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Innovation und Tradition - Aufsteiger und Pioniere

Für viele Experten ist die Metamorphose des sizilianischen Weins stark mit dem Namen Planeta verbunden und das in zweierlei Hinsicht. Erstens weil Senior Diego Planeta als Präsident von Settesoli und vor allem in seiner Zeit als Präsident des regionalen Weinbauinstituts „Istituto Regionale della Vite e del Vino” (1985-1992) durch seine weitsichtige Politik maßgeblichen Anteil an der so wichtigen Mentalitätsänderung beigetragen hat. Er schwor die Rat suchenden Weinbauern genauso wie seine Settesoli-Genossen auf ein striktes Qualitätsprogramm in Weinberg und Keller ein und forcierte die empirische Forschung. Das Institut führte selbst unzählige Experimente mit internationalen und autochthonen Rebsorten in den verschiedensten Lagen durch. Die positiven Ergebnisse eröffneten vielen Winzern eine völlig neue Perspektive und leisteten einen wichtigen Beitrag zur Qualitätswende des sizilianischen Weinbaus.

Und zweitens entstand mit dem von Alessio, Santi und Francesca geführten Weingut der vielleicht avantgardistischste Betrieb der letzten 10 Jahre auf Sizilien, der mittlerweile Weltruf genießt. Mitte der Achtziger begann Alessio mit experimentellen Anpflanzungen mit dem Ziel, Top-Qualitätsweine zu produzieren. Der kometenhafte Durchbruch gelang schon 10 Jahre später. Zunächst mit den Flaggschiffen aus internationalen und zunehmend mit heimischen Sorten. Die am idyllischen See „Lago di Arancio” gelegene Cantina nahe Menfi heimste einen Preis nach dem anderen ein. Für den „Wine Spectator” (2002) gehört die Cantina zu den besten 100 Weingütern der Welt. Und der „Gambero Rosso” kürte den Betrieb schon 1999 zum „Besten Weingut des Jahres”.

Die Cantina von Planeta am Lago di Arancio im Ulmo bei Menfi


Mit dieser begehrten Auszeichnung wurde 2003 ein weiterer sizilianischer Shootingstar prämiert - das Weingut Cusumano aus Butera, in der Nähe von Palermo. Während es noch vor wenigen Jahren in keinem führenden Weinguide zu finden war, gehört es heute zur sizilianischen Spitze. Der sortentypische, reintönige „Sàgana” zeigt eindrucksvoll, dass der Lokalmatador neben den beiden Nero-d’Avola-Blends „Bènuara” (mit Syrah) und „Noà” (mit Merlot und Cabernet Sauvignon) allemal seinen festen Platz in der Spitze des durchgehend guten und erschwinglichen Programms dieser jungen, rasant wachsenden Kellerei hat.

Immer mehr Betriebe folgen dieser auf konsequente Innovation und Qualität setzenden Philosophie, und das Resultat kann sich heute schon sehen lassen: Sizilianische Weine belegen mittlerweile Spitzenplätze in den Wein-Rankings. Bekamen 1999 gerade mal 5 Weine aus Sizilien die Drei-Gläser-Höchstauszeichnung des „Gambero Rosso”, so sind es in der jüngsten 2005er Ausgabe schon 15 - darunter befinden sich 6 reinsortige Nero d’Avola, zwei weitere als Blends. Auch bei den anderen italienischen Weinführern erhalten die „Sizilianer” Höchstnoten. „Duemilavini” etwa, der Weinführer der Italienischen Sommelierunion A.I.S., vergibt an 13 Sizilianern die Fünf-Trauben-Höchstauszeichnung.

