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Der Weinstammtisch

Der Weinstammtisch ist eine traditionelle nonprofit Einrichtung auf Wein-Plus. Weinliebhaber können sich zum Stammtisch anmelden und erhalten dann monatlich ein Paket mit interessanten Weinen zugeschickt.
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Eine kleine Kapelle in Nemea, einem kleinen Ort im Osten der griechischen Halbinsel Peloponnes gab ihr einen ihrer vielen Namen: St.-Georges Rebe. Die Rede ist vom Aghiorghitiko, einer Rotweintraube, die in der Gegend um Nemea ihre Heimat hat. Andere Namen sind Mavroudi (bedeutet einfach nur schwarz und existiert auch als offizielle Rebsorte, die aber nicht identisch mit der Agiorghitiko ist) oder einfach nur Nemea-Traube.

Der Agiorghitiko ist eine von ca. 500 autochtonen griechischen Rebsorten. In einer Höhe von ca. 500 Meter bringt er Weine hervor, die den internationalen Vergleich mit internationalen Rebsorten wie Cabernet & Co nicht scheuen müssen. Außerhalb seiner Heimat um Nemea habe ich allerdings noch nie nennenswerte Weine aus dieser Sorte gefunden.

Bariquekeller von Georges Papaioannou


Was ist das besondere an der Zone? Im Vergleich zum Westen des Peloponnes ist der Osten eher regenarm. Außerdem liegt die Anbauzone vergleichsweise hoch (450 bis 650 Meter). Die eigentliche Nemea O.D.A.P. (vergleichsweise mit den italienischen DOC oder franz. AOC) schreibt einen rebsortenreinen Agiorghitiko vor. In der Region werden aber auch ausgezeichnete Cabernets (z.B. Skouras), Pinot Noirs (z.B. Papaioanou) oder diverse Cuvees aus internationalen Rebsorten und der Agiorghitiko erzeugt. Bei den Weißweinen dominiert die eigentlich in der benachbarten Region Mantinia beheimatete Moschofilero, die mit dem Gewürztraminer vergleichbare Weine hervorbringt und die auf dem ganzen Peloponnes verbreitete Roditis. Aber auch hier gibt es durchaus interessante Erfahrungen mit dem Chardonnay.

Das Augenmerk, wenn wir uns mit dieser Region beschäftigen, ist und bleibt aber der Agiorghitiko. Elegante, komplexe Weine mit guter Säure, viel Struktur und Frucht. Er eignet sich zum Ausbau im Stahl, grossem Holz oder auch im Barrique. Er ergibt keine alkoholischen warmen Monster, sondern elegante, fruchtige, eigentlich an kühlere Regionen erinnernde Weine. Natürlich gibt es ihn auch als dünne, belanglose Weine. Wie in jeder Weinbauregion der Welt sollte man sich also an die wenigen auf Qualität bedachten Erzeuger wenden. In Griechenland allgemein spricht man hier von einer neuen Generation an Winzern. Beginnend vor ca. 15 bis 20 Jahren haben einige wenige Erzeuger angefangen, sich aus der Dominanz der großen Kellereien zu lösen und eigene individuelle Weine zu erzeugen.

Das Zentrum der Region ist Nemea und der Satelit Archia Nemea. Beides kleine Städtchen, die nicht im Entferntesten an den Charme von anderen europäischen Weinbauorten heranreichen. Man muss schon sehr genau hinsehen um überhaupt zu bemerken, dass man sich hier in einer Weinregion befindet. Ehrlich gesagt: Als normaler Besucher sollte man den Ort - nach Besuch der antiken Ausgrabungsstätten - schnell hinter sich lassen.

Das gilt natürlich nicht für Weininteressierte. Hier findet man etwas mehr als eine Hand voll Erzeuger, die man zur neuen, qualitätsorientierten Winzergeneration in Griechenland zählen darf und die einen Besuch wertvoll machen.

Eine Region, viele Lagen

 

 

Das Tal von Ancient Nemea


Das Anbaugebiet Nemea umfasst viele Bereiche. Diese unterscheiden sich schon von der Höhe. Aber auch der Boden und die Exponation gegen Sonne und Wind führen dazu, dass die Bedingungen teilweise sehr unterschiedlich sind. Wer weiß, evtl. wird es hier einmal Subregionen oder sogar, wie z.B. für die DOCG Barolo (Italien) zusätzliche Lagenangaben auf den Etiketten geben. Ein Versuch, die Subregion (Koutsi) auf die Etiketten zu drucken ist bei Gaia bereits verboten worden. Palivos druckt zumindest auf die Exportetiketten als Zusatzangabe "Anchient Nemea Valley" auf seine Etiketten.

