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Armenien blickt auf eine Jahrtausende alte Weingeschichte zurück und ist doch für die meisten Weinfreunde ein weißer Fleck auf der Landkarte. Dabei gibt es eine Reihe von jungen Winzern, autochthonen Rebsorten und spannenden Weinen zu entdecken. Anna Burghardt ist in die armenische Weinkultur eingetaucht.

300 Sonnentage pro Jahr, 80 Prozent Gebirge, etwa 17.000 Hekatar Rebfläche und weit über 400 Rebsorten: Es sind beeindruckende Zahlen, mit denen sich Armeniens Weinkultur schon einmal grob umreißen lässt. Vermutlich bedeutender für das Selbstbewusstsein des kleinen Kaukasus-Staates, der an Georgien, die Türkei, Iran und Aserbaidschan grenzt, sind allerdings folgende Fakten: Im Jahr 2007 fanden Archäologen in der Areni-Höhle, unweit des bedeutenden Klosters Norawank im Arpatal, Hinweise auf eine etwa 6.000 Jahre alte Weinkultur. Eine Weinpresse, tönerne Gär- und Trinkgefäße sowie Traubenkerne wurden hier ausgegraben. Damit gilt Armenien heute als eines der ältesten Weinländer der Welt.

 

Aufbruchsstimmung in der Weinbranche

In der Areni-Höhle wurden Zeugnisse der 6.100 Jahre alten armenischen Weinkultur gefunden. In der Areni-Höhle wurden Zeugnisse der 6.100 Jahre alten armenischen Weinkultur gefunden.

Die dortige Weinbranche, ein Zusammenspiel aus Qualitätsbestreben, Vertrieb und Marketing, ist hingegen denkbar jung. Während des Sowjet-Regimes galt Georgien als Weinland schlechthin – „die sowjetische Toskana“ nannte man das Land am Schwarzen Meer –, und georgische Weine haben international längst ihren Platz eingenommen. Armenien hatte man jedoch nach der Gründung der Sowjetunion 1922 die Rolle des Weinbrand-Produzenten zugewiesen. Die Weinbauern sollten sich auf den Anbau jener Sorten konzentrieren, die besonders für die Erzeugung von Weinbrand geeignet waren, darunter Garan Dmak und Kangun. Um Ausbau, Lagerung und andere Kategorien kümmerte man sich nicht.

Mittlerweile ist Armenien zielstrebig dabei, international auf sich aufmerksam zu machen. Die 2016 gegründete Vine and Wine Foundation sieht sich dabei als Zugpferd: Sie will die wichtigsten autochthonen Sorten wie Areni, Haghtanak, Tozot und Voskeat im Ausland bekannt machen, sich um mehr ökologisches Bewusstsein unter den Winzern kümmern, armenische Weine auf den Karten internationaler Top-Restaurants platzieren und den Weintourismus in den fünf Weinregionen des Landes ankurbeln. Demnächst soll es sogar einen deutschen Online-Shop ausschließlich für armenische Weine geben, das Lager dafür befindet sich in Berlin.

 

Rückenwind aus dem Ausland

Die Weinberge der Old Bridge Winery liegen auf rund 1.300 Metern Höhe.Die Weinberge der Old Bridge Winery liegen auf rund 1.300 Metern Höhe.

Was der Branche ebenfalls Rückenwind beschert, sind Impulse aus dem Ausland. Viele Auswanderer kehrten nach erfolgreichen Jahrzehnten in Europa und Übersee in ihre alte Heimat zurück und investierten in neue Weingüter. Französische Fassbinder geben ihren armenischen Kollegen Nachhilfe – gemeinschaftlich finanziert von einigen Winzern, die dann diese kaukasischen Fässer einsetzen. Bemerkenswert ist auch das Engagement der Amerikanerin Veronica Joy Rogov: Sie war Teil eines Furore machenden Gastro-Pop-ups im Restaurant Tsaghkunk in einer ländlichen Investoren-Entwicklungsregion, wo das dänische Noma-Urgestein Mads Refslund tief in die armenische Kochkultur eintauchte. Gemeinsam mit der Leiterin des Armenian Food Lab erkundete er die Wildnis nach Zutaten und baute ein Netz an Produzenten auf. Rogov, geschult in verschiedenen amerikanischen Sterne-Restaurants, sollte für die Begleitung seines temporären Menüs rund um Entenfuß-Kebab, Trockenblumen-Krebssuppe und Lavash-Eiscreme die besten und interessantesten Weine Armeniens zusammentragen. Eine schwierige Aufgabe, wie Rogov erzählt: „Die Vernetzung der Winzer ist mäßig ausgeprägt, ich musste mich mühsam über Empfehlungen teils ausländischer Kollegen und der Winzer selbst vorwärts hangeln.“

Dazu kam, dass Naturweine, die dem Team dieses Restaurants besonders wichtig sind, in Armenien bisher kein großes Thema waren. Fixstarter auf der Liste im Restaurant Tsaghkunk ist daher der Neowinzer Aaron Sedrick Rawlins, ein ehemaliger Koch aus den USA, der heute in Armenien hochklassige Naturweine aus autochthonen Rebsorten erzeugt. Ebenfalls internationales Format, so Veronica Joy Rogov, hätten die Schaumweine von Keush – „ausschließlich aus hiesigen Rebsorten und aus Weinbergen auf 1.750 Metern Höhe“. Der Blanc de Blanc Extra Brut des Vater-Tochter-Gespanns Keush etwa besteht aus Voskeat und Khatouni, der Extra Brut Rosé zu 100 Prozent aus Areni-Trauben.

