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In Paris hat sich der Trend zum offenen Wein durchgesetzt: Auf ein Glas zum “Caviste” vor dem Restaurantbesuch gilt längst als schick. Neo-Bistros setzen zudem vor allem auf Naturweine junger Winzer. Anke Sademann hat lange in Paris gelebt. Hier kommen ihre persönlichen Geheimtipps für Weinfans.

Von oben betrachtet, sehen die Trottoirs und Terrassen der Pariser Boulevards mit ihren Seitenstraßen aus wie asphaltierte Flüsse, an deren Ufern sich Brasserien, Cafés, Weinläden und Restaurants reihen. Neben Touristen aus der ganzen Welt sitzen hier vor allem Anwohner aus der Nachbarschaft in den 20 Pariser Arrondissements. Sie lieben es, vom Trottoir aus das Straßenleben zu beobachten – man isst, trinkt und spricht gerne über das, was man isst und trinkt. Das Mobiliar wirkt dabei oft wie aus alten französischen Filmen. Denn in Paris haben Savoir-Vivre und lässiger (Wein-)Genuss längst Geschichte geschrieben.

 

Vinophile Gewohnheiten der Einheimischen

Wo und wie trinkt man Wein in Paris? Am besten beim Picknick am Seine-Ufer direkt auf dem Straßenpflaster, im Café oder im Stammlokal mitten im Quartier. Nach - oder zwischen - der Arbeit ins Restaurant, Bistro oder in eine Weinbar zu gehen, ist für viele Bewohner längst zum alltäglichen Ritual geworden. Doch seit einiger Zeit trinkt man auch einen „Schluck“ („gorgée“) als Wein-Apéro in der Weinhandlung seines Vertrauens. Diese als „Keller“ („caves“) betitelten Weinläden bieten nicht nur eine formidable Beratung, sondern inzwischen auch häufig offenen Ausschank samt kleiner Degustationen.

 

Anke Sademann
 

Auf ein Glas – oder mehr…

Einer dieser Gastgeber ist Thierry Guemas, der nach 25 Jahren im Weinhandel vor drei Jahren in der Rue Saint-Dominique im 7. Arrondissement sein Vino Sapiens eröffnet hat. Zur ehemaligen Schusterwerkstatt aus der Jahrhundertwende mit nur sechs Sitzplätzen, Kellergeruch und Lagerfläche ist der frühere Käseladen von nebenan als „Trinkstätte“ hinzugekommen. Nur wenige Schritte vom Eiffelturm entfernt, bleibt der Wein hier bezahlbar und kann flaschenweise zum Ladenpreis mit nach Hause genommen werden. 98 Prozent der Weine kommen aus Frankreich, vorzugsweise aus dem Burgund. „Hier ist in einem kurzen Straßenabschnitt ein urbanes Weindorf mit treuen Gästen entstanden“, erzählt Thierry. Der Ort ist so menschlich-warm, weltoffen und voller „vinebration“ wie früher die echten Pariser Bistros. Man kommt sofort ins Gespräch – und regelmäßig stellen Thierrys Winzer ihre Weine mit Masterclasses vor. Der Patron ist froh um die neue Winzergeneration, die nach seiner Ansicht über “eine feinere Zunge für die Vinifikation” verfügt. Um 22 Uhr macht Thierry seinen „Cave“ dicht: Hierher kommt man, um ein gutes Glas vor dem Gang ins Restaurant zu genießen.

 

Anke Sademann
 

Käsekultur und Bistronomie

Wein und Käse gehören in Frankreich zusammen. Eine riesige Auswahl gibt es im Monbleu, einer Synergie aus „fromagerie“ (Käseladen) und Restaurant. Viele nur tagsüber geöffnete Feinkostläden stehen für einzelne Regionen und bieten auch den passenden, offenen Wein mit Lokalkolorit – wie das familiär geführte Maison Tête – Comptoir Gascon, das ausschließlich Brotaufstriche nach Geheimrezeptur sowie Weine aus der Region Gers anbietet. Zur Enten-Paté passt bestens der leicht restsüße, mineralische L’Eté Gascogne 2021 von der Domaine de Pellehaut. Schon länger im Trend liegt die Bistronomie: kleine, schnelle, gute Gerichte in zwangloser Atmosphäre. Diese Food-Wein-Kultur lebt von ehemaligen Grands Chefs, die das Tragen von Sternen und anderen klassischen Etiketten müde geworden sind und sich nun in volksnäherem Rahmen selbst verwirklichen. Eine Urzelle dieser Bewegung ist das Viertel rund um die Rue Oberkampf im 11. Arrondissement, wo sich Refugien wie das Châteaubriand etabliert haben.

