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Pinot Meunier ist das vergessene Stiefkind der großen Champagner-Sorten. Erst die Trends zu individuellen Jahrgangs- und Winzer-Champagnern haben neues Interesse geweckt. Doch um ihn zu probieren, müssen Weinfans lange suchen. Matthias Stelzig hat zwei Meunier-Überzeugungstäter getroffen.

Pinot Meunier steht zwar auf Platz zehn der meist angebauten Sorten in Frankreich, wird von den Champagner-Winzern aber nur selten erwähnt.

Doris Schneider, Julius Kühn-Institut (JKI)

Éric Taillet sagt erstmal nichts. Die Gläser sind eingeschenkt. Sobald die ersten Aromen aus dem Verkostungsglas in der Nase auftauchen, überschlagen sich die Gäste schon mit Lob. Alle jubeln vom samtigen Gefühl auf der Zunge, der weichen, cremigen Textur und dem vollen Körper des Weins. Bei Champagner sind solche Reaktionen allerdings an der Tagesordnung. Doch diesmal ist alles anders. Denn der "Exclusiv’T" im Glas ist ein reinsortiger Pinot Meunier, produziert in Taillets Weingut in Baslieux-sous-Châtillon nordwestlich von Épernay. Die Grundweine stammen von 45 Jahren alten Rebstöcken, wurden 2014 geerntet und mit einem Teil Reserveweinen cuvetiert.

Oft dominieren im Pinot Meunier exotische Fruchtaromen, hier aber nicht. Mineralische Töne sind deutlich am mittleren Gaumen spürbar, dazu rote Beeren und viel Frische. „Das macht die Säure“, erklärt der Winzer. Davon hat Pinot Meunier nämlich reichlich und hält auch den 2014-er überraschend frisch.

Die Sorte ist uralt. Schon im Jahr 1500 wurde sie in der Champagne zum ersten Mal erwähnt. Damals wusste aber niemand, dass sie eine Mutation des Pinot Noir ist. Unempfindlich gegen Winterfröste und so manche Krankheit, treibt sie spät aus, reift früh und liefert ansehnliche Erträge. Das machte sie lange zur meist gepflanzten Sorte der Champagne. Trotzdem schaffte sie es nie, aus dem Schlagschatten der Superstars Chardonnay und Pinot Noir zu kommen.

 

Eric Taillet gehört zu den wenigen Winzern, die Champagner reinsortig aus Pinot Meunier produzieren. Seine Reben sind bis zu 45 Jahre alt.

Champagne Eric Taillet

Meunier-Champagner reift hervorragend

„Ich liebe Pinot Meunier,“ sagt Éric Taillet, „denn er ist ein runder Wein, er hat Charakter und Körper.“ Die sortentypischen Aromen von Aprikose, Pfirsich und Zitrusfrüchten sind für ihn nur eine "oberflächliche Wahrnehmung. Dieser Champagner entwickelt sich im Glas, man kann ihn zudem hervorragend zum Essen trinken“, schwärmt er. Aus dieser Liebe für die Sorte hat er mit seinem Freund Pierre-Yves Bournerias sogar das Meunier-Institut gegründet. „Als ich studierte​, wurde mir beigebracht, dass Pinot Meunier simple, kurze Weine mit niedrigem Alterungspoten​zial ergibt. Was war ich überrascht, als ich Pinot Meuniers aus den 1970er-, 60er- und 50er-Jahren probierte, die immer noch voller Leben sind."

Die Erfahrungen des Önologen lassen sich durchaus verallgemeinern. Noch bis vor einiger Zeit bekam man von Champagne-Winzern auf die Frage, was den Pinot Meunier in der Cuvée ausmacht, oft nur die knappe Antwort „frische Frucht, Körper und Fülle.“ Etwas in dieser Art, aber nicht mehr. Weinfans und Journalisten waren sich einig: Pinot Meunier taugt nicht viel. Winzer Taillet berichtet von der Dominanz, den Chardonnay und Pinot Noir in der Region ausüben: Prägend sei die überall gelobte Mineralität und das Brioche-Aroma des Chardonnays, die Struktur und die zauberhaften Waldbeeren im Pinot Noir. Dieses Profil war lange Zeit angesagt. Schaumwein-Erzeuger in Kalifornien, Australien oder Südafrika, die mit ihren eigenen Weinen vom Champagner-Hype profitieren wollten, ließen den Meunier oft gleich ganz weg.

 

Schwarzriesling = Pinot Meunier

Als aber Jahrgangs-und Winzer-Champagner in Mode kamen, wurde Individualität das Wichtigste. So wurde der rote Schwarzriesling neu entdeckt. Schwarzriesling? Viele Weinfreunde, die den leichten Roten aus Württemberg einschenken, wissen weder um das Synonym, noch darum, dass aus der nur regional bekannten Sorte unter dem Namen Pinot Meunier weltberühmter Champagner produziert wird.

