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Alternativen zu Glasflaschen für Wein haben sich schon in vielen Ländern durchgesetzt. Doch vor allem in den deutschsprachigen Staaten stehen Händler und Winzer auf der Bremse. Flaschen machen aber einen Großteil des CO2-Abdrucks der Weinproduktion aus. Geht das Zeitalter der Glasflasche zu Ende?

Viele Studien beweisen: Die Energie für die Herstellung von Glas und für den Transport des in Flaschen gefüllten Weins machen einen Großteil des CO2-Fußabdrucks aus. Experten schätzen den Anteil auf rund 40 Prozent.

Um die Produktion und den Weinhandel nachhaltiger zu gestalten, besteht daher die Notwendigkeit, Alternativen zu Glas zu entwickeln , die ein geringes Gewicht haben und im besten Fall recycelt werden können. In der EU werden noch immer 90 Prozent aller Weine, Sekte und Spirituosen in Glas gefüllt, was 43 Prozent der gesamten Glasproduktion verbraucht. Parfum und pharmazeutische Produkte spielen dagegen nur eine sehr geringe Rolle.

Müssen Weinfans also bald Abschied von der Glasflasche nehmen? Noch lange nicht, wenn es nach vielen Händlern in deutschsprachigen Ländern, also Deutschland, Österreich und der Schweiz geht. Die Bereitschaft, alternative Behälter einzuführen, liegt bei nur knapp der Hälfte. In anderen Ländern will hingegen bereits fast jeder Händler in den kommenden zwei Jahren Wein in alternativen Verpackungen listen. Woran liegen diese Unterschiede?

Der Prowein Business Report 2022 hat die Gründe dafür untersucht. Dazu wurden rund 2.500 Winzer, Weinhändler, Importeure, Distributoren, Gastronomen und Hoteliers aus 16 Ländern zur Akzeptanz und der geplanten Markteinführung von sechs verschiedenen alternativen Wein-Verpackungsformaten befragt. Über 70 Prozent von ihnen forderten eine Reduzierung des CO2-Fußabdruckes von Wein. Der Report teilt die Länder in drei Gruppen ein:

Die Innovatoren

Wein in Dosen wird beim schwedischen Alkoholmonopol Systembolaget immer beliebter.
© Facebook/Systembolaget

Dazu gehören die skandinavischen Länder, Großbritannien und Kanada. Fast alle Händler sind dort bereit, ihren Kunden Alternativen zu Glasflaschen anzubieten. Die sogenannten “alternativen Verpackungen” sind dort bereits heute fester Bestandteil der Sortiments. Als Gründe dafür werden genannt:

  • Sie haben bereits seit vielen Jahren nationale Programme zur Reduzierung von Verpackungsmüll (z.B. Großbritannien),
  • Ihre Bevölkerung steht Nachhaltigkeitszielen besonders positiv gegenüber (z.B. alle skandinavischen Länder).
  • Wein darf an Endverbraucher nur über Monopole vertrieben werden. Diese können den Produzenten strenge Vorgaben zur Nachhaltigkeit machen.

So haben sich beispielsweise die fünf skandinavischen Alkohol-Monopole (einschließlich Island und Färöer-Inseln) zu einer gemeinsamen Nachhaltigkeitsstrategie mit dem konkreten Ziel verpflichtet, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2023 um 50 Prozent zu reduzieren.

Die gezielte Listung von Wein in Verpackungen mit geringerem CO2-Fußabdruck als Flaschen sind Teil der Strategie, dieses Ziel zu erreichen. Dafür fordern die Monopole von ihren Lieferanten inzwischen Alternativen zur Glasflasche. Bag-in-Box ist in Skandinavien sehr beliebt, in Kanada sind es Dosen. Auch innovative PET-Flaschen in Standard-Formen wie Bordeaux oder Burgund sind auf dem Weg. Denn ihre Qualität hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert und gelten inzwiswchen als Aroma-neutral auch bei längerer Lagerzeit. Sie wiegen kaum 50 Gramm, brechen nicht, werden von Pfandsystemen akzeptiert und können so fast vollständig recycelt oder wiederverwendet werden. Auch für Papierflaschen bestehen dort laut der Umfrage gute Marktchancen. Produzenten haben also eine höhere Chance auf Listung in diesen Ländern, wenn sie ihre Weine und Sekte in Alternativen zur Glasflasche anbieten können – und damit einen Wettbewerbsvorteil nutzen.

 

Die mittlere Gruppe

Hier finden sich mit Frankreich und Spanien zwei der größten Erzeugerländer, dazu die USA, Belgien und Portugal. Mehr als die Hälfte der Händler in diesen Staaten beabsichtigt in den kommenden Jahren, Wein in alternativen Verpackungen anzubieten. Auch hier dominieren an erster Stelle Bag-in-Box und Dosen, gefolgt von PET-Flaschen, die in Portugal die größte Akzeptanz besitzen. In den USA können sich zudem viele Befragte wiederbefüllbare Aluminiumfässer für den Gastronomie-Ausschank („Kegs“) vorstellen. Auch Papierflaschen haben dort gute Marktchancen.

