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Wie lange hält sich offener Wein?
Zunächst kurz zur Begriffsklärung: “Offener Wein” meint hier nicht Wein, der in der Gastronomie glas- oder karaffenweise ausgeschenkt wird, sondern geöffnete Weinflaschen.
Wie lange ein Wein in einer geöffneten Flasche hält, hängt einerseits von der Qualität des Weins selbst ab sowie andererseits davon, wie die Flasche aufbewahrt wird.
Indizien für die Weinqualität
Wein hat bestimmte Inhaltsstoffe, die ihn haltbar machen. Je höher der Gehalt an diesen Stoffen ist, desto länger ist der Wein – in der geschlossenen oder in der offenen Flasche – haltbar.
Einer der wichtigsten Faktoren für die Haltbarkeit eines Weins ist sein Extrakt – also technisch gesehen sein Mostgewicht, das von der Ertragsmenge und von der Traubenreife abhängt. Der Extrakt lässt sich am einfachsten über die Begrenzung des Ertrags beeinflussen: Je weniger Trauben am Rebstock hängen, desto höher ist der Extrakt der einzelnen Beeren und desto substanzreicher, hochwertiger und lagerfähiger ist der Wein. Mit zunehmender Reife steigt dann das Mostgewicht, denn es bilden sich immer mehr Extraktstoffe in der Traube. Anhaltspunkte für die Ertragsbegrenzung und das Mostgewicht bieten die geschützte Herkunftsbezeichnung (je enger die Herkunft, desto geringer der Ertrag) und/oder die Prädikate (Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese, Eiswein).
Zucker und Säure als weitere Haltbarkeitsfaktoren kommen natürlich im Wein vor, Salze in Form von Mineralien ebenfalls. Weine, die im Holzfass ausgebaut sind, werden durch die antibakterielle Wirkung des Rauchs (beim Ausflämmen des Fasses, dem sogenannten Toasting) und das Holztannin konserviert. Rotweine haben durch das Tannin aus den Traubenschalen und -kernen noch einen zusätzlichen natürlichen Haltbarkeitsfaktor.
Von diesen „internen“ Faktoren abgesehen, ist Schwefel (der im Wein in Form von Sulfiten, also den Salzen der schwefligen Säure vorkommt) ein höchst effektiver „externer“ Konservierungsstoff, denn er bindet Sauerstoff, entzieht Mikroorganismen wie Bakterien die Lebensgrundlage und hemmt Enzyme in ihrer Tätigkeit. Schwefel wird dem Wein nach der Gärung sowie noch einmal vor der Abfüllung zugesetzt; dafür bestehen gesetzliche Höchstwerte.
Basierend darauf gelten folgende grundsätzliche, grobe Regeln für die Haltbarkeit von Weinen:
- Rotweine sind länger lagerfähig als Weißweine.
- Im Holz ausgebaute Weine sind länger lagerfähig als im Edelstahl ausgebaute Weine.
- Restsüße und edelsüße Weine sind länger lagerfähig als trockene oder halbtrockene Weine.
- Säurereiche Weine sind länger lagerfähig als säurearme Weine.
- Mineralstoffreiche Weine sind länger lagerfähig als mineralstoffarme Weine.
- Weine mit höherer Prädikatsstufe sind länger lagerfähig als Weine mit niedrigerer oder ohne Prädikatsstufe.
- Weine mit geringem Ertrag sind länger lagerfähig als Weine mit hohem Ertrag.
- Weine mit engerer Herkunftsbezeichnung (z.B. Einzellage) sind länger lagerfähig als Weine mit weiterer Herkunftsbezeichnung (z.B. Weinregion).
Aufbewahrung und Haltbarkeitsdauer
Ist eine Weinflasche einmal geöffnet, reagiert der Wein mit dem Sauerstoff der Luft. Der Sauerstoff verändert die Chemie des Weins und damit seine Aromatik. Zunächst ist das erwünscht, denn der Luftsauerstoff schließt viele der Aromastoffe im Wein erst auf: Der Wein gewinnt an Ausdruck, Komplexität und Feinheit. Will man die angebrochene Weinflasche jedoch aufbewahren, um sie später weiter zu trinken, muss man die Reaktion des Weins mit dem Sauerstoff – die Oxidation – unterbinden, denn bei zu starkem und/oder zu langem Sauerstoffkontakt verändert sich die Weinaromatik negativ: Der Wein wird stumpf und schal, er schmeckt müde und alt.
Um die Sauerstoffzufuhr möglichst wirksam zu verhindern, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. In jedem Fall sollten angebrochene Weinflaschen fest verschlossen und kühl aufbewahrt werden, denn eine niedrige Temperatur verringert die chemische Reaktionsgeschwindigkeit. Vorzugsweise lagert man angebrochene Flaschen stehend, auch wenn sie wieder verschlossen sind. Alle diese Faktoren gelten für Weiß- und Roséweine ebenso wie für Rotweine und auch für Orange Wines.
Schon ein einfacher, luftdichter Verschluss (z.B. ein Korken) reicht aus, um offene Weine über mehrere Tage, mitunter sogar über Wochen aufzubewahren, ohne dass sie aromatisch deutlich darunter leiden. Dabei ist der Füllstand in der Flasche wichtig: Eine fast volle Flasche hält sich länger, weil naturgemäß wenig Luft darin ist. Eine ziemlich leere Flasche hält sich erheblich kürzer.
Folgende Faustregel gilt für die Haltbarkeitsdauer, wenn die Weinflaschen wieder verschlossen im Kühlschrank aufbewahrt werden:
- Einfache Weiß- und Roséweine kann man durchaus einen oder zwei Tage, höherwertige Weißweine auch eine oder zwei Wochen aufbewahren.
- Junge Rotweine mit viel Säure und Tannin bleiben ebenfalls mehrere Tage bis eine oder zwei Wochen genussfähig – je höherwertiger (siehe Qualitätsmerkmale), desto länger.
- Gereifte Rot- und Weißweine sind empfindlicher und halten sich meistens nicht länger als einen Tag.
- Süßweine lassen sich bedenkenlos über mehrere (vier, sechs oder mehr) Wochen aufbewahren – je höher die Prädikatsstufe, desto länger.
Um die Haltbarkeitsdauer offener Weine zu verlängern, gibt es darüber hinaus bestimmte Hilfsmittel und Tricks, die im folgenden Beitrag erläutert werden:
Wie bewahrt man geöffnete Weinflaschen auf?