sich bis zum Terrorangriff der Hamas rasant - aber unter völlig anderen Bedingungen als in Europa. Joachim Kaiser besuchte die Weinregionen mit der Twin Winery-Initiative. Er brachte Einblicke in eine neue, spannende Weinkultur mit.

Schon vor einigen Monaten machten sich deutsche Winzer, Weinhändler, Sommeliers, Wissenschaftler und Journalisten auf Einladung der “Twin Wineries”-Initiative auf eine Reise nach Israel. Sie wollten die Winzer und Weinregionen kennenlernen, alles über den Anbau im heißen Land erfahren und die Weine kennenlernen. Aufgrund der Covid-Pandemie war der persönliche Austausch zuvor lange nicht möglich gewesen, doch nun erwarteten die israelischen Winzer über 60 Gäste. Damals herrschte noch Frieden im Land.

Deutsch-israelische Wein-Freundschaft: Andrea Wirsching (Twin von Kishor), Renée Salzman, Hila Vaknin-Sabba, Barbara Selbach, Itay Lahat, Dr. Klaus-Peter Heigel (Wirsching)

Joachim Kaiser

Die “Twin Wineries” sind eine Initiative zur Förderung des deutsch-israelischen Dialogs. Das Netzwerk von Winzern und Weinfreunden will die Begegnung zum kulturellen und fachlichen Austausch schaffen, ähnlich dem Konzept der kommunalen Partnerstädte. Zu den 22 deutschen “Twins” gehören deutsche VDP-Weingüter wie beispielsweise Heymann-Löwenstein, Nik Weis und S.A. Prüm von der Mosel, Prinz Salm und Gut Hermannsberg von der Nahe und Hans Wirsching in Franken.

Gegründet wurden die “Twin Wineries” von dem Weinhändler Hohey Salzman und seiner Ehefrau Renée. Sie ist in Deutschland aufgewachsen, bis 2005 wohnte das Ehepaar in Brüssel. In dieser Zeit lernten beide deutsche Weine kennen - und lieben. Als sie nach Israel umzogen, kam ihnen 2007 die Idee zur Förderung des Austauschs zwischen deutschen und israelischen Winzern. Dabei findet sich jeweils ein Weingut aus beiden Ländern zusammen, die Winzer tauschen sich aus und werden im besten Falle Freunde. Inzwischen gehören jeweils 22 Weingüter in beiden Ländern den Twins an.

 

An die Trockenheit angepasst: Shoresh Weinberg von Tzora Vineyards

Joachim Kaiser

Nur 16 Prozent Weißwein

Zum Start der Initiative war Israels Weinszene aber noch von Weingütern mit Massenproduktion geprägt, der Aufstieg des israelischen Qualitätsweinbaus begann erst in den 2000er-Jahren. Heute bewirtschaften dort etwa 250 Weingüter rund 5.500 ha Weinberge, also fast so viel wie im deutschen Anbaugebiet Franken. Sie liegen in Höhen zwischen 100 und 1.200 Metern, meist mit Vulkan- oder Kalkstein-Böden. Hier entstehen mit 63 Prozent fast zwei Drittel Rotwein, der Weißwein-Anteil des Landes liegt bei nur 16 Prozent. Angebaut werden überwiegend mediterrane und Bordeaux-Rebsorten, die alten, autochthonen Sorten sind fast verschwunden. Eine geschützte Ursprungsbezeichnung weist bislang nur die Weinregion Judäa in der Mitte des Landes auf. Hier wachsen die Reben auf einer Höhe zwischen 500 und 1.000 Metern, die kühlenden Winde erzeugen ein fast kontinentales Klima.

Israel ist zwar ein Rotweinland, doch frische Weißweine, Deutschlands Domäne, werden in Israel derzeit immer beliebter. Vor allem im sehr heißen Sommer. Hier lernen deutsche Winzer im Austausch auch viel von ihren israelischen Freunden, etwa, wenn es um die Anpassung der Bewirtschaftung an den Klimawandel geht. Als heißes, mediterranes Land haben israelische Winzer schon früh Erfahrung mit Hitze, Dürre und Wassermanagement sammeln müssen. Denn ohne Bewässerung könnten viele Betriebe kaum überleben.