 

Anke Sademann
 

La Traversée: Von Freunden für Freunde

Ebenso lässig und zwanglos ist die Neo-Bistronomie. Diese hippe Gastro-Variante zelebrieren junge Gastronomen wie Benoît Jésupret und Antoine Legrand im La Traversée. Die „Bar für Freunde“ in der Rue Ramey liegt nahe der Butte de Montmartre. Passend zum Namen kommt „von schräg gegenüber“ ein junges Publikum, das hier eine international interpretierte Küche mit französischen Produkten genießt. Benoît serviert zu Antoines Vorspeisen wie leicht frittierten Mini-Artischocken mit Parmesan und Aioli ausschließlich biodynamisch produzierte Naturweine von (trüb-)weiß über orange (als Apéro) bis hellrot. Kleine Weingüter aus dem Languedoc, von der Loire und aus dem Elsass füllen hier die Gläser. „Die haben mehr Freiheit zu experimentieren, und wir geben unseren Gästen die Wahl jenseits des klassischen Pairings“, erklärt Benoit, während er „Energie" einschenkt. Der reinsortige Syrah “Cosmoculture” von der Domaine Viret kommt von der südlichen Rhône und ist pure Biodynamie.

 

Anke Sademann
 

Aux Deux Amis: Naturwein-Pioniere

Im Aux Deux Amis servieren der quirlige David Loyola und sein Kompagnon Sylvain Lavigne bereits seit 15 Jahren ausschließlich Bio- und Naturweine aus Frankreich, Spanien, Österreich und Deutschland in ihrer Weinbar mit „Speisekeller“ („Cave à Manger“). Den haben sie charmant den Namen „Kantine plus-plus“ gegeben . An Lässigkeit kaum zu überbieten, lässt David die hellrot-fruchtige Grenache-Cinsault-Cuvée Salve Ager 2020 von der Domaine Mont de Marie (Thierry Forestier) im Glas kreisen. Auf dem Quittungsblock ist in Schönschrift das aktuelle Tagesmenü mit „tapassiettes“ (Tellern mit Kleinigkeiten) aufgeschrieben.

 

Anke Sademann
 

Nellu: Mediterraner Kosmos

Sommelier Riccardo Pattaro von der edel-minimalistisch anmutenden „Gastro-Wine Bar“ Nellu, nahe der Île St. Louis, serviert seinen Gästen nur „präzise und elegant gereifte, europäische handwerkliche Weine“. Bei der Auswahl setzt der in Valencia geborene Italiener moderne Akzente. Zur rohen Langustine mit cremiger Mango-Bisque und Apfel-Emulsion aus der „kosmo-französischen“ Küche von Clément Vergeat empfiehlt er den spanischen Chiguita Rioja Blanco 2022 der japanisch-stämmigen Winzerin Jade Gross.

Riccardos Credo: 80 Prozent der Weine stammen nicht aus Frankreich, sie sind mediterrane Europäer. Der lange gereifte, sehr runde slowenische Orange-Wein Rebula 2018 von Klinec mit Aromen von getrockneten Aprikosen bietet zum Kabeljau mit Sauce Barigoule und Pickles ebenso viel Trinkfreude wie zum Mimolette-Käse und zum Dessert, einer auf den Teller gemalten Hibiskus-Génoise mit Yuzu-Creme.

 

Anke Sademann
 

Mamagoto: Interkontinentale Fusion

Die Pariser Esskultur ist ein Potpourri der Kulturen und Fusionen. Junge Gastronomen verlassen die Stadt und holen sich Input aus der Welt – oder die Welt kommt zum „französischen Kochen nach ihrer Façon“ nach Paris. Das lässt sich im Mamagoto gegenüber einer alten Markthalle im 10. Arrondissement erleben. Hier präsentieren Thomas Loustau und Koji Tsuchiya die Symbiose des Japanisch-Französischen. In ihrem Neo-Bistro surfen sie auf der Welle der Sharing-Teller. Koji kocht ebenso puristisch, präzise und produktbasiert wie künstlerisch. Stringent ist auch die zu 98 Prozent französische Bio-Naturweinbegleitung von wenig bekannten Produzenten. Die kommen persönlich wie gute Freunde vorbei und stellen ihre Weine vor. Zu Kojis Ceviche von der Dorade mit grüner Zitrone und dem Rot von Shizu und Kirschen harmoniert der Poil de Lièvre 2022 von Calvez-Bobinet.

