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Auf Madeira hat eine uralte, in Europa fast vergessene Weinkultur überlebt: Die traditionellen Madeira-Weine, lange nur als Saucen-Würze verschrien, werden aufwendig produziert und reifen bis zu hundert Jahre. Doch der Anbau in Steillagen ist schwierig und risikoreich, berichtet Joachim Kaiser.

Auf 600 Metern Höhe in Jardim da Serra im Weinbaugebiet Câmara de Lobos auf Madeira. Ein grüner Teppich mit weißen und roten Tupfern breitet sich aus, zieht sich hinab bis ans blaue Meer und die Berge hoch bis in die Wolken. Leonel Veira, Berater des „Instituto da Vinho, do Barddado e do Artesanto da Madeira“ (IVBAM) beginnt seine Tour durch die Weinberge.. Die Institution ist die für Wein zuständige Regierungsbehörde von Madeira. Doch nicht alles Grün sind Weinreben, es gibt Obst- und Gemüsegärten und in tieferen Lagen werden Bananen angebaut.

Madeira ist eine durch Vulkanismus entstandene Insel, die 57 km lang und 23 km breit ist. Ein bis 1862 Meter hoher Bergrücken durchzieht die Insel. Weinbau bedeutet auf Madeira, Steillagen in Terrassen zu bewirtschaften. Das Klima ist subtropisch mit Temperaturen von 13 Grad Celsius im Winter bis 26 Grad im Sommer. Die Luftfeuchtigkeit beträgt konstant 71 Prozent. Im Regenschatten an der Südküste gibt es 500 Millimeter Niederschläge, im Norden in den Bergen sogar bis zu 3.000 Millimeter.

 

Nur 0,3 Hektar Weinberge pro Winzerfamilie

Madeiras Weinbergsfläche beträgt insgesamt nur noch 500 Hektar, die jedoch nicht mehr komplett bewirtschaftet wird. Etwa zehn Prozent, schätzt Leonel, liegen brach oder sind verwildert. Dafür gibt es zwei Ursachen: Die Winzerfamilien bearbeiten im Schnitt lediglich 0,3 Hektar Weinberge, und die unterteilen sich oft noch in mehrere Parzellen. Dazu kommt die Abwanderung der jungen Generation in weniger anstrengende und besser bezahlte Berufe oder deren Migration aufs Festland. Die ganzjährige Wärme und hohe Luftfeuchtigkeit sind ein Paradies für Botrytis, Oidium und Peronospora. Im Schnitt sind daher sieben Behandlungen bis zur Lese nötig. Meist werden Schwefel und Kupfer, aber manchmal auch synthetische Fungizide ausgebracht. Die vielen verlassenen Weinberge sind gefährliche Infektionsherde für die umliegenden Ertragsflächen. Hinzu kommt, dass es hier nicht einfach ist, die Trauben ausreifen zu lassen. Vor allem in den Weinbaugebieten São Vicente und Santana an der Nordküste und in höheren Lagen ist es oft stark wolkig-neblig. Gesunde Trauben zu erzeugen, ist unter diesen Umständen sehr schwierig und aufwendig. Die Ernte erstreckt sich deshalb, je nach Rebsorte, von August bis Oktober.

 

Sklaven, Zucker und Madeira-Wein

Die Madeira-Weine hatten lange keinen guten Ruf, sie waren verschrien als billige Würze für Saucen. Dabei gab es eine Zeit, in der Madeira berühmt und die Insel reich war. Die Bewohner wurden wohlhabend durch den Handel mit Sklaven sowie Zucker – und wegen ihres berühmten Weines. Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten im Jahr 1776 etwa wurde mit Madeira gefeiert. Erst im Jahr 1999 verbot das IVBAM den Handel mit billigem Fasswein. Heute erstrahlt Madeira wieder im alten Glanz: Meine Verkostungen bei Barbeito, Blandy's/Madeira Wine Company (MWC), Borges, CAF/Madeira Vintners, H&H und Justino's zeigen, dass Madeira heute, von der Basis bis zur Spitze, wieder ein Niveau von gut bis Weltklasse erreicht.

Hohe Luftfeuchtigkeit, viel Nebel und Regen: Der Weinbau auf Madeira ist großen Risiken unterworfen.

Joachim Kaiser

Hauptsächlich wird die robuste, rote Rebsorte Tinta Negra angebaut. Die drei Jahre gelagerten Basisweine bestehen nahezu vollständig aus Tinta. Es gibt auch hervorragende, gereifte Tintas, wie den 1995er Frasqueira und 2000er Colheita Single Cask von Justino's. Beide Weine sind enorm vielschichtig, von Dörrobst (Feige, Datteln, Pflaumen, Rosinen) über Schokolade, Karamell, Walnuss und Tabak bis hin zu einer kalkig-kühlen Note. Süß, aber die 96 g/l Zucker oder mehr sind mit kräftiger Säure gut balanciert. Die 20 Prozent Alkohol schmeckt man nur, wenn man gezielt darauf achtet.

