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“WeinLuft” ist eine Spraydose für knapp acht Euro, die das Edelgas Argon enthält. Weinfans sprühen es in die angebrochene Flasche und können den Wein nun „wochenlang“ aufbewahren, verspricht der Hersteller. Wir haben unter Alltagsbedingungen getestet, wie gut das funktioniert.

„Überall einsatzfähig, man kann es mitnehmen, zum Picknick oder zur Party“, werben die “WeinLuft”-Gründer Matthias Tonesz und Dr. Thomas Kremser (Foto links) für ihre Neuerfindung einer nützlichen, aber bislang wenig bekannten Idee. Das stimmt: Die kleine Spraydose, etwa so groß wie ein Mini-Deo, lässt sich unkompliziert sowie ohne Gebrauchsanleitung einsetzen. Das Edelgas Argon darin ist schwerer als Luft. Sprüht man es in die angebrochene Weinflasche, legt es sich wie eine Decke auf den Flüssigkeitsspiegel. Argon geht keine Reaktionen mit anderen Stoffen ein und soll so den Wein vor Oxidation abschirmen. Das Konservieren mit Argon ist – Stand der Wissenschaft heute – der Königsweg des Haltbarmachens. Das Prinzip kennen einige Weinfans längst: Seit Jahren werden Spraydosen angeboten, die bislang aber fast nur von Weinhändlern und Bar-Betreibern genutzt wurden. Den Weg des Argon auch zu privaten Weingenießern eröffnete erst “Coravin” des amerikanischen Erfinders Gregg Lambrecht. Nur wird dabei das Gas mit einer Injektionsnadel durch den Korken in die Flasche gesprüht, der dabei intakt bleibt – und die Flasche verschlossen. Das Gerät ist allerdings ziemlich teuer. “WeinLuft” funktioniert ähnlich. Die Weinflasche wird aber normal geöffnet und soll danach nicht mehr, wie die Pretiosen aus der Coravin-Werbung, jahrelang im dunklen Keller lagern. “WeinLuft” verspricht, angebrochene Flaschen ein paar Tage - oder sogar Wochen - frisch zun halten, bis sie ausgetrunken werden.

 
 

Wie benutzt man “WeinLuft”?

In die Verschlusskappe der Dose ist ein Schlauch eingerollt. Ein Ende davon steckt man auf die Düse, das andere so weit wie möglich in die Flasche, ohne ihn in den Wein zu tauchen. Danach drückt man den Auslöser etwa für eine Sekunde, Schlauch wieder raus und einen möglichst neutralen Verschluss drauf. Am besten funktioniert dazu ein üblicher Silikonstopfen anstelle des durchbohrten Originalkorkens. Danach kommt die Flasche am besten in den Kühlschrank. Die kleine Spraydose soll laut Hersteller für “bis zu 15 Flaschen” ausreichen. In unserem Test war sie allerdings schon nach neun Flaschen leer.

 

Wie haben wir getestet?

Fragt sich nur noch, wie gut es funktioniert. Naturwissenschaftlich lässt sich der Effekt des Edelgases in der Flasche nur sehr aufwendig messen, daher haben wir uns für einen Test unter ganz normalen Bedingungen im Alltag von Weinfans entschieden. Ein harter Praxistest sollte es sein. Wir haben dazu mehrere, sehr unterschiedliche Weine verkostet. Mal blieb nur ein Rest in der Flasche, bei weiteren Versuchen fehlten nur ein oder zwei Gläser. Einige Weine haben wir ein paar Tage nach dem Öffnen erneut verkostet. Andere ließen wir bis zu drei Wochen warten. Die Flaschen blieben vor dem Besprühen mit Argon jeweils zwei bis drei Stunden offen, wie es nach einem Abendessen auch passieren könnte. Den Rest in der Flasche haben wir im Kühlschrank aufbewahrt - oder auch nur auf der Küchen-Arbeitsplatte. Na klar: Gekühlt sind die Überlebenschancen einer geöffneten Flasche deutlich besser. Aber wir wollten herausfinden, ob “WeinLuft” den Wein tatsächlich hermetisch verschließt. Denn eine original verkorkte, nicht zu gereifte Flasche büßt auch nach drei Wochen bei Zimmertemperatur nicht an Qualität ein. Bei der zweiten Verkostung haben wir die Weine, soweit möglich, mit einer gleichen Flasche verglichen, die wir dazu frisch geöffnet hatten.

 

Langzeit-Test: Bis zu drei Wochen unter der Argon-Schicht

Bei den verschiedenen Tests kamen unterschiedliche Ergebnisse heraus. Ein langes Wochenende im Kühlschrank – von Donnerstag bis Sonntag – überlebten alle Weine vom empfindlichen jungen Silvaner bis zum robusten Bordeaux völlig unbeschadet. Aber das würden sie meist auch ohne Argon-Gas. Spannend wurde es erst ein paar Tage danach.

