Die Weine vom Ätna sind derzeit in aller Munde. Es scheint ein Boom zu sein, der nicht abebben will.
Francesco Cambria: Stimmt, die Appellation Ätna ist in der glücklichen Position, dass das internationale Interesse seit vielen Jahren zunimmt. Das bringt aber auch mit sich, dass man besonders in den Schutz und die Kommunikation der Marke Ätna investieren muss. Unser Anbaugebiet besteht aus vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen. Bei uns gibt es niemanden, der riesige Mengen abfüllt. Alle Betriebe zusammen bringen gerade mal 4,5 Millionen Flaschen in den Handel. Wir empfinden uns alle als Markenbotschafter des Ätna und ziehen daher an einem Strang.
Ist das vielleicht ein Erfolgsgeheimnis der Appellation? In vielen Anbaugebieten haben große Abfüller das Sagen und bestimmen so das Schicksal der kleineren Betriebe, was oft zu Unmut führt. Am Ätna ist dies nicht der Fall.
Francesco Cambria: Absolut. Zwar haben auch in unserem Konsortium größere Betriebe ein anderes Stimmrecht als kleinere Weingüter, aber die Unterschiede sind minimal, die Winzer ab fünf Hektar Rebfläche sind alle gleichgestellt. Ein weiteres Instrument, das uns seit einigen Jahren zur Verfügung steht, ist das sogenannte absolute Recht (Erga Omnes). Das bedeutet, wir können Regeln verabschieden, die für alle Betriebe der Appellation gelten, auch für diejenigen, die nicht Mitglied im Konsortium sind. Das macht eine flächendeckende Kontrolle möglich, bietet aber auch einen besseren Schutz vor Fälschungen.
Die Appellation Ätna ist seit ihrer Gründung 1968 eine DOC. Nun gibt es Pläne, die DOCG-Anerkennung zu beantragen.
Francesco Cambria: Die Beantragung der DOCG beim zuständigen Ministerium ist eines der Ziele, die ich mit dem aktuellen Verwaltungsrat für unsere dreijährige Amtszeit auf den Weg bringen möchte. Dafür brauchen wir die Zustimmung aller Mitglieder. Die Produktionsregeln müssten minimal angepasst werden, aber das betrifft nur die maximalen Hektarerträge und gegebenenfalls den Ausbau der Weine.
Was steht außerdem noch auf Ihrer Agenda für die kommenden Jahre?
Francesco Cambria: Da gibt es viele Punkte. Wir möchten beispielsweise die Unterschiede der einzelnen Lagen, der sogenannten Contrade, noch viel stärker herausarbeiten. Bereits seit 2011 dürfen die Weingüter den Lagennamen aufs Etikett schreiben. Doch bislang fehlt es an wissenschaftlichen Analysen, die Boden, Mikroklima und andere Besonderheiten einer bestimmten Contrada beschreiben. Daran arbeiten wir zusammen mit der Universität Catania. Zudem geht es darum, das Thema Nachhaltigkeit auf alle Bereiche unseres Sektors anzuwenden, nicht nur auf den Weinberg. Mehr als 60 Prozent der Rebfläche werden bereits biologisch bewirtschaftet, doch es geht uns um eine umfassende Nachhaltigkeit der Betriebe, auch was beispielsweise den Energieverbrauch betrifft.
In weniger als zehn Jahren hat sich die DOC-Rebfläche von 680 Hektar auf die heutigen rund 1.300 Hektar nahezu verdoppelt: ein enormes Wachstum. Seit einigen Jahren ist ein Pflanzstopp in Kraft, um das Gleichgewicht der Appellation zu wahren. Das hindert neue Unternehmen aber nicht daran, zu investieren und neue Weinberge am Ätna anzulegen, stimmt das?
Francesco Cambria: Ja. Sie können die Weine zwar momentan nicht als Etna DOC abfüllen, sondern nur als Sicilia DOC, aber viele haben natürlich die Hoffnung, dass diese Weinberge eines Tages ins Anbaugebiet aufgenommen werden. Das Konsortium überwacht Angebot und Nachfrage. Sollte die Nachfrage weiter ansteigen und die Preise stabil bleiben, wird man mit Sicherheit darüber diskutieren, weitere Weinberge aufzunehmen.
Apropos Weinberge, die außerhalb der Appellationsgrenzen liegen: Die höchstgelegenen, teils historischen Weinberge am Ätna wurden trotz jahrelanger Diskussionen noch immer nicht in die DOC Etna aufgenommen. Das liegt ja sicher nicht daran, dass diese Lagen nicht geeignet wären. Was ist der Grund dafür?