Heute steht er auf der Liste der meist angebauten Sorten Frankreichs zwar auf Platz zehn, erscheint aber fast nie auf dem Etikett. Bei den großen Namen bildet vor allem Krug mit seiner Grande Cuvée die Ausnahme. „Unter den Weinen des Jahres 2006 stechen die Pinot Meuniers besonders hervor”, lobt deren Kellermeisterin Julie Cavil, „während die Chardonnays nicht ihre übliche Ausdrucksstärke zeigten.“ Selbst beim Grande Cuvée 1998 preist sie noch dessen „angenehme Frische“.

„Die Böden des Marne​-Tals sind optimal für die Sorte geeignet“, erklärt Éric Taillet. Anders als die Côte des Blancs, der Heimat des Chardonnay, und der Montagne de Reims, die als bestes Terroir für Pinot Noir gilt, liegt über den Böden des Marnetals aus Kalk, Feuerstein, Mergel und Ton eine Schicht Lehm. “Der tut der Sorte sehr gut“, hat Taillet schon vor langer Zeit herausgefunden. Ebenso der Kalk. Zudem neigt der Pinot Meunier nur wenig zu Chlorose, die oft auf Kalkböden auftritt. Viele der Nordlagen dort sind feucht und so kalt, dass es mit Chardonnay und Pinot Noir nicht weit her ist.

 

Der Pinot Meunier von Château de Marzilly wächst in der nördlichsten Region der Champagne.

M. Ullens, Château de Marzilly

Der König des ruppigen Champagne-Klimas

Trotzdem mussten viele Winzer die Sorte erst wiederentdecken, mitsamt ihrem Terroir. Einer von ihnen ist Maxime Ullens. 2012 begann er als Architekt, das Château de Marzilly aus dem 12. Jahrhundert zu restaurieren, das seit Jahrzehnten verfiel. Dazu gehört ein kleiner Weingarten und ein Wäldchen, in dem noch ein paar Uralt-Reben an den Bäumen rankten. Ein paar Jahre später war Ullens der Schlossbesitzer mit abgeschlossenem Önologie-Studium an der Universität Avize.

Zu behaupten, Maxime Ullens und seine Ehefrau Anna hätten jeden Stein umgedreht, stimmt hier aufs Wort. Marzilly in Hermonville ist der aller nördlichste Zipfel der Champagne. Wir stehen auf einem Berg, auf dem der Wind von zwei Seiten weht“, erklärt Ullens, “Vor dem Klimawandel war es hier recht ruppig. Pinot Meunier war König, allerdings eher für Rotwein.“

 

Winzer-Märchen mit 205 Liter-Fässern

Die Ullens durchforsteten Archive, alte Bücher, machten Bodenanalysen – und fanden heraus, dass Pinot Meunier sehr gut mit diesem Klima zurechtkommt, „und auch die sandigen Böden sind das Richtige für die Sorte“. Sie steckten Lagen ab, darunter die historische Clos de Marzilly als emblematische Einzellage. Der Rest liest sich wie ein Winzer-Märchen: Der erste neu gegründete Betrieb in der Region seit 2000 verzichtet auf Maschinenarbeit. Stattdessen gibt's Biodynamie und ein Pferd im Clos. Dazu Stöcke mit schwarzen französischen Bienen und ein paar Hühner der historischen Rasse Faverolles française, „um die Bodengesundheit zu stimulieren“, erzählt Ullens.

Ausgebaut wird der Wein in traditionellen 205-Liter-Fässern, die ebenfalls schon fast verschwunden waren, weil die heutige Weinwelt ihre Barriques in der Bourgogne fertigen lässt. Das Winzerpaar arbeitet dagegen mit einer lokalen Tonnellerie. Sie hat die ersten Eichen aus dem eigenen Wald für die beiden verarbeitet.

Gepresst werden die Trauben, nach Lagen getrennt, in einer uralten Korbpresse, die erst mit Eichenstäben aus dem Schlosswald restauriert werden musste. „Wir machen keine Bâtonnage, sondern warten, bis die Hefen absinken“, berichtet Max Ullens. Danach langes Fasslager, „das lässt die Weine das frische Holz verdauen“, darauf folgt die Flaschenreife, selbstredend handgerüttelt. Keine Dosage, kein Schwefel, keine Filterung. „Manchmal haben wir ein ganz feines Depot. Das nehmen wir in Kauf", sagt er und lächelt.

Im LPM, die Abkürzung steht für den früheren Namen "La petite montagne", findet sich keine Spur der üblichen exotischen Früchte im Pinot Meunier. Stattdessen verströmt der hell kupferfarbene Wein eine kräutrige Würze, Noten von Bratapfel und Minze. „Ist nicht ganz einfach zu trinken“, sagt Ullens ein bisschen stolz. Die Meunier-Säure gibt dem Wein viel Spannung, weißer Pfeffer und andere scharfe Gewürze melden sich. Die feine Perlage ist das Ergebnis der langen Lagerung, es meldet sich Salzigkeit, die fast nicht mehr überrascht. Insgesamt ein Champagner mit beachtlich viel Finesse und immer neuen Aromen-Schichten. Wenn doch nur alles so einfach zu trinken wäre wie dieser LPM, der eindrucksvoll zeigt, wie viel Pinot Meunier außer “frische Frucht, Körper und Fülle" tatsächlich zu bieten hat.

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