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Mehr als Schoppen und Schorle: Aus der vor allem im deutschen Anbaugebiet Baden verbreiteten Rebsorte Gutedel können herausragende Weine entstehen. Das beweisen Winzer wie Hanspeter Ziereisen oder die Gebrüder Schneider vom Weingut am Schlipf. Patrick Hemminger hat mit ihnen über das Potenzial der unterschätzten Sorte gesprochen.
“Was tun mit dem Gutedel?” hat sich Johannes Schneider gefragt
© Weingut Schneider

Was tun mit dem Gutedel? Das war eine der Fragen, die sich die Brüder Christoph und Johannes Schneider stellten, als sie vor einigen Jahren das Weingut am Schlipf im badischen Weil am Rhein von ihren Eltern übernahmen. Sollten sie den anderen Winzern auf ihrem Weg folgen? „Hier im Markgräflerland gibt es zwei Strömungen“, sagt Christoph Schneider. Die eine orientiert sich an der Schweiz. Dort heißt der Gutedel Chasselas, wird gerne im Holzfass ausgebaut und ist geschmacklich eher opulent. Bei der anderen Strömung schauen die Winzer in Richtung Burgund, die Gutedel können an dortige Chardonnay erinnern - wenn sie gut gemacht sind.

„Für uns fühlte sich beides nicht richtig an“, erzählt Christoph Schneider weiter. „Wir haben uns gefragt, was den Gutedel für uns ausmacht.“ Die Antwort war schnell gefunden. „Leichtigkeit und wenig Säure“, sagt Johannes Schneider. Die nächste und nicht ganz so leicht zu beantwortende Frage war dann, wie der Wein an Komplexität gewinnen könnte. Denn dafür ist Gutedel bislang nicht bekannt.

Die Brüder begannen unter dem Label „Haus Gupi“ – der Name steht für Gutedel und Pinot - zu experimentieren. Ganztraubenpressung, Macération Carbonique, langes Hefelager und wenig bis kein Schwefel sind die Stichworte. Heraus kamen drei faszinierende und völlig eigenständige Weine. Das erzeugte Gegenwind. „Das sei doch gar kein Gutedel, bekamen wir zu hören“, sagt Christoph Schneider. Für ihn und seinen Bruder sind die Weine aber genau das: eine eigenständige, badische Interpretation der Rebsorte. Gutedel steht in Deutschland zu 97 Prozent in Baden, und zwar auf 1.057 Hektar. Ein bisschen was gibt es außerdem in Saale-Unstrut, ein paar Reben in Sachsen und in der Pfalz.

 

Gewinner der Klimaerwärmung

Schonende Ganztraubenpressung für den Gutedel
© Weingut-Schneider

Der Gutedel ist für die Schneider-Brüder ein Wein, der Zukunft haben kann. Und das nicht nur, weil er zum Zeitgeist passt. Er hat eine besondere Eigenschaft, die ihn zum Gewinner der Klimaerwärmung machen kann. Denn der Gutedel hört irgendwann im Lauf der Traubenreife auf, Zucker zu bilden: Bei höchstens 85 Grad Oechsle ist Schluss. Die Winzer können die Trauben auch in heißen Jahren entspannt bis zum Schluss der Lese hängen lassen - und trotzdem einen Wein mit nur zwölf Volumenprozent Alkohol keltern. Die Gupi-Weine der Schneiders liegen teilweise sogar unter zehn, büßen dadurch aber nicht an Geschmack und Textur ein.

Die beiden könnten ihre Gupi-Weine als Naturwein verkaufen: sowohl Machart als auch Geschmacksprofil passen. Sie tun dies aber bewusst nicht. „Die Diskussion um Naturwein hat oft etwas Spalterisches, daran müssen wir uns nicht beteiligen“, sagt Christoph Schneider. Die Erfahrungen, die sie mit Gupi gemacht haben, fließen immer weiter auch in die normalen Weinlinien ein. „Unsere Eltern haben schon immer elegante Weine gemacht. Wir verfeinern das, werden hier und da extremer“, sagt Johannes Schneider. Sie nehmen bei allen Weinen weniger Schwefel und verlängern das Hefelager. So liegt zum Beispiel der einfachste Gutedel, der „Vom Kalkstein“, 16 Monate auf der Hefe, der Lagenwein „Stiege“ 18 Monate.

Die Gutedel des Betriebs kosten zwischen 9,20 Euro und 28 Euro. Gemessen an dem, was für Gutedel sonst verlangt wird, ist das viel. Gemessen am Aufwand und an der Qualität nicht. „Die Kunden fragen nie nach dem Preis“, sagt Johannes Schneider. “Wer unsere Weine kauft, der tut es offenkundig ganz bewusst.”

 

Der teuerste Gutedel der Welt

Wer beim Gutedel über den Preis sinniert, der landet schnell bei Edeltraud und Hanspeter Ziereisen in Efringen-Kirchen, das ebenfalls in Baden liegt. Denn die beiden verkaufen den teuersten und wahrscheinlich auch besten Gutedel der Welt, den “10hoch4”. Der Name leitet sich aus der Stockdichte des Weinbergs ab, in dem die Reben für den Wein stehen – 10.000 auf einem Hektar.

125 Euro kostet der “10hoch4” und Hanspeter Ziereisen lacht schallend, als er erzählt, dass der Wein von seinem Winzerkollegen Klaus Peter Keller mal für einen herausragenden Chardonnay aus dem Burgund gehalten wurde.

Hanspeter Ziereisen macht den teuersten Gutedel der Welt
© Weingut Ziereisen

Dabei brauchte es eine ganze Weile, bis Ziereisen die Liebe zum Gutedel entdeckte. Und das, obwohl die Weine in früheren Zeiten als herausragend gut und sehr alterungsfähig galten. „Die besten Jahrgänge reiften bis zu 100 Jahre im Fass“, sagt Ziereisen. Als er 1991 sein Weingut gründete, waren diese Zeiten lange vorbei. „Alles war mit Reinzuchthefen kalt vergoren und schmeckte gleich. Wir mochten das gar nicht“, erinnert sich Edeltraud Ziereisen.

Die beiden entwickelten über die Jahre hinweg ihren eigenen Stil, der vor allem auf das Weglassen baut. Keine Reinzuchthefen, keine Filtration, kein Edelstahl. Dafür wird Ziereisen von Weinfreaks gefeiert und in Baden verurteilt - eine amtliche Prüfnummer bekommen seine Weine schon lange nicht mehr. Er füllt sie alle als Landwein ab und freut sich über höchste Bewertungen.

Besonders gefällt ihm die Vielfalt der Rebsorte: „Gutedel ist eine der ganz wenigen Sorten, die vom Zechwein wie unserem Heugumber bis hin zum Spitzenwein wie dem ‘10hoch4’ alles kann.” Derzeit arbeitet er an einem Gutedel, der seinen Spitzenwein eines Tages vielleicht sogar übertreffen kann. Familie Ziereisen hat eine Steilstlage gekauft, um diese mit alten Gutedel-Reben aus der ganzen Welt zu bepflanzen. Sie fanden welche an der Rhône, in Ungarn, Rumänien, der Schweiz, aber auch in Australien, an der Loire und in Spanien. 20.000 Stöcke sollen in diesem Weinberg auf einem Hektar stehen. „Das“, sagt Ziereisen und grinst, „wird spannend.“

Titelfoto: Gutedel-Traube © Doris Schneider, Julius-Kühn-Institut (JKI)

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