 

Kultsorte mit Starpotential

Bei Trinity Canyon Vineyards setzt man auf naturnahe Weinproduktion. Links Besitzer Hovakim Saghatelian, rechts der verantwortliche Winzer Artem Parsegian.Bei Trinity Canyon Vineyards setzt man auf naturnahe Weinproduktion. Links Besitzer Hovakim Saghatelian, rechts der verantwortliche Winzer Artem Parsegian.

Um das Stichwort Areni kommt man übrigens nicht herum, wenn es um armenischen Wein geht. Er gilt als Star unter den Rebsorten. „Vergleichbar mit Pinot Noir, nur farbintensiver“, beschreibt es Varuzhan Mouradian, Besitzer des Weinguts Van Ardi in der Provinz Aragazotn im Westen Armeniens, unweit der Hauptstadt Jerewan. Areni hätte es verdient, als eine der edlen Rebsorten (Cépages nobles) geführt zu werden, meint er. Mouradian ist einer jener Unternehmer, die im Ausland zu Geld gekommen sind und nach Armenien zurückkehrten, in seinem Fall mit Frau und vier Kindern. Seine Weinberge liegen auf über 1.000 Metern Höhe und wurden auf brachliegenden vulkanischen Boden gepflanzt. Sie genießen aufgrund der Lage warme Tage und kühle Nächte und werden biologisch bewirtschaftet. Von einem eigens errichteten Glockenturm hat man den Ararat im Blick, den Kultberg der Armenier, auch wenn er sich heute auf türkischem Boden befindet. Die Rebstöcke hören hier Jazz und an Sonntagen spirituelle Lieder, die Produktionshalle wird jeden Tag mit ruhiger Musik geflutet. „Musik hat einen Einfluss auf Wasserbewegungen, und Wasser gibt es in den Weinbeeren reichlich“, sagt Mouradian überzeugt. Nicht weit von Van Ardi entfernt präsentiert sich ein anderes Weingut mit angeschlossenem Museum eher als Ausflugsziel für Touristen: Bei Armenia Wine hat man den Reben mit terracottafarbener Monumentalarchitektur ein weithin sichtbares Denkmal gebaut.

 

Amphorenweine und süße Würste

Ein Weingut mit monumentaler Architektur als Ausflugsziel: Armenia Wines.Ein Weingut mit monumentaler Architektur als Ausflugsziel: Armenia Wines.

Ganz anders das eigenwillige Weingut Trinity Canyon Vineyards in der Provinz Wajoz Dsor im Süden des Landes. Hier wird zum Teil biodynamisch gearbeitet und es werden Orange Wines produziert. Für die Maischegärung, auf die man in Armenien, anders als in Georgien, nicht so häufig trifft – verwendet man die für die Region typische weiße Rebsorte Voskeat. Die Trauben für den „Voskeat Ancestors“ liegen fünf Monate lang in Karas, den armenischen Amphoren, auf der Maische. Neben animalischen Aromen sind eindeutig Weihrauchnoten auszumachen. Der „Areni Ancestors“ 2018 wird aus Areni-Trauben von hundert Jahre alten Rebstöcken vinifiziert, die auf 1.450 Metern Höhe wachsen.

Auch dieser Wein wurde in Karas vergoren, die im Boden eingegraben sind. Dessen Aromaprofil mit schwarzen Beeren und pfeffrigen Noten ähnle einem guten Gamay, sagt der verantwortliche Önologe Artem Parsegian, der in Montpellier und Geisenheim studiert hat. Was einen Besuch bei Trinity Canyon Vineyards so besonders macht, ist neben der ausgefallenen Persönlichkeit des Besitzers Hovakim Saghatelian und den ausdrucksstarken Weinen die Qualität des zur Verkostung gereichten Essens: Die in Armenien allgegenwärtigen süßen Würste aus Walnüssen und eingedicktem Traubensaft werden hier ohne Zusatzstoffe wie Gelierzucker selbst hergestellt. Das dunkle, pumpernickelartige Brot stammt aus dem eigenen Ofen, das in Butterschmalz konservierte Rindfleisch ist ebenfalls hausgemacht. Zum Weingut gehört auch die Weinbar In Vino in Jerewan, die nach eigenen Aussagen einzige Weinbar des Landes, die neben italienischen, österreichischen und anderen Flaschen eine große Auswahl an armenischen Weinen führt.

 

Eine neue Weinkultur entsteht

Varuzhan Mouradian hat nach Jahrzehnten in Kalifornien das Weingut Van Ardi gegründet.Varuzhan Mouradian hat nach Jahrzehnten in Kalifornien das Weingut Van Ardi gegründet.

Zur heutigen Identität Armeniens gehört nicht zuletzt das Urbarmachen von Flächen, auf denen nie zuvor Wein gewachsen ist.

Davon kann man nicht nur bei Van Ardi ein Lied singen, sondern auch auf dem Familienweingut Old Bridge Vinery in Jeghegnadsor, ebenfalls in der südlichen Provinz Wajoz Dsor.

Seit 1998 baut man dort am rechten Ufer des Flusses Arpa auf rund 1.300 Metern Höhe Wein an, hauptsächlich die Rebsorten Areni, Voskeat und Kakhet. Der Boden: sandig, steinig, wüstenartig. Er wurde wie die armenische Weinkultur im wahrsten Sinne zu neuem Leben erweckt.

Anna Burghardt ist Foodjournalistin in Wien. Sie ist Stellvertretende Chefredakteurin beim Magazin „Schaufenster“ der Tageszeitung „Die Presse“ und schreibt außerdem für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die „Neue Zürcher Zeitung“ und „A la Carte“.
Alle Fotos © David Egui

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