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Mit Skate Board und Baggy Pants ist Toni Askitis zu einem der bekanntesten Sommeliers in Deutschland aufgestiegen. Seine Verkostungen richten sich nicht nur an Wein-Nerds, sondern auch an Skater und Hip-Hopper. Askitis’ unkonventioneller Stil kommt ausgerechnet bei konservativen Unternehmen gut an. Mit Matthias Stelzig hat er über Rookies, die Mosel und seine Herkunft gesprochen.

„Hau einfach mal raus!“ So fängt bei Toni Askitis eine Verkostung an. Über den Pfälzer Riesling im Glas könnte man eine Menge sagen: Sehr mineralisch, feine Fruchtsäure, Steinfrüchte, Grafit und noch einiges mehr, was man in einem solchen Wein findet. Aber Toni interessiert sich für die Meinung von Einsteigern, nimmt sie ernst. Dabei strahlt er notorisch gute Laune aus. Man merkt ihm an, wie er sich über jedes gute Glas freut, über jeden Kommentar und jede Frage. Er ist der Typ, in dessen Anwesenheit sich fast jeder wohlfühlt.

Mit diesem Stil hat er sich weit von den steifen Weinproben mit Krawattenzwang abgesetzt. Und weckt damit das Interesse für Wein bei Leuten, die ihn woanders vielleicht nie probiert hätten. Seine Sätze fangen meistens mit „Hey, Bro“ an und hören mit „Hip-Hop“ auf. Toni ist Skater, Hip-Hopper und Sommelier – in seinen Weinkursen alles gleichzeitig. Weintrinker unterteilt er in Hard User, Weininteressierte und Rookies.

Rookies sind im Hip-Hop unbekannte, oft sehr gute Musiker, die ihre Tracks gratis im Netz hochladen. Seine Rookies sind Einsteiger in die Weinwelt, die er vor allem auf Instagram erreicht. „Jeder ist ein Talent, wenn man ihm komplizierte Themen einfach erklärt,“ sagt Toni. Statt über Elektronenwanderung und Acetobacter zu dozieren, erklärt er: „Stell dir einfach einen angeschnittenen Apfel vor. Der wird auch braun. Das ist Oxidation.“ So viel Info reicht erst mal.

‚Wie viele Gläser braucht man?‘ ‚Was taugt Primitivo?‘ ‚Was isst man zu Champagner?‘ Die Fragen sind eigentlich immer gleich, fallen bei Profis aber oft unter den Tisch, weil sie die Antworten schon so lange kennen. Toni hat erkannt, dass man sie auf den Punkt beantworten muss: Zwei. Nichts. Gyros.

Nach Jahren der Arbeit hat er über die Einstiegsfragen hinaus Breitenwirkung entfaltet. Er spricht über Literwein („der Brenner“) genauso wie über Burgunder-Tastings („es gibt sie, die Geheimtipps, den real deal“), berät die Düsseldorfer Messegesellschaft ebenso wie einen indischen Imbiss.

„Ich ziehe meinen Style durch“

Mit Hawaii-Hemd und Shorts wirkt er heute nicht mehr wie ein Hardcore-Hip-Hopper. Auch die zarte Goldkette geht kaum noch als Bling-Bling durch. Toni ist 43, hat drei Kinder. „Aber die Leute erwarten das von mir“, sagt er. Manchmal wundert er sich fast selbst darüber. „Dann stehe ich vor zwei Dutzend Typen im Anzug, denen ich meine Projekte vorstelle, und frage: ‚Sind wir alle ok per Du?‘ Und die klatschen dann.“

Die Entscheider aus der Branche lieben das Geschäftsmodell des netten Jungen von nebenan, der redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Tonis Terminkalender ist voll, seine Kundenliste liest sich eher wie das Who’s who der konservativen deutschen Weinwelt: Deutsches Weininstitut, VDP, Zwiesel, Gerolsteiner und die Messe ProWein. Viele dieser Unternehmen haben gemerkt, dass sie neue Wege gehen müssen, um neue – jüngere – Kunden zu gewinnen, die sonst zu Craft Beer, Cold Brew oder Mixed Drinks mit immer ausgefalleneren Zutaten greifen.

Messe Düsseldorf/ProWein

Wie er so erfolgreich wurde? „Ich bin ein Kind der Gastro.“ So fängt seine Geschichte an. Tonis Eltern hatten ein griechisches Restaurant, "aber ohne Gyros und Fischernetze.“ Das Lokal lag im großbürgerlichen Düsseldorfer Zooviertel, wo für Fast Food noch kein Platz war. Dafür hatte die Weinkarte 120 Positionen. Und Toni musste mit 'ran. „Das ist so in Gastarbeiterfamilien“, sagt Toni. „Wir haben morgen eine größere Veranstaltung, kannst Du kommen? fragte meine Mutter. ‚Ich schreibe am Tag danach eine Klausur an der Uni.‘ Schon klar, mein Junge. So um vier dann?“

Toni machte eine Lehre zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel, die in der sogenannten System-Gastronomie endete. „Ein Jahr in einer Steakhouse-Kette. Das war genug.“ Mit Studium und Auslandssemester in Hawaii stellte er die Weichen in Richtung Karriere. Der zündende Funke sprang aber trotzdem im Familienkreis über: „Mein Vater schleppte mich 2001 mit auf die ProWein. "Rumschlendern, Weine aus unzähligen Ländern verkosten, staunen. Da wurde mir klar: Da will ich dabei sein.“ Heute ist das Symbol der deutschen Weinlage Wehlener Sonnenuhr auf seinen Unterarm tätowiert.