Unter den jüngsten Aufsteigern finden sich Namen wie beispielsweise Firriato oder das Zonin-Weingut Feudo Principi di Butera. Beide glänzen mit den jüngst prämierten reinsortigen Drei-Gläser-Weinen „Harmonium” und „Deliella”. Wie bei vielen der genannten Top-Weingüter lohnt sich bei Firriato auch ein Blick auf die oft sehr preiswerten Weine der zweiten Reihe wie etwa dem „Chiaramonte” oder dem mit Syrah assemblierten „Santagostino Baglio Soria Rosso”. Aber auch hierzulande nicht so bekannte Betriebe bringen hervorragende Nero-d’Avola-Kollektionen reinsortig oder als Blend für oft kleineres Geld in die Flasche: So beispielsweise die auch für ihren „Litra” (Cabernet Sauvignon) bekannte Abbazia Santa Anastasia, Fatascià oder Gulfi mit ihrem jeweils anders schmeckenden Nero d’Avola bester Cru-Lagen in Pachino. Und auch fast ausschließlich Trauben zukaufende Betriebe wie Maggio Vini ( „Amongae”) oder kleine Familienbetriebe wie Curto (u.a. „Eloro Curto Rosso” aus der Pachino-Gegend) zeigen, dass guter Nero d’Avola nicht teuer sein muss. Dazu kommen neben den bereits erwähnten eine Reihe bedeutender Betriebe wie beispielsweise Spadafora, Valle dell’Acate, Benanti, Calatrasi, Rapitalà, Fazio Wines, Rallo, Pellegrino sowie die schon immer für hohe Qualität bekannten Weingüter des alteingesessenen sizilianischen Landadels, Tasca d’Almerita und Duca di Salaparuta. Letzteres Gut brachte mit seinem „Duca Enrico” als eines der ersten einen reinsortigen Nero d’Avola auf die Flasche. Dieser durfte gerade ein großes Drei-Gläser-Comeback in seiner sehr gelobten 2001er-Version feiern. Mit ihren weltweit bekannten Marken „Regaleali” und „Corvo” sind beide Traditionshäuser die wirklichen Pioniere des qualitätsorientierten sizilianischen Exportweins. Auch Tasca d’Almerita hat schon sehr früh auf Qualität gesetzt. Bereits in den 80er Jahren begann das seit 1830 zur Familie Tasca gehörende Weingut mit dem Export des weltbekannten „Regaleali”. Heute glänzt es bei den Roten neben dem hervorragenden Cabernet Sauvignon mit einem ebenbürtigen „Rosso del Conte” (90% Nero d’Avola aus 40 Jahre alten Reben bester Cru-Lagen in „Alberello”-Erziehung) als auch mit internationalen Sorten assemblierten Nero-d’Avola-Weinen wie „Cyngus” und „Camastra”.

Ein weiterer Pionier dieser jungen Winzerelite ist das innovative Weingut COS, das mit seinen Nero d'Avola-Spitzenprodukten und dem Appellationswein "Cerasuolo di Vittoria" auf rund 25 Hektar fast ausschließlich auf autochthone Rebsorten setzt.

Der Cerasuolo ist eine Cuvée aus Nero d'Avola (max.60%) sowie der ebenfalls einheimischen Frappato-Traube (mind.40%) und bringt einen sehr originellen, herbfruchtigen Rotwein hervor, dessen aromatisches Bouquet an Kirschen, Himbeeren und wilde Erdbeeren erinnert. Dabei bringt der leichtfüßige, gerbstoffreiche Frappato - der ein wenig dem Nebbiolo ähnelt - die aromatisch-rauchige Note ein.

Die beiden "Quereinsteiger" und Autodidakten Giusto Occhipinti und Giambattista Cilia gehen in ihrer stetigen Auseinandersetzung mit der Wechselwirkung zwischen Rebe und Terroir immer wieder neue Wege. Dabei setzen die beiden Architekten auf bio-dynamische Verfahren und verzichten auf alles, was den Ursprungscharakter der Weine verfälschen könnte. Hier wurden die Weine schon immer spontan vergoren, bei manchen verzichten sie auch auf die Anwendung von schwefeliger Säure. Neuerdings setzen sie bei ihrem Cerasuolo "Pythos" auch auf den Ausbau in Terracotta-Amphoren. Das Resultat ist ein mineralisch geprägter Wein, der in seiner 03er-Version mit intensiven Kirsch- sowie leicht salzigen, an feine Anchovis und Kapern erinnernden Noten einen unverwechselbaren Charakter aufweist. Aber auch die anderen Weine zeigen die von Occhipinti beschriebene Philosophie des Hauses, eigenständige Weine zu produzieren, "die ihre jeweilige Herkunft im Weinberg so authentisch wie möglich zum Ausdruck bringen."

Der Genossenschaftsbetrieb Settesoli% Menfi
Aber auch große Volumina umsetzende Genossenschaftsbetriebe wie die Cantina Sociale di Trapani und die noch viel größere Settesoli haben einen Quantensprung hingelegt. Settesoli - einst fast ausschließlicher Lieferant standardisierter Fassware - begann 1983 mit der eigenen Flaschenabfüllung. Heute bringt der Genossenschaftsriese in seiner Spitzenlinie „Mandrarossa” beachtliche Weine mit einem hervorragenden Preis-Genuss-Verhältnis hervor und erfreut sich einer noch nie da gewesenen Nachfrage. „Alle Welt will Sizilien”, erbaut sich Li Petri von Settesoli über den positiven Sizilien-Trend. Wie sonst könnte er seine rund 15 Millionen Flaschen Jahresproduktion absetzen.

