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Wie bewahrt man geöffnete Weinflaschen auf?
Ist eine Weinflasche einmal geöffnet, reagiert der Wein mit dem Sauerstoff der Luft. Der Sauerstoff verändert die Chemie des Weins und damit seine Aromatik. Zunächst ist das erwünscht (Stichwort Belüftung), denn der Luftsauerstoff schließt viele der Aromastoffe im Wein erst auf: Der Wein gewinnt an Ausdruck, Komplexität und Feinheit. Will man die angebrochene Weinflasche jedoch aufbewahren, um sie später weiter zu trinken, muss man die Reaktion des Weins mit dem Sauerstoff – die Oxidation – unterbinden, denn bei zu starkem und/oder zu langem Sauerstoffkontakt verändert sich die Weinaromatik negativ: Der Wein wird stumpf und schal, er schmeckt müde und alt.
Um die Sauerstoffzufuhr möglichst wirksam zu verhindern, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. In jedem Fall sollten angebrochene Weinflaschen fest verschlossen und kühl aufbewahrt werden, denn eine niedrige Temperatur verringert die chemische Reaktionsgeschwindigkeit. Vorzugsweise lagert man angebrochene Flaschen stehend, auch wenn sie wieder verschlossen sind. Alle diese Faktoren gelten für Weiß- und Roséweine ebenso wie für Rotweine und auch für Orange Wines.
- Schon ein einfacher, luftdichter Verschluss reicht aus, um angebrochene Weinflaschen – vor allem Weißweine – mitunter sogar über Wochen aufzubewahren, ohne dass sie aromatisch deutlich darunter leiden. Dabei ist der Füllstand in der Flasche wichtig: Eine fast volle Flasche hält sich länger, weil naturgemäß wenig Luft darin ist. Eine ziemlich leere Flasche hält sich erheblich kürzer. Einfache Weißweine kann man durchaus einen oder zwei Tage, höherwertige Weißweine auch einige Wochen so im Kühlschrank aufbewahren. Junge Rotweine mit viel Säure und Tannin bleiben mindestens mehrere Tage genussfähig. Gereifte Rot- und Weißweine sind empfindlicher und halten sich meistens nicht viel länger als einen Tag. Süßweine lassen sich bedenkenlos über mehrere Wochen aufbewahren.
- Anstatt nur durch das Verschließen der Flasche zu verhindern, dass durch den Luftaustausch immer wieder frischer Sauerstoff hineingelangt, kann man der Flasche auch die Luft entziehen: mit einer Vakuumpumpe. Ein geeigneter, gasdichter Verschluss sorgt dann dafür, dass dieser Zustand mehrere Tage erhalten bleibt. Die Meinungen zu diesem System sind unter Weinfreunden allerdings durchaus gespalten; Kritiker vertreten die Auffassung, dass beim Luftentzug auch Aromen verloren gehen.
- Eine weitere Möglichkeit, den Sauerstoffkontakt zu verhindern, ist das Einführen von Edelgas in die angebrochene Weinflasche. Edelgase – auch Inertgase genannt –, z.B. Argon, reagieren unter normalen Bedingungen nicht mit anderen Stoffen, also weder mit dem Luftsauerstoff noch mit Aromastoffen im Wein. Diese Gase sind schwerer als Luft und legen sich wie eine Schutzschicht auf den Flüssigkeitsspiegel in der Weinflasche, so dass eine Oxidation verhindert wird. Hierfür gibt es spezielle Systeme, beispielsweise von Winaro. Mittels eines Flaschenaufsatzes und einer Gaspatrone wird das Edelgas in die Flasche eingebracht und diese danach verschlossen; dafür reicht sogar wiederum ein herkömmlicher Korken aus. Die Flasche muss danach allerdings unbedingt stehend gelagert werden. Die Edelgas-Barriere wird erst aufgelöst, wenn die Flasche gekippt, d.h. der Flüssigkeitsspiegel verändert und das Edelgas durcheinandergewirbelt wird. Da Edelgase so ausgesprochen reaktionsträge sind, finden sie im Lebensmittelbereich breite Anwendung.
- Am wenigsten Aufwand verursacht das einfache Umfüllen des in der Flasche verbliebenen Weins in eine kleine Flasche. Diese gibt es im Haushaltswarenhandel in verschiedenen Größen zu kaufen. Sie haben meist einen Bügelverschluss, der dank des Gummirings, der sich auf die Flaschenöffnung legt, auch noch luftdicht ist; das Prinzip ist dasselbe wie bei Einmachgläsern. Eine kleine gebrauchte Wasserflasche mit Schraubverschluss eignet sich aber genauso gut. Ziel ist, dass nach dem Umfüllen so wenig Luft wie möglich in der neuen Flasche verbleibt, um eine fortschreitende Oxidation nahezu auszuschließen. Je schneller (zeitlich gesehen) man den Wein nach dem Öffnen der großen Flasche umfüllt, desto länger hält er sich anschließend in der neuen Flasche, wenn diese sofort fest verschlossen und kühl gestellt wird. Um die Oxidation während des Umgießens zu minimieren (was besonders bei älteren Weinen sinnvoll ist), kann man vorher in die kleine Flasche ein Schutzgas einfüllen (siehe oben). Aus demselben Grund ist es auch ratsam, zum Umfüllen einen Trichter zu verwenden, dessen Rüssel bis auf den Boden der neuen Flasche reicht.
- Für Schaumweine gibt es spezielle Verschlüsse, die nicht nur keine Luft in die Flasche lassen, sondern auch dem Druck der Kohlensäure standhalten und dafür sorgen, dass diese in der Flasche bleibt. Diese Verschlüsse werden am Flaschenhals bzw. an deren Öffnung fest arretiert.
Bei bestimmten (Still-)Weinen kann es jedoch Sinn haben, sie bewusst über mehrere Tage dem Luftsauerstoff auszusetzen, indem man die geöffnete Flasche entweder gar nicht oder nur mit einem einfachen Korken verschließt. Dann kann man die Flasche auch weiterhin im Weinkeller aufbewahren; sie muss nicht zwingend in den Kühlschrank. Dieses Vorgehen wählt man vor allem bei gehaltvollen, kräftigen, substanzreichen Weinen, wenn diese noch sehr jung sind. Der Sauerstoff schließt dann, wie eingangs beschrieben, die Aromen auf und macht bei Rotweinen die Tannine etwas weicher: Der Wein wird zugänglicher und harmonischer. Gewissermaßen nimmt diese Behandlung ein wenig die Zukunft vorweg und wirkt wie ein Zeitraffer; die Veränderungen, die ein geöffneter Wein im Verlauf von ein bis zwei Tagen durchmacht, erlauben bis zu einem gewissen Grad eine Abschätzung, wie sich er im Laufe seiner Reife über die nächsten Jahre entwickeln wird.