 

Gefährliche Schädlinge bedrohen die Reben

Auch über gefährliche Schädlinge hatten die israelischen Winzer ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen bei der Reise viel zu erzählen. So bereitet ihnen etwa die Schmierlaus (Planococcus ficus, vine mealy bug) massive Probleme. Sie zapft die saftführenden Leitungsbahnen an, was Schimmel erzeugt. Weiter überträgt sie GLRaV-Viren, die die gefürchtete Blattroll-Erkrankung verursachen. Die Schmierlaus ist für Winzer nur schwer zu bekämpfen: Gegen den Virenbefall gibt es noch kein Mittel. Den Winzern bleibt bei einer Infektion nur, die Rebstöcke auszureißen, sie zu verbrennen und den Weinberg neu zu bepflanzen.

Und noch etwas ist anders als in Europa: Die meisten größeren Weingüter werden koscher geführt, also in Übereinstimmung mit den religiösen jüdischen Speisegesetzen. Das ist meist weniger religiös begründet, sondern wirtschaftlich bedingt: Kleine Weingüter mit weniger als 40.000 Flaschen verkaufen ihre Weine ab Hof in Israel. Eine größere Menge lässt sich in Israel - und in den USA - aber nur verkaufen, wenn das gesamte Kundenpotential angesprochen wird. Da fast alle israelischen Supermärkte und Hotels koscher geführt werden, ist die Produktion nach diesen Regeln für den Verkauf notwendig. Zu den beiden großen jüdischen Festen, Pessach und Rosch Hashana, erhalten Mitarbeiter in den Unternehmen einen Geschenkkorb, der meist auch Wein enthält. Das sind die wichtigsten Saisons für die Weingüter. Auch Catering-Unternehmen schenken bei Events ausschließlich koschere Weine aus.

 

Avraham Borstein ist bei Yaffo für die Einhaltung der Koscher-Gesetze zuständig

Joachim Kaiser

Weinbau mit strengen religiösen Regeln

Um sie zu erzeugen, müssen die Winzer strenge Regeln befolgen: Die Arbeit in Weinberg und Keller muss von einem Rabbi überwacht werden. Nur Trauben von mindestens vier Jahre alten Rebstöcken darf das Weingut verarbeiten. Die Reben müssen in Monokultur angebaut werden; auch Olivenbäume haben in koscheren Weinbergen nichts zu suchen. Alle sieben Jahre ist dort das Ernten verboten, und in den Wochen vor der Lese darf kein organisches Material mehr im Weinberg ausgebracht werden. Doch auch im Alltag der Bewirtschaftung haben die Regeln großen Einfluss: So müssen Werkzeuge und Geräte unter religiöser Aufsicht gründlich gereinigt werden. Die Vinifikation darf nur ein frommer, männlicher Kellermeister übernehmen, der sich streng an die jüdischen Religionsgesetze hält. Am Schabbat, also zwischen den Sonnenuntergängen von Freitag und Samstag, darf niemand im Weingut arbeiten - egal, wie groß die Probleme sind oder wie hoch der Schädlingsdruck ist. Auch die Nutzung von Feuer oder das Einschalten von Elektrizität ist in dieser Zeit verboten. Die Gärung muss spontan geschehen, Reinzuchthefen sind ebenso verboten wie Enzyme. Es dürfen auch keine Produkte tierischen Ursprungs zur Vinifikation oder Schönung verwendet werden. Weiter ist es Vorschrift, ein Prozent der Weine eines Jahrgangs kostenlos für karitative Zwecke einzusetzen. Zudem ist Frauen während ihrer Menstruation das Betreten des Weinguts verboten.

Doch die strengen religiösen Gesetze bieten Spielraum: Denn jeder Rabbi entscheidet unabhängig, ob er das Koscher-Siegel verleiht oder nicht. Tut es der eine Rabbi nicht, dann vielleicht ein anderer, der die Speisegesetze nicht ganz so streng auslegt. Außerdem gibt es Auswege: Darf etwa ein nicht streng gläubiger Winzer im siebten Jahr nicht ernten, überlässt er den Weinberg einfach einem Kollegen, der ihm daraufhin im Tausch auch einen Weinberg im siebten Jahr überlässt. So wird keine Regel verletzt, und die Arbeit geht weiter. Auf dem Besuchsprogramm standen die Besuche vieler Weingüter mit ihren individuellen Ansätzen, Methoden, Rebsorten und Strategien.

