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Unsere Kommunikation verändert sich rasant. Wollen Weingüter und Händler heute viele Kunden erreichen, können sie längst auf soziale Netzwerke nicht mehr verzichten. Ob das aber für jedes Weingut der richtige Weg ist, hat Alexander Lupersböck von Isabel Kottmann erfahren. Sie arbeitet als Assistenzprofessorin für Internationales Weinmarketing an der Universität Geisenheim an einer Studie.

Eine ganze Generation trägt Namen eines sozialen Netzwerks: die Generation Insta, auch Generation Z - um das Jahr 2000 geboren und mit dem Smartphone aufgewachsen. Diese Generation nutzt Soziale Medien nicht nur zur Kommunikation, sondern immer mehr zur Selbstdarstellung, Eigenvermarktung und als Geschäftsgrundlage. Instagram gilt als die Plattform der jungen Leute, auf der man Jagd nach „Likes“ und „Followern“ macht – also Menschen, die auf einen Beitrag positiv reagieren, Accounts abonnieren und ihnen folgen. Einige verdienen als in ihrer Zielgruppe einflussreiche “Influencer” mit ihren Posts bereits eine Menge Geld.

Um das Potenzial dieser nicht mehr ganz neuen Vertriebskanäle - Social Commerce genannt - zu analysieren, arbeitet die Hochschule Weincampus Neustadt (Pfalz) an einer dreijährigen Studie. Sie läuft noch bis Mitte 2023, abschließende Ergebnisse werden also noch auf sich warten lassen. Doch klar ist schon jetzt: „Besonders für die Vermarktung von Gütern mit emotional geprägten Erfahrungen wie Wein stellt der stetige Austausch mit Weinexperten, anderen Konsumenten und Freunden einen wichtigen Bestandteil des Kundenerlebnisses dar. Folglich könnte sich Social Commerce als Kanal, der diese Interaktion fördert, zu einem wichtigen Marketing- und Vertriebsansatz der Zukunft entwickeln“, schreiben die Verantwortlichen der Studie in der Einleitung.

Die Studienleiterinnen, Professor Dr. Laura Ehm und Monika Dumler, haben kürzlich Umfragedaten aus dem Sommer 2021 veröffentlicht. Demnach stufen neun von zehn der insgesamt 383 befragten Weingüter einen professionellen Social Media Account als äußerst oder sehr wichtig bis einigermaßen wichtig ein. Instagram, Facebook und YouTube werden dabei als wichtig und zukunftsfähig eingestuft - im Gegensatz zu Clubhouse, Telegram, Snapchat und Xing. Die Posting-Frequenz bewegt sich bei den Befragten derzeit zwischen einmal wöchentlich und 14-tägig. Die Mehrheit der Betriebe ist nur selten mehrmals pro Woche auf ihren Social Media-Plattformen aktiv. Mehr als die Hälfte arbeitet intuitiv, also ohne jede inhaltliche Planung und Strategie. Nur ein Drittel wertet die Daten aus, um den Erfolg der Posts systematisch zu messen. Hat ein Weingut keine externe professionelle Unterstützung, arbeiten die Verantwortlichen maximal fünf Stunden pro Woche mit Social Media.

(Quelle: weincampus Neustadt/Digitalisierung der Weinvermarktung/Downloads)

Bei Wein wird stark auf Vertrauen gesetzt

Isabel Kottmann betont, dass der Vorteil von Social Commerce das altbekannte Empfehlungsmarketing ist. „Vor allem das Thema Wein besitzt ja für viele Menschen eine hohe Hemmschwelle, weil es als elitär gilt. Daher wird stark auf Vertrauen, auf Empfehlungen anderer Personen gesetzt. Das können Freunde und Bekannte sein - aber auch Influencer, denen man Glaubwürdigkeit schenkt.“ Es sei daher sehr wichtig, dass regelmäßig für die Follower wirklich interessante oder humorvolle Inhalte gepostet werden - und nicht einfach nur Flaschen und Gläser. „Die Kunden wollen einen Mehrwert finden”, betont Kottmann, “und das unterscheidet die lieblos gemachten Accounts von denen, die vermitteln, dass sie sich mit ihren Themen beschäftigen und ihre potenziellen Kunden einbeziehen. Die fragen sich, was ihre Follower suchen, was sie interessiert, wie sie Wein wahrnehmen. Sie stellen Fragen wie: ‘Welchen unserer Weine würdet Ihr zu Weihnachten trinken? Welches unserer neuen Etiketten-Designs gefällt Euch am besten?’ Ein kleines Quiz oder solche Fragen lassen Interaktion zu und sind mehr als nur Berieselung durch Fotos.“ Schließlich sei die Verweildauer der Nutzer beim ersten Eindruck nur Sekundenbruchteile lang. Danach gingen sie sofort weiter zum nächsten Posting. Was nicht interessiert, verschwindet ebenso schnell vom Bildschirm.