Ein weiterer aufgestiegener Stern der letzten Jahre ist das Weingut Morgante, ein kleines Familienunternehmen aus Grotte, einen Steinwurf von den berühmten Tempelanlagen „Valle dei Templi” bei Agrigento entfernt. Der abseits und idyllisch gelegene Betrieb befindet sich auf einer Höhe von etwa 400 Meter. Die Weinberge erstrecken sich bis auf 550 Meter Höhe über dem Meeresspiegel. Die einzig verwendete Rebsorte ist Nero d’Avola, die hier auf ton- und kalkhaltigen Böden sehr runde, elegante Weine erzeugt, die neben roten und schwarzen Beeren feine schokoladige Noten hervorbringen. Nur zwei Weine werden hier vinifiziert: der einfache „Morgante” mit einem exzellenten Preis-Genuss-Verhältnis sowie der aus alten Reben und niedrigeren Hektarerträgen (4t/ha) gekelterte „Don Antonio”, der weit über Italiens Grenzen hinweg für Aufsehen gesorgt hat. Erst im Jahre 1994 begann die Familie Morgante mit der Vinifikation des eigenen Traubenmaterials. Als großer Glücksgriff erwies sich 1997 die Verpflichtung des Starönologen Riccardo Cotarella. Was seitdem in den Handel kommt, erhält Höchstbewertungen nicht nur in Italien. Auch Robert Parker’s Wine Advovate gibt etwa dem 1999er satte 92 Punkte (10-30-01/Issue 137) und schreibt begeistert: „The finest wine I have ever tasted from the Nero d'Avola grape”. Doch bei Morgante im beschaulichen Grotte gibt man sich über die Gründe des Erfolgs bescheiden: „Wir haben uns entschlossen, mit unserem besten Traubenmaterial auf Qualität zu setzen und wollen die Typizität des Nero d’Avola bestmöglich hervorbringen. Das hat sich zusammen mit einem erfahrenen Önologen schneller als erwartet ausgezahlt”, so Carmelo Morgante.

Der Barriquekeller von Donnafugata% Marsala
Weiter westlich in Marsala, wo Sizilien am arabischsten ist, macht schon seit einigen Jahren ein anderer Shootingstar mit weitreichender Tradition Furore. Und das nicht nur wegen der nächtlichen und gut in Szene gesetzten Lese und der kunstvollen Etiketten. Das Weingut Donnafugata besticht durch eine klare Qualitätsvision und ein anspruchsvolles Marketing. Den Namen und das Symbol gab die aus Neapel vor dem napoleonischen Heer flüchtende Königin Maria Carolina von Habsburg-Lothringen (Donnafugata = flüchtende Frau). Die Weingärten liegen zwischen 300 und 600 Meter hoch im bezaubernden Belice-Tal bei der Gemeinde Contessa Entellina. Beim „Mille e una Notte” (90% aus Nero d’Avola) erinnern nicht nur der Name, sondern auch seine mediterranen Frucht- und Würznoten an den nahen Orient. Die umtriebige und auch kulturell vielseitige Hausherrin Josè Rallo zeigt sich, nach der Zukunft der Insel-Weine befragt, selbstbewusst. „Wir wollen auf den schönsten Tischen der Welt präsent sein und unsere Botschaft vom sizilianischen Qualitätswein mit unserem einzigartigen Klima und Territorium in die Welt transportieren.” Im Wein sollen „die intensiven Gerüche und Aromen unserer Natur sowie unsere sizilianische Leidenschaft zum Ausdruck kommen.” Mit ihrem sagenumwobenen „Mille e una Notte” konnte sie viele Weinkritiker davon bereits überzeugen: Für den 2000er etwa gab es vom italienischen Weinführer „I Vini di Veronelli” satte 93 Punkte. Und die Jazz singende Signora ist sich sicher: Der großartige Erfolg des Nero d’Avola werde die Neugier nach anderen sizilianischen Rebsorten noch stärker wecken.


Zukunft mit Potenzial

Der Erfolg des Nero d’Avola und der sich auf Sizilien sehr wohl fühlenden internationalen Rebsorten haben eindrucksvoll gezeigt, wozu Sizilien önologisch imstande ist, wenn konsequent auf Qualität gesetzt wird. Und das Potenzial ist groß: Noch findet rund 80% der gesamten Wein-Produktion nicht den Weg in die Flasche. Doch die Zahl derer, die auf Qualität setzen, wächst unaufhörlich. „Wir stehen heute erst am Anfang unserer Entwicklungsmöglichkeiten”, ist ein vielerorts zu hörender Satz. Wenn es zudem gelingt, die Herkunftstypizität des Nero d’Avola und seiner noch wenig beachteten und bekannten DOC-Gebiete noch klarer herauszuarbeiten, könnte aus dem derzeitigen positiven Sizilien-Trend unter Führung der wiederentdeckten autochthonen Sorten ein langfristig bestehendes Qualitätssiegel „Made in Sicily” werden.

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