Hier vier Beispiele der neuen israelischen Weinkultur:

Önolge Itay Lahat mit einer Probe vom Yafam

Joachim Kaiser

Kishor Vineyards (koscher)

Kishor hat seinen Sitz im Anbaugebiet Galil. Die Region ist wasserreicher als der Rest Israels und deshalb grün und fruchtbar. Kishor wurde 1997 mit dem Ziel gegründet, eine Lebensgemeinschaft größtmöglicher Freiheit für Menschen mit und ohne Behinderungen aufzubauen, als „Home For People With Special Needs“. Etwa 150 Angestellte und 180 Menschen mit Einschränkungen leben und arbeiten hier. Außer dem Weingut betreibt Kishor weitere Projekte, etwa mit der Produktion von Werbespots im eigenen TV-Studio. Die Weinberge wurden 2007 angelegt. Der Önologe Itay Lahat hat gleich drei Abschlüsse aufzuweisen: Gartenbau, Önologie und einen MBA. Lahat arbeitete vorher für Barkan Wine Cellars, Israels größten Weinproduzenten. Der 2019er Ein Yafam ist kräftig mit dunkler Beerenfrucht, Noten nach schwarzem Pfeffer und Gewürzen, komplex, vielschichtig und lang. Seine Trinkreife beginnt jetzt langsam.

 

Asaf Margalit verteilt eine Fassprobe Riesling

Joachim Kaiser

Margalit Winery (nicht koscher)

Die Margalit Winery wurde 1989 von Yair Margalit gegründet, produziert aber schon seit 1983 Wein im kleinen Maßstab. Das Weingut ist die älteste Boutique-Winery Israels. Margalit hat den israelischen Qualitätsweinbau initiiert und drei Bücher über Wein geschrieben. Sein bedeutendster Beitrag zum Aufstieg des israelischen Weinbaus ist das Cellar Master Program am Tel Hai College seit 2004. Es ist das erste akademische Studium in Israel, das sich ausschließlich mit Weinbau und Önologie befasst. Yair Margalit hat es initiiert und lange geleitet. Heute ist sein Sohn Asaf der Weinmacher. Margalit besitzt drei Weinberge im Carmel sowie Galil und erzeugt nur 30.000 Flaschen. Dabei verwendet er bei der Produktion nur den Freilauf der Pressung. Interessant ist die weiße Rebsorte Margalit Blanc: Die Spontanmutation des Cabernet Franc ist eine exklusive Selektion für ihn. Highlight der Verkostung war der 2004er Cabernet Franc mit einem zwölfprozentigen Anteil an Cabernet Sauvignon. Man könnte meinen, der Wein sei erst gestern gefüllt worden, wäre da nicht diese harmonische Ausgewogenheit.

 

Doron Rav Hon, Spezialist für Weißweine

Joachim Kaiser

Sphera Winery (nicht koscher)

Sphera in Judäa ist das einzige Weingut in Israel, das ausschließlich Weißweine erzeugt. Der Winzer Doron Rav Hon hat Weinbau im Burgund studiert, und kein anderes israelisches Weingut kann eine Weißwein-Kollektion auf diesem Niveau anbieten. Er bewässert die Rebstöcke nicht und verzichtet auf BSA und Bâtonnage. Die Überraschung: Sein Riesling ist so typisch, dass er auch aus Deutschland kommen könnte: Mineralisch-fruchtig mit frischer Säure. Der 2022er Signature ist dicht, aber nicht opulent und bietet dezent gesetzte Aromen von Feuerstein und Grapefruit mit 13 Prozent Alkohol. Doch auch sein im Tonneau ausgebauter Semillon mit zehn Prozent Sauvignon Blanc belegt das hohe Niveau des Weinguts.

 

Stephan, Anne und Moshe Celniker von Yaffo

Joachim Kaiser

Yaffo Winery (koscher)

Anne und Moshe Celniker haben über 20 Jahre als Physiotherapeuten gearbeitet und erst 2002 das Weingut in Judäa gegründet. Doch die Wein-Wurzeln liegen in der Familie: Anne Celniker stammt aus einer elsässischen Winzerfamilie. Inzwischen hat ihr Sohn Stephan den Job des Weinmachers übernommen. Derzeit testet er die Rebsorte Argaman, die in den 1970er-Jahren in Israel aus Carignan und Souzão gezüchtet wurde. Argaman ist hitze- und dürreresistent, was aufgrund der Klimaerwärmung von Vorteil ist. Die Fassprobe beeindruckt mit intensiver, tief violett-blauer Farbe und herben Duft, kräftigem Tannin und guter Säure. Die Frucht ist eher rotbeerig. Argaman wird von einigen Weingütern reinsortig angeboten und hat das Potential, Israels Leitsorte zu werden.

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