Fehlende Analyse

Wichtig sei auch, die dahinterstehenden Algorithmen zu verstehen, damit die Netzwerke die eigenen Posts bevorzugen und weiteren Nutzern vorschlagen. Das könne irgendwann zum Selbstläufer werden. Mit einem Geschäftskonto („Business Account“) kann man die Profile seiner Nutzer nachverfolgen und analysieren: Welche Leute folgen mir, wo wohnen sie, wie alt sind sie, sind sie männlich oder weiblich. „Wenn man das nutzt, kann man seine potenziellen Kunden gut kennen lernen und gezielt ansprechen, noch bevor sie zu mir auf den Hof kommen. Und auch den Besuch kann ich im Kontext auswerten“, erklärt Kottmann. Die Interaktion auf Social Media erlaube so eine kostengünstige, internationale Marktforschung. Denn: “Wer meinem Account folgt, hat auch Interesse - ob der mich nun persönlich kennt oder nicht. Damit habe ich meine Zielgruppe sehr gut abgesteckt. Man hat also die Chance, sich neue Kundenschichten zu erschließen, die man anders nicht bekommen hätte - und kann diese neuen Interessenten an sein Produkt heranführen.“

Die Karawane zieht weiter

Oft hört man, dass Facebook längst ein Medium für ältere Menschen sei und sich jugendliche Dynamik nur auf Instagram abspiele. Isabel Kottmann sieht das differenziert: „Es gibt schon einen Generationensprung. Viele junge Leute finden Instagram attraktiver. Aber in drei oder vier Jahren sind die dann wahrscheinlich schon wieder auf der nächsten Plattform. Weder ist Facebook tot, wie schon oft behauptet wurde, noch muss Instagram auf lange Sicht die Plattform der Wahl bleiben.“

Zwei Drittel der Instagram-Nutzer weltweit sind laut Isabel Kottmann jünger als 34 Jahre. Das ist normalerweise jenes Alter, in dem das Interesse für Wein erst erwacht und man auch genug Geld verdient, um auch teurere Weine zu kaufen. Sie warnt aber davor, daraus zu schließen, dass diese Altersgruppe keine wichtige Zielgruppe sei. „Das sind zum Teil auch Young Professionals, die ein gutes Einkommen haben und langsam in die Weinszene reinwachsen. Sie sind die Kunden von morgen. Speziell auf Instagram sind viele “Early Adopters”, also Menschen, die sehr früh Innovationen entdecken und selbst nutzen. Vorher waren sie auf Facebook, und jetzt warten sie wahrscheinlich schon auf die nächste neue Plattform. Die Nutzerprofile lassen auf durchschnittlich höhere Bildung und Kaufkraft schießen. Und die haben nicht nur Interesse an Wein. Die kennen sich mit Gin aus, mit Whisky und Rum und allen möglichen nichtalkoholischen Getränken. Aus Untersuchungen von Facebook wissen wir, dass sich dort Millionen Menschen über Wein informieren. Warum sollte das auf Instagram anders sein?“

Der Wein wird nicht in der Flasche geboren

Ist der Zugang dieser Nutzer zu Wein unkomplizierter als bei Älteren? Sollte man sie niederschwelliger ansprechen und gar nicht erst mit Begriffen der 50-jährigen wie Terroir, Herkunft, Mineralität und Ähnlichem langweilen? Isabel Kottmann warnt davor, zu generalisieren. Es würde sich auch aus den jüngeren Followern eine Gruppe herauskristallisieren, die Interesse an diesen Details habe. Auch denen müsse man inhaltlich etwas bieten und sie mit guten Hintergrundinformationen zufrieden stellen. „Manchen muss man vielleicht anfangs schon sagen: Der Wein wird nicht in der Flasche geboren, da macht sich vorher jemand die Hände schmutzig. Wenn das nicht behäbig, sondern locker gemacht wird, findet man auch auf Social Media seine Follower. Wichtig ist die Balance. Es kommt aber auch auf den Betrieb an. Ein Weingut mit großer Tradition, das für Herkunftsweine steht, wird mehr davon für seine Follower bringen als eines, das Markenweine mit stylishem Etikett produziert.“ Aber solche Differenzierungen ließen sich leicht aus den Rückmeldungen der Nutzer herauslesen.

Professionelle Weinkritik bleibt wichtig

Braucht es für die Empfehlungen überhaupt noch Fachleute, die „von oben herab“ diktieren, was gut schmeckt? Oder bedeutet die Demokratisierung des Weines, wenn jeder jeden Wein kommentieren kann und Influencer für ihre Tipps von Produzenten bezahlt werden, das Ende der klassischen Weinkritik? Diese Entwicklung sieht Isabel Kottmann nicht gekommen. Gerade jetzt, wo der Lebensmittelhandel als Absatzkanal an Bedeutung zunimmt, seien seriöse Empfehlungen durch Auszeichnungen und Bewertungen wichtig. Vor allem bei teuren Weinen, die sich nicht einfach probieren lassen – etwa bei der Subskription – müssen sich die Konsumenten auf Experten mit gutem Ruf verlassen, die das Verkostungshandwerk beherrschen. Und schließlich hätten viele bekannte Weinjournalisten und Plattformen sehr viele Follower.

Zusammenfassend meint Isabel Kottmann: „Wenn man global denkt, sind Soziale Netzwerke tolle Medien. Kostengünstig, wenn man jemanden im Haus hat, der das gerne macht und auch die Zeit findet, kreativ zu sein, zu interagieren und die Follower kennen zu lernen. Aber es muss halt authentisch sein.“ Schlechte Inszenierungen gibt’s in der Weinszene mehr als genug. Doch auch wenn “authentisch” inzwischen ein arg überstrapaziertes Wort ist, trifft es doch den Kern: Das tolle Bild allein bringt Weingüter keinen Nutzen. Es muss die Identität der Menschen mit ihren Weinen ausstrahlen. Diese Glaubwürdigkeit lässt sich mit guter Inszenierung transportieren. Doch ohne Identität sind Bilder einfach nur schön. Und verschwinden aus dem Bildschirm.

Fotos: wikimedia commons, Isabel Kottmann

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