Erstes Testobjekt in der Langzeitstudie: der Weißwein 2020 „Canorei“ aus dem Piemont. Der Roero Arneis von der Tenuta Carretta zeigt nach dem Öffnen der Flasche reife Zitrusfrüchte wie Zitrone und Grapefruit, dahinter frische Mandeln, eine gute Struktur vor allem am mittleren Gaumen mit knackiger Säure. Das übriggebliebene Viertel der Riserva stand fünf Tage im Kühlschrank. Im Vergleich mit der zweiten Flasche sind die feinen floralen Aromen wie auch der weiße Pfirsich etwas verflogen. Aber alles andere blieb von hervorragender Qualität: Expressiv wie im Moment, als wir die Flasche geöffnet hatten, viel Spannung durch die treibende Säure, subtile Zitrusaromen, feine Mineralität. Wow.

Nicht ganz so gut überlebte eine halbe Flasche 2019 Esterházy Blaufränkisch Sankt Georgen eine 16-tägige Wartezeit auf der Küchenarbeitsplatte. Die Kalktöne vom Leithaberg und die dunklen Beeren schmecken nun schon recht verwaschen, sind aber noch präsent. Nach so langer Zeit ohne Kühlung ist der Wein noch immer trinkbar und ziemlich gut.

Die Rebsorte Xinistery, hier ein 2017 Aes Amelis, ist die bekannteste weiße Sorte Zyperns, man kennt sie von den süßen Commandarias. Trockene Versionen wie dieser 2017-er schmecken oft unkompliziert-zitronig. Der Barrique-Ausbau sorgt für deutlichen Holzeinschlag, dazu kommt die Reife. Beides wird von der Säure der Sorte gut getragen. Nach acht Tagen im Kühlschrank gibt es beim Nachverkosten keine schmeckbaren Verluste. Die Zitrusfrische ist noch da, der Wein ist präsent wie am ersten Tag. Das ist überraschend gut.

Nero d‘Avola ist die bekannteste Sorte Siziliens. Der 2018 „Carthago“ von Mandarossa fällt für uns in die Kategorie “sehr ordentlicher Trinkwein”. Keine Spur der bitteren Töne von schwarzen Oliven, stattdessen reife Pflaume und etwas Bitterschokolade. Mit relativ viel Alkohol und Tannin ist der Wein durchaus lagerfähig. Die zu zwei Drittel geleerte Flasche bleibt 14 Tage in der Küche ohne Kühlung stehen. Beim Test mit der Nase brauchten wir die Referenzflasche nicht mehr öffnen. Der Wein im Glas ist am Rand leicht braun und hat in der Nase sehr deutliche Oxidationstöne nach matschigen Zwiebelschalen. Die kann man auch schmecken – oder es besser lassen. Dieser Wein hat’s hinter sich.

Die gleiche Diagnose folgt bei Olivier Costes Carignan-Biowein 2020 „Je t’aime“ . Ein eher einfacher, aber kein schlechter Trinkwein. Die Flasche blieb viertelvoll für drei Wochen auf der Küchen-Arbeitsplatte stehen. Der Wein ist hinüber, stinkt nach Haselnussschalen und faulen Zwiebeln. Ganz klar: Ohne Kühlung stößt das System an seine Grenzen. Ein einfacher Wein und zudem nur ein Rest in der Flasche - da ist auch mit “WeinLuft” nicht viel zu retten.

 

Topfrisch nach zwölf Tagen ohne Kühlung

Stilistisch ein Gegenentwurf zu den beiden Weinen ist der 2020 Limniona von Oenops Wines in Drama (Griechenland). Der trendig-leichte Rote macht schon frisch den Eindruck, dass sich die Flasche nicht lange hält. Er hat zwar eine flotte Säure, aber wenig Tannin. Solche Leichtgewichte, noch dazu mit fragilen Blumenaromen, büßen sehr schnell an Qualität ein. Überraschenderweise ist die halbvolle Flasche nach zwölf Tagen ohne Kühlung topfrisch. Duftig mit Noten von Lakritz, Veilchen und Blüten – wie am ersten Tag.

Der nächste Kandidat stammt wieder von der Tenuta Carretta. Es ist der 2018 Bric Paradiso, eine modern gemachte Nebbiolo Riserva. Die Sorte steht für den Inbegriff von Alterung: Klassische Barolo und Barbaresco brauchen ewig, bis ihre Tannine gereift sind. Trotzdem sind die Weine eher schlank, karg, aber tiefgründig, wie der Bric Paradiso hier auch mit klassischem Nebbiolo-Aromen aus altem Schrank, Staub und allerfeinsten Beerenfrüchten. Nach neun Tagen bei Zimmertemperatur hat der Wein in der zwei Drittel vollen Flasche unter der Argon-Schicht so gut wie nichts von seinem Zauber verloren.