Madeiras Weine sind aufgespritet und werden auf sehr spezielle Weise produziert. Die Gärung stoppen die Winzer beim gewünschten Zuckergehalt durch die Zugabe von 96-prozentigem Alkohol. Danach werden sie oxidativ ausgebaut, der Einfluss von Sauerstoff ist erwünscht. Zudem werden die Weine regelmäßig erwärmt: 45 bis 50 Grad warmes Wasser fließt in Heizschlangen mindestens für drei Monate durch die Weintanks. Dieses „Estufagem“-Verfahren wird meist bei den Basisqualitäten angewandt. Beim Canteiro-Verfahren ruhen die Weine mindestens zwei Jahre in Holzfässern - früher unter den Dächern der Weingüter bei hoher Tages- und niedriger Nachttemperatur. Heute erfüllen Lagerhäuser mit Zinndächern diesen Zweck.

 

In den Kellern der Weingüter lagern Madeira-Wein oft Jahrzehnte. Diese Reservas stammen aus den 1940er-Jahren.

Joachim Kaiser

Gute Madeiras reifen bis zu 100 Jahre

Besonders wichtig ist lange Lagerung: Die Madeira-Weine reifen bis zu hundert Jahre, bevor sie gefüllt werden. Nach der Wärmebehandlung lagern die Basisweine mindestens drei Jahre, höhere Qualitäten und Jahrgangs-Madeiras fünf, mit Rebsorten- und Canteiro-Angabe mindestens 20 Jahre, ehe sie vermarktet werden dürfen.

Bei fast allen besuchten Produzenten hatte ich exzellente, trockene Sercials im Glas. Mit acht bis elf Gramm Säure stecken Sercials bis zu 65 Gramm Zucker pro Liter locker weg und schmecken tatsächlich trocken, oft salzig, mit Noten nach getrockneten Zitruszesten, mit Reife auch nach Dörrobst.

Halbtrockene Verdelhos gab es bei allen Produzenten zu verkosten. Süßer als Sercial, aber gut balanciert, bieten sie teils noch frische Zitrusnoten, gereift auch nach getrockneten tropischen Früchten und schmecken oft nussig. Halbsüße Boals hatte ich ebenfalls fast überall im Glas. Sie schmecken füllig, deutlich in Richtung Karamell, nach getrockneten Feigen und Datteln. Die meisten Madeira-Häuser haben auch Malvasia (Malmsey)-Weine im Programm. Das sind zehn Jahre und länger gereifte Süßweine. Sie schmecken opulent und enorm vielschichtig mit Aromen nach Frucht, Gewürzen, Nüssen, Schokolade, Honig und Toffee.

 

Wein wird auf Madeira vor allem auf kleinsten Parzellen in Steillagen angebaut.

Joachim Kaiser

Überraschungen zwischen kühl und mineralisch

Die schwierige Rebsorte Terrantez ist hochgeschätzt, wird nur auf wenigen Hektar angebaut und muss schon im August geerntet werden, weil die Trauben sonst oft am Stock verfaulen. Der 1978er Justino's Terrantez halbsüß und der zwanzigjährige H&H Terrantez halbtrocken sind für mich Gänsehaut-Weine: Das Aromenprofil ist enorm vielschichtig, wie bei den besten anderen Rebsorten, dazu sehr elegant und distinguiert.

Doch Vorsicht beim Verkosten: Bei Jahrgangs-Madeiras muss man mit Überraschungen rechnen. Vor allem die Single Casks fallen mit ungewöhnlichen Aromen auf, etwa kühl-mineralische Noten nach trocknendem Kalkputz oder in Honig marinierte, getrocknete Zitruszesten.

Der Anteil nicht aufgespriteter Wine und Sekte liegt derzeit unter zehn Prozent. Barbusano produziert ausschließlich trockene, interessante “Tafelweine”; Barbeito, Justiono's, MWC und einige kleinere Weingüter ebenso. Justino's produziert sogar einen Bio-Wein, den Fanal Verdelho. Demnächst kommt der rote Fanal Listrão Bio hinzu. Barbeito experimentiert ebenfalls mit dem Anbau nach Bio-Richtlinien. Barbeito, Justino's und MWC vinifizieren selbst. Alle anderen lassen die Weine nach ihren Vorgaben in der IVBAM Adega São Vicente vom Önologen João Pedro Machado ausbauen.

 

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