Obwohl »Bio« ein dominantes Thema ist, sind lediglich zwei Prozent der Fläche tatsächlich als »organic oder »biodynamic« zertifiziert. Was, zu einem kleinen Teil wenigstens, aber auch daran liegt, dass manchen das offizielle Siegel vollkommen gleichgültig ist. All die Lifestyle-Winzer, für die Weinbau ein schönes Hobby ist - oder die zumindest als Hobbywinzer gestartet sind - müssen sich wenig Gedanken um Vermarktung und Siegel machen. Beispiel Newton Vineyards: Su Hua Newton, gebürtige Chinesin, Ex-Chanel-Mannequin und promoviert in Psychologie und Philosophie, gehört zu diesen Quereinsteigern. 1983 brachte sie ihren ersten »Chardonnay unfiltered« heraus, eine Sensation. Der Wein erhält Jahr für Jahr höchste Bewertungen, er schmeckt phantastisch und altert, nein: reift wunderschön. Von Bio steht zwar nichts auf dem Etikett, aber für Su Hua ist es selbstverständlich, dass sie ihren Wein ohne Tricks und ohne die kleinen chemischen Helferlein macht. Hundertprozentig bio? Eher zweihundertprozentig! Ist logisch: Die Chemie im Weinberg ist dazu da, die Erträge abzusichern, um Ausfälle durch Rebkrankheiten zu verhindern. Warum sollte jemand, der im Weinberg das Abenteuer sucht, sich der Chemie bedienen, um sich abzusichern?
Schock für Frankreich: Kalifornischer Chardonnay schlägt besten Burgunder
Grgich ist keiner, der das Weinmachen bloß als Abenteuer betreibt. Für ihn war es immer harte Arbeit, die er für andere leistete. In den Siebziger Jahren war der
Önologe bei
Château Montelena im
Napa Valley beschäftigt und brachte es in der Weinwelt zu Ruhm und Ansehen, als sein
Chardonnay 1976 in der Pariser Kalifornien-Frankreich-Vergleichsprobe die berühmten weißen
Burgunder souverän hinter sich ließ. In seinem eigenen
Weingut,
Grgich Hills Vineyards, in dem peu à peu Tochter Violet das Regiment übernimmt, bringt er selbstverständlich auch Klasse-Weine hervor. Mit einer unsichtbaren Zusatz-Qualität: Sie sind alle nach den strengen Regeln der Biodynamik erzeugt.
Der Soh des Gurus
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Jason Dolan
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Als Guru des biodynamischen Anbaus gilt seit Jahrzehnten Paul Dolan, einst Präsident von
Fetzer und dort für den Aufbau der Bio-Marke
Bonterra zuständig. Sohn Jason Dolan macht es ein paar Nummern kleiner. Statt in einem Riesenbetrieb oder auch nur in einer eigenen kleinen Winery für die
Weinerzeugung von der
Traube bis zum fertigen Getränk verantwortlich zu zeichnen, hat er sich einen Produktionsbereich herausgepickt: Jason ist Traubenbauer. Bei uns gilt ja einer, der seine
Trauben nicht selbst ausquetscht und
vergären lässt, sondern anderen »nur« das Rohmaterial zuliefert, nicht allzu viel. Für die Eitelkeit ist es auch nicht sonderlich befriedigend, wenn die eigenen
Trauben völlig anonym im großen
Bottich einer Genossenschaft oder eines anderen Winzers verschwinden. Jason Dolan ist bemerkenswert uneitel: Er bezieht seine Befriedigung daraus, im
Weinberg zu experimentieren und so den biodynamischen Traubenanbau zu perfektionieren. Zu seinen »Mitarbeitern« gehören neben nützlichen
Insekten auch Hühner und Schafe, die auf ihre Weise
Weinbergspflege verrichten.
Globalisierung vom Feinsten
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Kalifornischer Klassiker: Zinfandel
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Das ganz große Rad drehte dagegen Robert Mondavi. Er hatte bereits Jahre vor dem aus Sicht der französischen
Winzer skandalösen »Urteil von Paris«
Baron Philippe de Rothschild von
Château Mouton-Rothschild kennengelernt. Aber erst zwei Jahre nach dem kalifornischen
Triumph kamen die beiden Weinguts-Chefs zu einer gemeinsamen Unternehmung zusammen: Während andere Bordeaux-Winzer samt ihrem ramponierten Ego noch im Schmollwinkel verharrten, tat
Rothschild einen Schritt vorwärts und gründete zusammen mit
Robert Mondavi im Napa-Valley das erste interkontinentale
Weingut: Opus One. Das Ziel: Einen hochklassigen kalifornischen
Wein im Bordelaiser Stil zu erzeugen. Das ist gelungen. Der
Opus One, ein
Blend aus
Cabernet Sauvignon mit etwas
Merlot,
Cabernet Franc,
Malbec und
Petit Verdot gehört zu den gefragtesten Weinen der Welt und liegt bei mehr als zweihundert Euro die Flasche.
Für
Robert Mondavi, Sohn italienischer Immigranten, der bereits in den Dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts im elterlichen
Weinbaubetrieb mitgearbeitet hat, die Krönung der Winzerlaufbahn. Was
Kalifornien heute an Renommee besitzt, verdankt es zu einem Großteil diesem umtriebigen Pionier, der Mitte der Sechziger sein eigenes
Weingut in Oakville gründete. Dort sollte
Wein in einer bis dahin in
Kalifornien nicht bekannten Qualität entstehen - einer Qualität, die er in
Bordeaux kennengelernt hatte. Klar, dass einer wie
Mondavi, der innovativ war wie kein anderer, auch in Sachen
Umweltbewusstsein vorangeht und sich dem
nachhaltigen Weinbau verschrieben hat.
Der Wein für harte Jungs
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"No wimpy wines" - das Motto von Joel Petterson
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Dass kalifornischer
Wein eher fruchtig-wuchtig und
marmeladig als subtil und elegant daherkommt, ist nicht nur ein böses Vorurteil. Die
Winzer, die darauf aus sind, finessenreiche,
vielschichtige Weine »europäischen Stils« zu machen (so nennen das die
Winzer selbst), bilden eine kleine, feine Oberschicht. Leute wie der deutschstämmige Schug, dessen
Pinot noir auch
Frankreich Ehre machen würde. Wie Coppola, von dessen
Rubicon Estate eine Viognier-Marsanne-Cuvée kommt, auf die auch ein Südfranzose stolz wäre. Oder Cathy Corison mit ihren komplexen, geschliffenen Cabernets. Sie alle setzen auf
Feinheit statt Wucht. Trotzdem: Auch am oberen Ende der
Qualitätspyramide gibt es Wuchtbrummen - ganz bewusst als solche angelegt. Joel Peterson vom
Weingut Ravenswood hat sich ganz dem
Zinfandel verschrieben und meint, dass er ein
Wein für Kerle sei: »Kein schwacher
Wein - und nichts für Schwächlinge.« Auf ganz natürliche Weise erreicht der kräftige Rote
Alkoholgrade von sechzehn
Prozent und ist auch sonst eher
deftig als vornehm. Nachdem die
Winzer aus Napa und Co. sich und der Welt bewiesen haben, dass sie Bordeaux-Blends herstellen können, die ebenso gut sind wie die allerbesten in ihrer Heimat
Bordeaux, können sie sich nun auch ganz entspannt dieser kalifornischsten aller
Rebsorten widmen. Seine Anbaumethode nennt Peterson nicht »organic« sondern »archaic«. Wenn das nicht aufs Gleiche rausläuft...
Zum ersten Teil: Auf dem Ökotrip
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