Den meist internationalen Gästen, die oft auf der Durchreise vom nahen Gare du Nord hierher kommen, muss man die ungefilterten Naturweine mit ihrem erdverbundenen Purismus erst näherbringen. Gleich neben Thomas’ Schallplattensammlung hat er sein Naturwein-Repertoire stolz wie in einer Kunstgalerie arrangiert. So wie auf den Etiketten poetische und politische Botschaften oder QR-Codes mit Musik-Playlists der Weinmacher stehen, sind auch die Weine selbst Botschafter des neo-vinophilen Habitus’ in Paris.

 

Anke Sademann
 

Listicle

Nellu – Gastro-Winebar 5 Rue du Pont Louis-Philippe, 4.Arrondissement

Elegante, moderne Genuss-Enklave nahe der Ile St. Louis. Der italienische Sommelier Riccardo Pattaro lädt auf eine un-französische Reise mit raren Craft Wine-Positionen quer durch Europa ein. Raffinierte Aromen-Küche mit hauseigener Fermentation. Die Weine können auch gekauft werden.

A Lot of Wine - Caviste & Weinbar 54 rue de l'Hôtel de ville, 4.Arrondissement

Im “A Lot of Wine” gibt’s gemäß seinem Namen genau das: eine große Auswahl an Vins d’Artisans. Die Weine im Glas lassen sich sehr lässig im Weinladen oder draußen auf der Weininsel-Terrasse genießen.

Le Bon Georges 45 rue Saint-Georges, 9.Arrondissement

In diesem sehr pariserisch ummantelten Jugendstil-Bistrot steht der Wein vor der Speise. Große Weingüter und kleine Domaines aus allen Territorien verbinden sich auf der gut sortierten Karte bestens mit köstlicher bistronomischer Feinküche. Man mag lange verweilen.

Mamagoto – Japanisch-Französisches Néobistrot 5 rue des petits Hotels, 10.Arrondissement

Thomas Loustau und Koji Tsuchiya spielen im Mamagoto die Food- und Weinkarte in ebenso präziser wie kreativer Form aus. Auf den Sharing-Tellern: cosmo-französische, aber „japanisch gekochte“ Gerichte mit viel Aromen-Kultur. Fancy Naturweine von kleinen Winzern. Musik vom Plattenspieler. Vis à vis ist eine typische Pariser Markthalle.

Vino Sapiens – Cave mit Dégustation und Masterclass 145 rue Saint Dominique, 7.Arrondissement

Viel Knowhow und wenig Prätentiöses: Der erfahrene Caviste und Sympath Thierry Guemas kennt zu jedem Wein eine schöne Geschichte. Große Auswahl französischer Weine können im Laden, im „Terroir-Museum“ oder auf der Weininsel gekostet werden. Ein junges, gut geschultes Team unterstützt den „Wein-Partisanen“. Fußläufig zum Eiffelturm, Weinausschank bis 22 Uhr. Dazu gibt’s Winzer-Masterclasses auch auf Englisch.

Les Climats – Sterne-Paradies für Burgund-Weine 41 rue de Lille, 7.Arrondissement

Sternerestaurant für Fans von Weinen aus dem Burgund: 200 offene Positionen, auf der Karte über 3.000 Referenzen „de Bourgogne. Offene Gasträume mit wunderschönem, teilweise handgemaltem Originaldekor mit Mosaik und Marmor d’Estours aus der Jahrhundertwende. Eine Schmuckschatulle voller wehmütiger Nostalgie. Grande Carte.

Monbleu – Fromagerie & Resto-Vin 37 rue du Faubourg Montmartre, 9.Arrondissement

Üppig bestückte Käsetheke (Fromagerie) und Restaurant mit Spezialitäten, dazu einen guten Wein – französischer kann diese Symbiose nicht sein. Vom Rohmilchkäse bis zum „Blauen aus den Bergen“ kombiniert man ein gut selektioniertes Spektrum an Weinen, die sich mit den weichen und harten Exponaten aus der großen Schauvitrine vermählen.