 

Die Nachzügler

In der Gruppe der Nachzügler liegen Deutschland, Österreich und die Schweiz, aber auch die Niederlande und Italien. Hier liegt die Bereitschaft der Händler, mit anderen Behältern als Glas zu arbeiten, unterhalb von 55 Prozent. Vor allem in den deutschsprachigen Ländern hält die Mehrheit der Händler weiter an Glasflaschen fest. Insgesamt erwartet aber bereits jeder zweite befragte Händler, dass die Verbraucher Bag-in-Box als Weinbehältnis akzeptieren werden. In Italien und den Niederlanden werden Dosen stärker nachgefragt.

 

Auswirkungen für Weinproduzenten und Abfüller

Bag-in-Box ist die am meisten akzeptierte Flaschenalternative.
© Prowein

Weinabfüller sind oft durch hohe Investitionskosten an ihre bestehenden Abfüllanlagen gebunden. Ihre Flexibilität, Wein in andere Behälter als Glasflaschen zu füllen, ist daher eingeschränkt. 69 Prozent von ihnen würden aber Alternativen anbieten, wenn sie mit bestehenden Füllanlagen kompatibel wären.

Durch die verhaltene Nachfrage des Handels nach neuen Gefäßen in den Nachzügler-Ländern ist es für viele Weinproduzenten aber schwieriger, wirtschaftlich ausreichend große Mengen für Alternativen zu Glas zu erreichen. Die aktuelle ökonomische Situation sorgt weiter für geringere oder sogar negative Margen, da Kostensteigerungen nicht voll an den Handel und die Endverbraucher weitergegeben werden können. Die Bereitschaft, in neue Abfüllanlagen zu investieren, ist daher derzeit gering, obwohl zwei Drittel der Produzenten in den deutlich gestiegenen Glas- und Flaschenpreisen eine Chance zur schnellen Einführung von Alternativen sehen.

Voraussetzung für solche Investitionen sind aber eine starke Nachfrage des Handels und langfristige Abnahmegarantien, wie sie in den Ländern der Innovatoren bestehen. Dort ist mehr als ein Drittel der Befragten davon überzeugt, dass schon in naher Zukunft die Mehrheit der Alltagsweine nicht mehr in Glas abgefüllt sein wird. In den Nachzügler-Ländern fehlt mehr als der Hälfte der Befragten diese Zuversicht für die Zukunft der Flaschen-Alternativen.

Der wichtigste Erfolgsfaktor für die Einführung von leichteren und umweltverträglicheren Weingefäßen ist laut der Umfrage die intensive Kommunikation mit den Verbrauchern. Sie gelingt aber nur, wenn die Händler selbst von den Erfolgsaussichten für Alternativen zu Glasflaschen überzeugt sind, ihre Kunden entsprechend aufklären und so für Nachfrage sorgen. Doch auch konkrete Verpflichtungen für die CO2-Reduzierung, wie sie die skandinavischen Monopole eingeführt haben, geben den Produzenten ein wichtiges Signal, zu investieren und neue Produkte anzubieten.

 

Jancis Robinson MW verlangt leichtere Flaschen

Flaschen aus Papier sind leicht und unzerbrechlich - beim Transport ein nicht unerheblicher Vorteil.
© Prowein

Jancis Robinson, die wohl bekannteste Weinautorin der Welt, veröffentlichte kürzlich einen Aufruf an Flaschenhersteller, viel mehr leichte Glasflaschen zu erzeugen: “So mancher Weinabfüller und Weinproduzent berichtet von Schwierigkeiten, die Hersteller von Glasflaschen zur Lieferung leichterer Flaschen zu bewegen. Es gibt ein starkes Argument dafür, damit die Flaschenhersteller und die Wein-Industrie zusammenarbeiten, um den Absatz zu steigern, zugleich die Kohlenstoffemissionen zu verringern, und dass die Glasindustrie auf die Bedürfnisse ihrer wichtigsten Kunden hört. Im Moment haben sie das Gefühl, die Weinerzeuger in der Hand zu haben. Sie können es sich leisten, deren Anliegen nicht zu berücksichtigen. Wie viele Umstellungen von Glas auf Dosen, Plastikbeutel im Karton und recycelten Kunststoff wird es brauchen, um sie umzustimmen?”

Als Alternative könnte auch ein Mehrwegsystem die CO2-Bilanz der Glasflaschen drastisch reduzieren. In Deutschland will der Glashersteller Verallia im ersten Quartal 2024 immerhin erstmals einen nationalen Mehrwegpool für 0,75-Liter Weinflaschen an den Start bringen. Bisher gibt es bereits einige Initiativen - wie etwa in Württemberg - auf regionaler, aber noch nicht auf nationaler Ebene. Die Flaschen sollen dabei bis zu 50-mal wiederbefüllt werden können. Um eine hohe Rückgabequote bei bestehenden Pfandautomaten zu erreichen, wird der Pfand laut Hersteller Verallia 50 Cent pro Flasche betragen. Die Flaschen werden in einem zentralen Reinigungszentrum gesammelt und aufbereitet.

Ob Kunststoff, Papier, Aluminium oder doch Glas, Einweg oder Mehrweg: Das Wichtigste sollte für Weinfreunde der Inhalt sein, nicht die Verpackung.

(al / Quellen: Prowein Business Report; Weinwirtschaft, jancisrobinson.com, eigene Recherche)

 

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