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Chianti. Das ist der Name des berühmtesten Weins der Welt. Jedermann wusste mal, dass der Chianti aus der Toskana stammte, dass er in schilfblattumwickelte Bauchflaschen abgefüllt wurde und dass er ein fruchtiger, heiterer Tropfen für unbeschwerte Essmomente war. Diese Gewissheiten wurden in den letzten dreissig Jahren nachhaltig zunichte gemacht. Erst wurde der Chianti immer dünner und saurer, dann zerschlugen die Toskaner die Fiasco genannte, bauchige Flasche. Und immer wieder vernimmt man, dass das Chianti-Etikett von skrupellosen Abfüllern auch auf nichttoskanischen Wein geklebt wird. Merum zeigt auf, wie der Chianti von Grossabfüllern und Grossverteilern erbarmungslos auf Grund gesetzt wird.

Die Deutschen lieben Chianti. Jedes Jahr putzen sie 25 Millionen Flaschen weg. Allem Anschein nach sind sie aber nicht bereit, ausgesprochen viel für ihren Lieblingswein hinzulegen. Beim Discount-Giganten Aldi ist man überzeugt davon, dass die Schmerzgrenze ihrer Kundschaft bei zwei Euro liegt und bietet Chianti seit mehr als zwei Jahren unverändert zu diesem Dumpingpreis an. Was nicht weiter skandalös wäre, wenn sich im gleichen Zeitraum der Preis für Chianti in der Toskana nicht genau verdoppelt hätte!
Etwas kann nicht stimmen, jemand legt drauf: Die Discounter? Die Lieferanten? Oder wird der Einfachheit halber nur wieder mal die Kundschaft über den Tisch gezogen?
Tatsächlich müssen, damit die Rechnung von Lieferanten, Importeuren und Discountern aufgeht, die Arglosigkeit des Verbrauchers und die Definition dessen, was «Chianti» zu sein hat, strapaziert werden: Während sich zwischen Mitte 1999 und Mitte 2000 - die Chianti-Fassweinpreise waren auf ihrem absoluten Tiefststand - mit dem Chianti-Geschäft goldene Nasen verdienen liessen, wurden die Margen ab Herbst 2000 immer knapper. Der Preis, den die Abfüller dann im Sommer 2001 für einen Liter Chianti bezahlen mussten, war genau doppelt so hoch wie zwölf Monate zuvor.
Selbst mit viel Wohlwollen lässt sich nicht erklären, wie eine Flasche Chianti DOCG, die den Abfüller in Italien zwei Euro kostet, in deutschen Regalen ebenfalls für zwei Euro angeboten werden kann.
Auch die italienische Finanzpolizei fand für diese Grosszügigkeit der deutschen Discounter und ihrer italienischen Lieferanten keine plausible Erklärung und stattete dem bekannten Abfüller und Aldi-Lieferanten Castellani in der Provinz Pisa einen Besuch im Grossaufgebot ab.


Chianti-Präsident Luca Giannozzi: "Unmöglich, dass den Verantwortlichen des deutschen Lebensmittelhandels nicht klar ist, daß sie für diese Preise nicht echten Chianti erhalten"

Roberto Castellani weist jede Schuld von sich und erklärt das Eingreifen der «Guardia_di_Finanza» so: «Da wir uns in der Periode der Vertragserneuerungen befinden, haben unsere skrupellosen italienischen Konkurrenten eine Geschichte erfunden, die nicht existiert … dabei wurde versucht, eine Routineinspektion, die jedes Jahr am Ende der Lese von Seiten der Beamten der Finanzbehörden durchgeführt wird, ins falsche Licht zu rücken.»
Für die «Routinekontrolle» - sie dauerte laut Castellanis eigener Aussage «nur» acht Tage - kann die «skrupellose» Konkurrenz allerdings wenig. Wer wie Castellani und Konsorten Unmengen Wein zu unmöglichen Preisen liefern, muss damit rechnen, dass er sich die Aufmerksamkeit der Kontrollorgane auch ohne fremdes Zutun zuzieht: Anfang 2000 betrug der Mindestproduktionspreis einer 0.75-Liter-Flasche Chianti für den toskanischen Abfüller 1,30 Euro, auf Grund der gestiegenen Fassweinpreise erhöhte sich dieser Kostpreis rasch und unerbittlich, um bis auf die aktuellen 1,90 Euro pro Flasche anzusteigen.
Unter 1,90 Euro kann keiner, der Wein, Flaschen, Korken, Kartons, Etiketten zukaufen muss, heute eine Flasche Chianti erzeugen. Falls er dann vielleicht noch zehn Cents verdienen will, kann er eine Flasche bestenfalls für zwei Euro offerieren.
Rechnet man nochmals zehn Cents für den Transport nach Deutschland hinzu, kommt der billigste aller billigen Chianti den Discounter - vor Importeurprovisionen - auf 2,10 Euro zu stehen. Unbeirrt dessen bietet Aldi Chianti DOCG - oder was dafür ausgegeben wird - aber für 1,99 Euro an.

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