Nur wenige Erzeuger bestimmen das Bild

Einer der Vorreiter in der Region ist Thanassis Papaioannou und sein Sohn Georges in Archia Nemea. Bereits vor einem Jahr habe ich die beiden portraitiert (zum damaligen Bericht). Leider sind die Weine der beiden im Ausland so gut wie nicht präsent. Die Ursache liegt hier wohl in der Vertriebsstruktur über einen exclusiven Vermarkter in Athen. Mehr als einmal haben mir auf Griechenland spezialisierte Weinhändler und Gastronomen in Deutschland bestätigt, wie gerne sie Papaioannou führen würden, wenn die Weine direkt beziehbar wären. Dafür, so Georges Papaioannou, haben sie aber keine Zeit. Er und sein Vater kümmern sich um den Wein; den Vertrieb haben sie in andere Hände gegeben.

 

 

George Palivou

Nicht weit davon entfernt stößt man auf George Palivou. Er übernahm den kleinen Betrieb von seinen Eltern und änderte diesen vom normalen einfachen Weinbaubetrieb hin zu einem erstaunlich offensiven und spannenden Highlight in der Region. Von Tradition will George Palivou auch nicht viel wissen. Auf die Frage nach der Geschichte seines Betriebes erklärt er uns, dass er den Betrieb natürlich von seinen Eltern und Grosseltern übernommen hat. Aber das sei doch ganz normal. Jeder habe hier irgendwann einmal Wein angebaut. Manche machen es heute noch in traditioneller Art. Andere haben es aufgegeben. Wein anbauen und ernten hat man hier schon immer gekonnt. Richtigen Wein daraus zu machen, hat man aber erst seit wenigen Jahren gelernt.
Wer Palivou besucht sieht schon rein äußerlich, dass er es nicht mit einem der vielen 0-8-15-Erzeuger zu tun hat. Schon das große, moderne Schild am Eingang ist für griechische Verhältnisse außergewöhnlich. Normalerweise setzt man bei Besuchern einen geradezu detektivischen Spürsinn voraus, um überhaupt gefunden zu werden. Die Besucher gelangen dann in einen mit viel Geschmack eingerichteten Verkostungsraum, auch alles andere als selbstverständlich. Bei Pavilou sind nicht nur diese Äußerlichkeiten spannend, sondern auch Denken, Arbeit und die Resultate der Arbeit dieses Familienbetriebes.
Pavilou konzentriert sich in seiner Arbeit fast ausschließlich auf den Agiorghitiko. Daneben arbeitet er mit der Rhoditis, aus der er saubere, wenig anspruchsvolle Weißweine keltert. Auch ein paar Experimente mit internationalen Rebsorten wie Chardonay & Co beschäftigen ihn, das sind aber bisher nur "Gehversuche", die keine große Bedeutung haben. Diese auch wohl nicht unbedingt bekommen sollen.

 

 

Georges Skouras wurde von mir ebenfalls bereits vor einem Jahr besucht und portraitiert (zum Bericht). Mit seinem Aghiorghitiko und dem Nemea Grand Cuvee hat er zwei rebsortenreine Aghiorghitiko im Programm, die zeigen was diese Traube leistet. Der Megas Oenos ist ein Verschnitt von Aghiorghitiko mit Cabernet Sauvignon.
Der geplante Umzug in die neue Kellerei bei Nemea ist noch nicht erfolgt.

Gaia (gesprochen: Jea) wurde 1997 von Leon Karatsalos und Yannis Paraskevopoulos gegründet. Leon kümmert sich dabei um Verkauf und Organisation, während Yannis sich für den Wein verantwortlich zeigt.

 

 

Agiorgitiko-Reben von Gaia

Im Gegensatz zu den meisten anderen Erzeugern handelt es sich bei Gaia nicht um einen traditionellen Betrieb. Leon Karatsalos erklärt es so: "Wir haben uns erst überlegt, welche Rebsorten und Regionen in Griechenland das meiste Potenzial haben. Wir haben uns für Assirthiko in Santorini und Aghiorghitiko in Nemea entschieden." In Nemea haben sie dann ein Grundstück in exponierter Lage über den Weinbergen von Koutsi erworben und dort den Betrieb gebaut. Gestartet haben Sie dann mit 7 ha eigener Weinberge rund um das Anwesen herum. Mittlerweile werden auch weitere Trauben dazugekauft. Für das kommende Jahr ist eine bauliche Erweiterung geplant. Ein wahrer Traum ist so auch der Ausblick aus dem Büro der beiden: Rundum der erhabene Blick auf die Weinberge der Region. Hier zu arbeiten muss Freude machen. Dennoch ist das Hauptbüro von Gaia wie bei so vielen Betrieben in Athen. Das Warum beantwortet Leon so, wie es die meisten Griechen wohl beantworten würden: "In Athen ist alles. Man muss dort sein" Die Hälfte aller Griechen wohnt in Athen. In kaum einem anderen Land konzentriert sich in der Tat alles so sehr auf eine Stadt wie in Griechenland.
Das Debut dieses Gutes in Nemea im Jahr 1997 war perfekt. Der 97er "Gaia Estate" (Nemea O.D.A.P.) wurde sofort zu einem der begehrtesten und teuersten Weine Griechenlands. Zurecht!