Als letzter Testkandidat muss Frescobaldis 2012 Castel Giocondo antreten. Gut zehn Jahre sind kein schlechtes Alter für einen Brunello di Montalcino. Der Füllstand ist tadellos – und der Wein schmeckt himmlisch. Viel Sangiovese-Frucht wie Kirsche und schwarze Beeren, dazu seidige Textur. Die Tannine sind mild und schmeichelnd, die Säure weich, die Sekundäraromen elegant. Er könnte noch Jahre weiterreifen. An der Luft muss man aber immer damit rechnen, dass auch solche Tropfen schnell abstürzen. Deshalb ist es besonders spannend zu sehen, wie das mit dem Luftabschluss klappt. Nach neun Tagen im Kühlschrank haben wir das Warten nicht mehr ausgehalten. Eine zweite Flasche hatten wir allerdings nicht mehr. Das war auch gar nicht nötig: Der Castel Giocondo hatte nichts von seiner Qualität verloren, ist in seiner ganzen Komplexität immer noch der großartige Brunello vom Tag des Öffnens.

 

Gute Weine lagern am längsten

Unser Test belegt: Hermetisch verschließt das Argon-Gas die Wein-Oberfläche meist nicht. Sie hält die meisten Weine aber für eine, manchmal auch für über zwei Wochen frisch. Wer also seine angebrochene Flasche Wein nach einer Woche leer trinkt, ist mit “WeinLuft” auf der sicheren Seite. Wer Wein nur gelegentlich trinkt und den Rest im Kühlschrank vergisst, kann sich das Geld für die Spraydose sparen. Doch der Test zeigt: Nicht alle Weine lassen sich gleich gut aufbewahren. „Silvaner ist schwierig“, hat Susanne Spies festgestellt, Sommelière im Sterne-Restaurant des deutschen TV-Koch Frank Rosin, “aber ein Lagrein aus Südtirol hält sich überraschend lange.“ Angebrochene Flaschen könne sie auch nach dem Ruhetag “ohne Weiteres ausschenken“, bestätigt sie ihre tägliche Erfahrung, „aber nach einer Woche würde ich sie verbrauchen.“

Welche Flasche wie lange durchhält, ist nur schwer zu prognostizieren. Doch einige Faktoren sind auszumachen: Weine aus überreifem Lesematerial mit hohen Erträgen und stark gepressten Trauben werden durch Lagerung sowieso nicht besser – und verderben auch mit “WeinLuft” schneller. Säure dagegen konserviert ebenso gut wie Süße, beides muss man aber im Glas haben wollen. Aber auch dabei kippt überreife Frucht mit Aromen von Kirschlikör und Rumtopf schnell weg. Phenolisch reif geerntete Trauben, die handwerklich sauber verarbeitet worden sind, haben aber stets gute Chancen für ein langes Überleben unter der Argon-Decke. Manchmal schmeckt sogar ein einfacher Vinho Verde noch nach erstaunlich langer Zeit, aber ein luxuriöser Chardonnay aus dem Burgund kann nach einer Woche bestenfalls noch zum Kochen taugen. Wer die angefangene Flasche nicht im Kühlschrank vergisst, wird aber im Regelfall nur selten schlechte Überraschungen erleben.

Allerdings sollen die Mini-Spraydosen, die über den “Grünen Punkt” entsorgt werden, für den Hersteller nicht das letzte Wort sein. Der mobile Einsatz ist zumindest für uns nicht wichtig: Wer nimmt schon eine halbleere Flasche Wein von einer Party mit nach Hause, um sie danach eine Woche im Kühlschrank aufzubewahren? Und es geht auch besser als zum Dosen-Preis von 7,99 Euro, die für etwa zehn Flaschen reichen. Das bestätigt auch Matthias Tonesz vom “WeinLuft”-Marketing: „Bis Ende 2023 wollen wir mit 500 Milliliter-Dosen starten. Die sind gar nicht mal so viel teurer - und reichen für 100 Flaschen und mehr.“ Das sind doch gute Aussichten.

 
 

Fazit

“WeinLuft” macht Wein haltbar, auf jeden Fall für einige Zeit im Kühlschrank und oft auch – mit Einschränkungen – ohne Kühlung. Länger als eine Woche überleben in beiden Fällen viele, aber nicht alle Weine. Nach 14 Tagen sinken die Genuss-Chancen für viele Weine rapide. Die Hersteller-Empfehlung „wochenlang“ sollte man daher lieber nicht ausreizen. Sinnvoll wären im Alltag auch größere Dosen.

  • Vorteile +

    + Preiswert
    + Klein
    + Unkompliziert zu nutzen
    + Funktioniert im Alltag gut, ohne Wunder zu vollbringen
  • Nachteile -

    - Zu wenig Inhalt
  • Preis-Leistung

    Gut

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