Maison Tete – Le Comptoir Gascon – Feinkostladen & Degustation 20 Rue Cadet, 9.Arrondissement

Seit 1986 bietet der familiär geführte Spezialitätenladen als Cantine und Atelier vor allem Enten-Pasteten und Aufstriche in vielen Geschmacksvariationen aus dem okzitanischen Gers im Südwesten Frankreichs. Die begleitenden Weine stammen ausschließlich aus dieser Region. In Paris findet jedes französische Anbaugebiet eine eigene kulinarische und vinophile Bühne.

Aux Deux Amis - Bar à Vin und Cave à Manger 45 rue Oberkampf 11.Arrondissement

Beliebtes Wein- und Speise-Bistro in orange-gelbem 60er-Jahre-Look im Herzen des Quartier Oberkampf. Täglich wechselnde „Tapas Bistronomiques“ - kleine Teller zum Teilen mit Freunden. Pionier David Loyola ist seit 15 Jahren auch der beste Freund seiner Naturweine.

Chateaubriand – Urzelle der Bistronomie 12 Avenue Parmentier, 11.Arrondissement

Weltoffenheit und Nonkonformität versus erstarrtem Traditionalismus: Hier residiert der Pionier und die Keimzelle der Bistronomie. Das Single-Set-Menue des baskischen Chefs und Bistronomie-Initiators Iñaki Aizpitarte wird in einem original 30er-Jahre Interieur im Néo-Rétro-Stil serviert. Naturweine von unabhängigen Winzern. Hochpreisig, aber sehr köstlich. Unbedingt reservieren.

Sémélé 75 rue Sedaine, 11.Arrondissement

Femininer Wein: 80 Prozent der Natur-, Bio- und biodynamischen Weine beim Caviste Mathieu Levy sind von Frauen vinifiziert worden. Er hat sie alle besucht und stellt ihre feinen Tropfen im Rahmen von Quiz-, Käse- und Schokoladen-Verkostungen in seinem Weinladen Sémélé (sich einmischen) vor. Geöffnet von 11- 20 Uhr.

Clown Bar – Bistrot 114 rue Amelot, 11.Arrondissement

Die Clown Bar ist ein denkmalgeschütztes, kleines Bistrot in der ehemaligen Bar des Cirque d’hiver. Die grinsenden Keramikfiguren begutachten die bistro-authentische Küche des japanischen Küchenchefs. Große Auswahl an Naturweinen. Charmante Lage im Herzen des Marais.

Foldero – Wein und Eis 10 rue du Grand Prieuré,11.Arrondissement

„I scream, you scream, we all scream for wine“, lautet das Credo von Jessica Yang und Robert Compagnon. In diesem angenehm minimalistischen Etablissement wird die exotische Symbiose von Eis und Naturwein zelebriert. Sommelière Amanda Philip wählt rare Weine zu cremigen Eisvariationen aus. Das stimmt nicht ganz: Denn tagsüber gibt’s Eis und erst abends den Wein.

La Traversée – Neo-Bistronomie für Freunde und Nachbarn 2 rue Ramey, 18.Arrondissement

Neo-Bistronomie am Fuße von Montmartre im nördlichen Stadtteil von Paris. Das „Salle & Cuisine-Duo“ Benoit Jesupret und Antoine Legrand serviert eine international interpretierte Light-Küche ohne Pairing-Allüren. Naturweine von jungen Winzern. Konzerte am Mittwoch. Great, smart, casual!

Mob House und Feuille de Chou - Hotel, Bistrot-Cantine, Weinbar 70 rue des rosiers in St Ouen, 18.Arrondissement

Bio-zertifizierter Dreiklang aus Design-Hotel, (Wein-)Bar und dem Cantine-Bistrot Feuille de Chou, das bodenständige Bistroküche interpretiert. Die stylisch konzipierte Hotelanlage mit Minipark-Oase liegt gleich neben dem großen Flohmarkt von St Ouen fürs nachhaltige Vintage-Shoppen.

Weinmuseum von Paris mit Restaurant 5 Square Charles Dickens

Im imposanten Kellergewölbe der Abbaye de Passy befindet sich das Weinmuseum von Paris. In den Gewölben aus dem 15. Jahrhundert finden Weinproben, Önologie-Kurse oder Themenabende statt. Das Restaurant befindet sich im Gewölbe.

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