Internationale Rebsorten sind für Gaia kein Thema. Es gibt schlicht keinen Grund sich damit zu beschäftigen. Die Chancen Nemeas, so Leon Karatsalos, liegen im Agiorghitiko und nicht im Abklatsch von Chardonnay, Cabernet & Co.

Papantonis in Argos und Lafazanis in Nemea sind zwei weitere Erzeuger, die sich erst seit wenigen Jahren um qualitativ hochwertige Weine bemühen. Leider war ein Besuch noch nicht möglich. Da wir uns hier nicht auf fremde Quellen stützen möchten, müssen wir den Leser leider noch mit Details vertrösten. Jedenfalls gehören diese beiden neben Papaioannou, Skouras, Gaia und Palivou zu den Erzeugern aus Nemea, die in Verbindung mit qualitativ hochwertigen Aghiorgthitiko genannt werden. Daneben gibt es andere Spitzenerzeuger aus anderen Regionen die Nemea-Qualitätswein herstellen. Dazu gehört z.B. Spiropulous aus Mantinia oder Thanasis Parparoussis aus der Region um Patras.

Verfügbarkeit

Wer die Weine dieser kleinen und engagierten Erzeuger sucht, findet sie weder in den Supermärkten in Griechenland noch in deutschen Supermärkten. Dort dominieren auch in Bezug auf Agiorghitiko aus Nemea die "großen vier" Boutaris, Tsantalis, Achia Claus und Kourtakis. Diese kaufen Trauben aus der Region und bauen sie dann zu Nemea O.D.A.P. aus. Dazu kommt die Kooperative in Nemea, die ebenfalls supermarktweintaugliche Mengen an Nemea O.D.A.P. erzeugt. Wer sehr preiswerten aber dennoch akzeptablen Aghiorghitiko sucht, wird hier teilweise fündig. Das Qualitätsniveau dieser Großerzeuger ist aber mit denen der weiter oben erwähnten Produzenten nicht vergleichbar.

Warum die griechischen Weine noch keinen Eingang in das Bewußtsein und in die Keller der deutschen Weinliebhaber gefunden haben, begründet Leon Karatsalos (Gaia):

 

 

  • Der Export von griechischem Wein nach Deutschland erfolgt heute fast ausschließlich durch Griechen, die Wein neben Käse, Olivenöl und anderen griechischen Produkten nach Deutschland exportieren. Dort fehlt einfach das notwenige KnowHow.
  • Der Bekanntheitsgrad von Wein beginnt oft in der Gastronomie. Die griechische Küche in Deutschland ist jedoch in der Regel eine Billigküche ohne besonderen Anspruch (Anmerkung des Autors: Wie recht er leider hat). Hier passen aber die hochwertigen griechischen Weine weder zum Anspruch, noch im Preis.
  • Das Image des griechischen Weines wird geprägt durch Billigstweine, die von den Großkellereien in großen Mengen nach Deutschland exportiert werden.

Es wird Zeit, dass der griechische Wein Eingang findet in die Sortimente der großen Distributeure und Händler. Er muss raus aus seinem Nischendasein. Verdient hat er es.

Verkostung

Das Thema Agiorgitiko ist spannend genug um ihm einen Monat im Weinstammtisch auf Wein-Plus zu widmen. Zu diesem Zweck fand am 16.Februar die Verkostung einiger reinsortiger Agiorgitiko-Weine statt. Die Probe war blind. Beschreibung und Bewertung stammen von Marcus Hofschuster.

Als Monatswein für den Stammtisch haben wir uns für den Rosé von Gaia und den Punktesieger der Probe von Parparoussis entschieden. Beides sind jeweils tolle Vertreter dieser vielfältigen Rebsorte.

Aktuelle Jahrgänge

Sehr gute Jahrgänge waren in Nemea 1998, 2000 und 2001.
Ebenfalls gut war 1997. 1999 war zu feucht und brachte lediglich mittlere Resultate.
Eine Katastrophe war das Jahr 2002. Ungewöhnlich starke und andauernde Regenfälle haben zu extremer Fäulnis und ausbleibender Reife geführt. Manche Erzeuger haben die Trauben gleich hängen lassen.
Der Jahrgang 2003 wird wieder als gut bis sehr gut beurteilt.

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