500 Weine und Hip-Hop im Hintergrund

Als nächstes kam sein eigenes Restaurant D’Vine. Im damals noch nicht so angesagten Düsseldorfer Viertel Unterbilk setzte er 500 Weine auf die Karte und ließ eine Wand von einem Graffiti-Künstler gestalten. Dazu liefen Hip-Hop-Instrumentals im Hintergrund. „Die meisten Leute haben das gar nicht gemerkt.“ Der Laden war eines der hippsten Restaurants der Stadt, als Toni es verkaufte. Er machte mehr Verkostungen, mehr Instagram, mehr Seminare. Den Hashtag #asktoni hatte er schon im D’Vine auf der Karte. Jetzt wurde er zu seinem Logo. Für ihn war das perfekt, denn er klingt wie FragMutti, NetDoktor oder Wikipedia. Einmal draufklicken, und du weißt Bescheid.

Dazu liefert er die richtige Action. Man kann ihm in seinen Videos dabei zusehen, wie er Wein bei 200 Kilometern pro Stunde auf der Autobahn verkostet. Und dann noch ausgerechnet einen Württemberger Wein, der aus einer Region stammt, die für Bedächtigkeit und Gemütlichkeit steht. In einem anderen Clip köpft er eine Flasche Charles Heidsieck-Champagner, indem er im richtigen Winkel mit seinem Skate Board dran vorbeifährt. In Zeitlupe macht das enormen Eindruck. Spätestens im nächsten Video, in dem er mit der deutschen Hip-Hop-Legende Moses Pelham eine halbe Stunde nur über Wein redet, erreicht er Leute, die sich sonst kaum dafür interessiert hätten.

Seinen Followern rät er, "alles mal auszuprobieren". Auch wenn er selbst manchmal scharfe Linien zieht: Neue Welt muss nicht sein. Grauburgunder mag er nicht, Rosé schon gar nicht. Dafür süßen Mosel zur Gans und Orange Wine zu einem Pulled Pork Beef Burger. Am Ende ist sein Schaffen eine Gebrauchsanweisung für Wein-Deutschland, vor allem für Mosel-Rieslinge.

Der beste Wein ist eine Playlist

Die Steillagen, feinherb, Auslesen und Schiefer-Mineralität - das ist seine Welt. Gerade die Süßweine mit ihrem traditionellen Spießer-Image hätte man darin nicht vermutet. Aber wenn Toni auf Sendung geht, bringt er das rüber. Seine Live.tastings, mit denen sich andere so schwertun, sind gut gebucht. Die kleinste Einheit sind zwei Flaschen Wein, die man für 25 Euro bestellen kann. Die Instagram-Session dazu, meist mit anwesendem Winzer, ist kostenfrei. Das kann sich fast jeder leisten. „In fünf Jahren“, ist er überzeugt, „bin ich voll digital“. Tonis erste große Liebe, Hip-Hop, hat erstmal wenig mit Wein zu tun. Er ist die Musik für alle Fragen des Lebens: Hip-Hop kann die Probleme beim Aufwachsen als Migrantenkind verarbeiten, politische Missstände rausschreien, eine perfekte Liebeserklärung abgeben oder der Welt einfach mal mitteilen, dass man der Größte ist. Der Zugang ist barrierefrei. Man braucht weder Manager noch Musikschule. So haben es viele Musiker geschafft, Künstler zu werden, deren Geschichte man sonst vielleicht nie gehört hätte. Und viele sagen, ohne Hip-Hop wären sie nicht geworden, was sie sind. Das passt auch auf Tonis Rookies ganz gut. Die müssen bei ihm keine affektierte Weinsprache beherrschen. „Hau einfach mal raus.“ Die Expertise kommt schon. So wie ein gutes Musikstück mehr transportiert als ein Text, der mit Klang-Kollage unterlegt ist, verschmelzen auch die komplexen Aromen eines guten Weins zu einem Zusammenspiel, in dem man versinken kann.

Als Weinbeschreibung führt Toni manchmal einfach ein Tänzchen auf. Es gibt für ihn auch keinen besten Wein. Nur "eine aktuelle Playlist“. Das ist seine Antwort auf die vielleicht nervigste Frage von Rookies und Lokaljournalisten. Noch mehr sind es die scharfzüngigen Texte des Hip-Hop, mit denen er die Dinge auf den Punkt bringt. Beim Champagner nervt ihn die „Rumprollerei der Neureichen“. Ist denn teuer immer gleich besser? „Einfach wegballern.“ Säure? „Wo ist das verdammte Problem? Jede Cola hat mehr.“ Und Organic? „Wie früher in der Bravo die Rubrik ‚Nur für Fans‘.“ Schön gesagt, Toni.

Tonis Hashtags:

  • #MusikimGlas
  • #VollgasToni
  • #KleinesMikroGroßeGewächse

Buchtipp:

Toni Askitis hat ein Buch geschrieben aus den meistgestellten Fragen, die er auf seinen Kanälen erhalten hat. Auf jeweils einer Doppelseite macht er beispielsweise Terroir und Mineralität verständlich. Doch seine Fans fragen nicht nach Fachbegriffen wie Brettanomyces, Tertiäraromen oder Kohlensäuregärung. Sie wollen wissen: Was ist Hefe? Was ist Säure? Was ist feinherb? Seine Antworten sind präzise, aber für jeden verständlich.

Toni Askitis Wein ist unkompliziert Edition Michael Fischer 18,00 Euro  https://asktoni.de

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