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Auf einem T-Shirt der Sängerin Pink steht: “Wer keinen Riesling mag, ist ein verdammter Idiot.” Doch als Speisenbegleiter gelten die Weine der Sorte meist als schwierig. Die Hamburger Master Sommelier Stefanie Hehn beweist mit ihren Pairing-Tipps von jung bis gereift das Gegenteil.

Ein Blick in die Statistik zeigt die Bedeutung des Rieslings für den deutschen Weinbau. Knapp ein Viertel der Anbaufläche ist mit Riesling bepflanzt, nirgendwo in der Welt wird mehr davon angebaut. Auf Platz zwei folgt mit großem Abstand Rumänien, die USA belegen noch vor Frankreich Platz drei.

Die deutsche Leitrebsorte wurde im 15. Jahrhundert erstmals schriftlich dokumentiert, vermutlich aber schon von den Römern an den Rhein gepflanzt. Seitdem prägt sie den deutschen Weinbau, erlebte Glanz und Gloria, wurde mit den teuersten Weinen der Welt gehandelt, erlebte den dramatischen Absturz in die süßlich-billige Banalität und ist in den vergangenen Jahrzehnten wieder zurückgekehrt in den Kreis der großen Weine. Riesling beherrscht alle Spielarten von edelsüß bis „bone dry“ und schmeckt jung ebenso wie lange gereift. Er bietet zudem eine aromatische und stilistische Vielfalt, die stets seine Herkunft spiegelt. Diese Fülle an Stilen und Aromen macht den Riesling zum universell einsetzbaren Essensbegleiter - wenn man versteht, was er zu bieten hat.

Seit 2017 ist Stefanie Hehn als Chefsommelière im Hamburger Luxushotel The Fontenay für das gesamte Weinkonzept verantwortlich – vom Sterne-Restaurant Lakeside mit Küchenchef Julian Stowasser bis zur Fontenay-Bar. Mehr als 400 Weine stehen auf ihrer Weinkarte, einer internationalen Auswahl mit Akzenten auf Deutschland und Frankreich. Als zweite Frau aus Deutschland bestand Stefanie Hehn im November 2020 die Prüfung zur Master Sommelier.

“Man kann Riesling durchs ganze Menü trinken”

Das passt: Die Säure des Rieslings spielt mit dem Fett des Tatars
© 123rf

„Wenn man keine Lust hat, viele verschiedene Weine zu trinken, kann man einen hochwertigen Riesling durch das ganze Menü trinken“, erklärt sie seine Attraktivität als Essensbegleiter. „Über den Abend verändert sich der Wein mit der Luft sowie der steigenden Temperatur – und passt sich wie ein Chamäleon dem Essen an, vorausgesetzt, die Säure ist dabei nicht zu niedrig.“ Bei ihr seien viele Gäste allerdings oft sehr vorsichtig, dabei entpuppten sich mildere Weine häufig als zu langweilig, um sich als Essensbegleiter zu eignen. „Das Problem ist oft eher, dass beim Riesling selbst die Gutsweine zu jung geöffnet werden - und die Säure zu dieser Zeit noch nicht gut eingebunden ist.“

Neben der Säure macht für Stefanie Hehn die komplexe Aromatik des Rieslings den Reiz als Essensbegleiter aus: „Er hat florale Noten bis hin zu Jasmin, aber auch viele kräutrige Aromen, die sich auch in Extremen wie Koriander zeigen, dazu Gemüse wie Fenchel“, schwärmt die Sommelière. Je nach Reife sei von unreifen Haselnüssen bis zu Nougat alles zu schmecken. „Ich will bei reifem Riesling gar nicht über Petrol sprechen, es ist so viel mehr darin zu finden: von Pfirsich bis zur getrockneten Aprikose. Im Riesling kann man super viel entdecken. Das ist nicht so plakativ wie Gewürztraminer oder Sauvignon Blanc, aber trotzdem gehört er schon eher zu den intensiv aromatischen Rebsorten.“

Seine Qualitäten vom leichten Kabinett bis zu trockenen, opulenten Spätlesen schätzt Stefanie Hehn spätestens seit ihrer Zeit im inzwischen geschlossenen Sterne-Restaurant Burg Schwarzenstein im Rheingau. Dort hat sie komplette Riesling-Menüs zusammengestellt und den Gehalt der Riesling-Weine den fortschreitenden Menü-Gängen angepasst. „Einen Riesling Kabinett kann man wie einen Champagner einsetzen. Er ist mit seiner Frische und Säure herrlich animierend zur Vorspeise und zu leichten Gerichten “, schwärmt sie.