Francesco Cambria: Ach! Da legen Sie den Finger in die Wunde! Und angesichts der Tatsache, dass die Winzer in anderen Anbaugebieten Italiens mit den Weinbergen immer weiter in die Höhe gehen, um Frische und Eleganz zu erhalten, ist das natürlich schwer nachzuvollziehen. Aber das Thema ist äußerst komplex. Denn wenn die Grenzen einer Appellation verschoben werden sollen, muss man immer mehrere Interessen berücksichtigen. Wenn wir die Weinberge oberhalb der aktuell gültigen Höhenlinie in die DOC Etna aufnehmen würden, müssten wir das gleiche Zugeständnis auch Winzern mit Weinbergen in der Ebene machen, die ebenfalls seit Jahren wollen, dass ihre Flächen in die Appellation aufgenommen werden.
Die Appellation ist ungewöhnlich heterogen. Sie setzt sich zusammen aus historischen, ortsansässigen Weingütern, ausländischen Winzern, sizilianischen Unternehmen aus anderen Teilen der Insel und auch aus renommierten Winzern wie Angelo Gaja. Gibt es zwischen den Produzenten einen kreativen Austausch?
Francesco Cambria: Ja, und auch das ist eine unserer Stärken. Es gibt am Ätna viele gute Unternehmer, die die unterschiedlichsten Erfahrungen mitbringen und andere Winzer an ihren Ideen teilhaben lassen. Es gibt einen sehr regen Austausch und auch viele Freundschaften. Das hat mit Sicherheit schon viel Positives bewirkt. Wir sehen uns nicht als Konkurrenten.
Es gibt also keine Absatzprobleme?
Francesco Cambria: Nein. Ich kenne keinen Betrieb, der Absatzsorgen hätte. Es gibt auch keinen Fassweinmarkt im klassischen Sinne, der ja immer ein Indiz dafür ist, wie es um eine Appellation bestellt ist. Zwar könnten die Durchschnittspreise pro Flasche höher liegen, aber ich bin zuversichtlich, dass sich das in den kommenden Jahren bessern wird.
Bei welchen Weinen sehen Sie noch unausgeschöpftes Potenzial? Eher bei den Roten oder den Weißen?
Francesco Cambria: Mit Sicherheit bei den Weißweinen und auch bei flaschenvergorenen Schaumweinen. Der Ätna ist mit seinen Rotweinen bekannt geworden. Die meisten Winzer haben sich zunächst auf Nerello Mascalese fokussiert, vor allem auf der Nordseite des Vulkans. In den vergangenen Jahren sind jedoch hauptsächlich weiße Rebsorten gepflanzt worden, in erster Linie Carricante. Die Nachfrage nach Weißweinen vom Ätna hat massiv angezogen. Sie werden unter anderem wegen ihrer Langlebigkeit geschätzt. Im Vergleich zu vielen anderen sizilianischen Weißweinen haben sie Bergwein-Charakter, sie besitzen große innere Frische und ausgeprägte Mineralität. Was die Schaumweine betrifft, so arbeiten wir im Konsortium derzeit daran, einen Metodo Classico rein aus Carricante-Trauben ins Produktionsdisziplinar aufzunehmen. Heute sind die Schaumweine der Etna DOC Blanc de Noirs und bestehen zum überwiegenden Teil aus Nerello Mascalese.
Macht sich der Klimawandel auch am Ätna bemerkbar?
Francesco Cambria: Ja, das Klima hat sich spürbar verändert. Früher galt der 15. August als ein Wendepunkt im Sommer, der Regenschauer und Abkühlung mit sich brachte. Das ist heute nicht mehr so. Auch die Durchschnittstemperaturen sind gestiegen, die Hitze setzt immer früher ein, oft schon im Juni. Unsere Reben haben das Glück, dass es nachts um zehn bis 15 Grad abkühlt. Das ist sehr wichtig, denn auch hier haben die Niederschlagsmengen signifikant abgenommen.
Es ist also nicht zu befürchten, dass die Weine ihre Eleganz verlieren werden?
Francesco Cambria: Nein, das nicht. Die Höhenlagen, unsere mineralischen Böden und die Abkühlung, die die Nächte mit sich bringen, sind Garant für Frische und Eleganz. Aber wie alle Weinbaugebiete der Welt spüren auch wir, dass die Temperaturen in den vergangenen Jahren gestiegen sind.
Wie entwickelt sich der Weintourismus am Ätna?
Francesco Cambria: In den vergangenen fünf Jahren hat sich hier viel getan. Es gibt viele neue Übernachtungsmöglichkeiten und immer mehr Reiseveranstalter, die organisierte Touren zum Vulkan anbieten. Fast alle Weingüter machen geführte Verkostungen, die Zahl der Besucher wächst von Jahr zu Jahr. Glücklicherweise ist der Flughafen von Catania nur 45 Minuten entfernt und auch viele Touristen, die in Taormina im Urlaub sind, machen einen Abstecher zum Ätna.
Copyright Photo: ©Donnafugata (Header), ©Cottanera, ©123rf.com