 

Von Primäraromen bis zum Petrolton

Spargel und Morcheln sind hervorragende Kombinationen mit Riesling
© OEWM - Ulli Kohl

Mineralität und animierende Säure, Zitrusfrucht und Kräuter gehören zu den sortentypischen Aromen, die ein Riesling in den ersten Lebensjahren zeigt. Stefanie Hehn empfiehlt dazu etwa ein Tatar vom Wagyu mit Wildkräutersalat und Crème fraîche und dazu etwas Kaviar. „Am Anfang eines Menüs will ich das Animierende des Rieslings zeigen“, erklärt die Sommelière. Das Florale und die Zitrusaromen unterstützen das Aroma des Tatars, die Säure bricht den hohen Fettgehalt des Fleisches auf und verleiht der Kombination Leichtigkeit. „Fett und Säure sind immer eine gute Kombination“, betont Hehn. Selbst zur Spargelsaison gibt die gebürtige Fränkin deshalb dem Riesling gelegentlich den Vorzug vor dem fränkischen Klassiker Silvaner: „Wenn man eine Sauce Hollandaise zum Spargel serviert, ist ein Riesling mit nicht zu niedriger Säure eine gute Wahl.“

Kommt der Riesling so langsam in die Jahre, verlieren sich die floralen Noten, reife Frucht tritt in den Vordergrund, aber auch zunehmend nussige und erste feine Pilz-Noten. „Ein Gericht mit Morcheln und Kräuterschaum passt gut dazu“, empfiehlt Stefanie Hehn. „Der Wein ist immer noch frisch, aber auch schon etwas würziger, man findet also eher Koriandersaat statt -grün.“ Die Gerichte dürfen dabei auch etwas „erwachsener und seriöser“ werden, mit geschmortem Fenchel beispielsweise, oder auch gerne mit dezenten Röstaromen. „Die Säure im Wein ist jetzt auch schon erwachsener und steht nicht mehr so im Vordergrund“, erklärt die Master-Sommelière. Wie sich der Wein entwickelt, ist allerdings auch von der Arbeit und Philosophie des Weinguts abhängig. Manche Riesling-Weine sind auch nach zehn Jahren noch viel mehr von Sekundäraromen geprägt als andere.

 

Reifer Riesling und französische Blutwurst

Zu Wolfsbarsch mit Gemüse darf ein gereifter Riesling serviert werden
© 123rf

Mit zunehmendem Alter verändert der Riesling nicht nur die Aromatik, sondern auch seine Farbe: “Es macht Gäste total neugierig, wenn wir zehn Jahre alte Große Gewächse ausschenken.“ Die gedunkelte Farbe sei oft Ausdruck der Geschmacksveränderung: „Aus dem Geruch von Weinbergspfirsich wird am Ende eine kleine, verschrumpelte Aprikose.“ Nur wenn Petrol der vordergründige Geruch ist, tun viele Fans sich im ersten Moment schwer.

Und was empfiehlt sie zu solchen Weinen?

„Gerne Gerichte mit viel Blut. Toll dazu passt beispielsweise Etouffée-Taube mit Boudin noir, der französischen Blutwurst. Je höher der Extrakt im Wein, desto süßer darf das Gericht sein. Also gerne auch Speisen mit Madeira-Sauce.“ Zudem eignen sich gereifte, trockene Rieslinge hervorragend zu Wild: „Darin haben wir wenig Fett, da ist es von Vorteil, dass die Säure im Wein schon verestert ist. Vor allem Reh ist eine schöne Kombination zu reifem Riesling. Dazu ein Haselnussrisotto und eine Sauce, die nicht übertrieben konzentriert ist – das macht richtig glücklich“, schwärmt Stefanie Hehn.

 

Restsüßer Riesling zum Dry Aged Beef

Dry aged beef zu Riesling? Aber ja - wenn dieser reif und restsüß ist.
© 123rf

Auf ihrer Weinkarte im Lakeside stehen neben deutschen Rieslingen auch solche aus Übersee. Aus dem australischen Eden Valley kommen die Rieslinge von Pewsey Vale, die ihren aktuellen Jahrgang immer zusammen mit einer zehn Jahre gereiften Museums Reserve namens “The Contours” vermarkten. „Das Weingut verwendet Rheingau-Klone, die in höheren Lagen auf rotliegendem Gestein wachsen. Den Contours kann man wie ein Großes Gewächse kombinieren, zum Beispiel zu einem auf der Haut gebratenen Loup de mer mit Artischocke, Paprika und Sauce Hollandaise. Diese Rieslinge reifen ähnlich wie Viognier und passen gut zu den Röstaromen des Fischs - aber auch zu der sonst eher schwierig kombinierbaren Artischocke.“

Zum Schluss ein Schwenk in den süßen Bereich: Denn zu einem Dry Aged Beef sind gereifte Weine mit schöner Restsüße eine überraschend interessante Kombination. „Die reife Säure gibt dem Fett aus dem Fleisch etwas Frische und die nussigen und reifen Aromen passen zu den Reifearomen des Fleisches“, sagt Stefanie Hehn. “Der Kontrast des herzhaften Gerichts zur reifen Süße des Wein erzeugt einen einzigartigen Geschmack.” Prinzipiell seien nicht ganz trockene Riesling-Weine oft eine gute Wahl als Speisebegleiter. Die Süße des Wein verstärke den Geschmack des Fleisches deutlich. „Das funktioniert auch bei anderen Gerichten wunderbar. Eine gereifte Auslese zu Trüffel ist eine wirklich schöne Kombination.“

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