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Immer, wenn wir ins Dorf durften, gingen wir daran vorbei: an den „Drei Königen“, der altehrwürdigen Wirtschaft im kleinen Hauptort des Kantons, wo unsere Schule – ein Internat – gestanden hat. Beides gibt es so nicht mehr: weder das Internat, aus dem eine staatliche Schule geworden ist, noch die „Drei Könige“, wo die Gastronomie längst aufgegeben wurde. Unrentabel. Nur die Bushaltestelle, unmittelbar vor dem Haus, hat den Namen behalten: „Drei Könige“. Im „Engel“, in der Wirtschaft schräg vis-à-vis, trifft man sich jetzt, zum Früh- oder Spätschoppen oder auch zwischendurch. Die „Drei Könige“ haben – nicht nur hier – ihre Anziehungskraft verloren. „Engel“ mögen vielleicht noch locken, verlocken, aber „Drei Könige“ sind hoffnungslos veraltet, verstaubt, haben abgewirtschaftet. Da ziehen schon eher „Aura“, „Blue Monkey“, „Bohemia“, „Cheyenne“, „Coco Grill“, „Clouds“ etc. die Kundschaft an. Dabei waren es „Die drei Könige“, die mich – unter anderem – zum Wein gebracht haben. Ob sie je heilig waren, weiß ich nicht, für mich jedenfalls waren sie etwas Besonderes.

 

Altes Wirtshausschild: "Drei Könige" in Wangen im Allgäu. Auch hier hat das Schild das Wirtshaus überlebt. (Foto: P. Züllig)

Das Wirte-Paar des „Drei König“ hatte drei Töchter, die eine schöner als die andere, ich weiß nur noch, dass die eine Pia hieß. Wir konnten nur schwer am Lokal vorbeigehen, ohne wenigstens einen Blick in die Wirtsstube zu werfen. Da saßen Männer am Jass-Tisch (ein Kartenspiel), tranken Bier und waren laut. Ab und zu drangen wir vor in eine etwas dunklere Ecke, da war für uns der richtige Platz. Sehen und möglichst nicht gesehen werden. Dort aber saßen oft auch unsere Lehrer, ich weiß nicht, was sie hergelockt hat, das Glas Wein, an dem sie nippten, oder die oft in der Wirtsstube umherschwirrenden schönen Töchter. Für mich jedenfalls – so erinnere ich mich – waren es beide, das „Tschumpeli“ (Römer) Wein und die Töchter, vor allem die eine, Pia. Da konnte ich später, wenn wir an Festtagen das „Salve Regina“ sangen, von ganzem Herzen (man kann schon sagen) brüllen:
„O clemens, o pia“ (Clemens ist mein zweiter Vorname; aus dem Latein übersetzt heißt die Zeile: „oh Gütige, o Milde“) – und hoffen, dass sie es hört. Vielleicht war es der Wein, der mich damals zu diesen pubertären Spielchen getrieben hat. Es war jedenfalls der erste Wein, den ich allein in einem Restaurant getrunken habe. Warum Wein? Er war sauer und alles andere als gut, aber es war Wein – wohl aus Algerien –, mit dem ich mich abgrenzen konnte von den biersaufenden Verbindungsstudenten (meinen „uniformierten“ Kollegen), die im Bierritual ihr Glück suchten, und öffentlich mit einem Glas Wein demonstrieren, dass ich jetzt erwachsen bin (ich war in den obersten Klassen, also etwa 18, 19 Jahre jung). Damals begann mein Verhältnis (nein, nicht mit Pia) mit dem Wein (statt mit Bier). Und der Wein blieb mir bis heute treu, Pia und ihre Schwestern habe ich längst vergessen.

 

„Drei Könige“ ein historisches Gebäude in Schwyz. Es wurde inzwischen renoviert und für Wohnungen umgebaut. (Foto: P. Züllig)

Seither haben „Drei Könige“ in Zusammenhang mit Wein für mich einen besonderen Stellenwert. Als ich kürzlich in der Werbung las: „Caspar, Melchior und Balthasar sollen einen hellen Stern am Himmel gesehen haben. Weil er viel heller leuchtete als alle anderen, folgten sie ihm bis nach Bethlehem. Die drei Könige der Weinwelt heißen Suckling, Parker und Falstaff. Mit ihren Weinkritiken und Publikationen zeigen sie uns den Weg zu den besten und wertvollsten Weinen der Welt“ – da kam mir all das wieder in den Sinn: der eher saure „Algerier“ und die drei schönen Töchter. Ich gebe zu, die Töchter sind mir heute noch lieber als die neuen drei

Könige der Weinwelt, und zwar aufgrund meiner Erfahrung, dass sich so mancher heller leuchtende Stern (der Weinwelt) als Irrlicht entpuppte.
Aber wo auch immer drei Könige auftauchen, da habe ich seither – in all den vielen Jahren – Halt gemacht. Zum Beispiel im Weingut „Dreikönigshof“ in Bingen, direkt am Rhein. Meine deutschen Weinfreunde haben sich gewundert, warum ich auf unserer Rheinhessentour ausgerechnet dieses Weingut besuchen wollte und nicht Keller, Gunderloch oder Wittmann (und wie sie alle heißen). Da waren wir nachher auch, doch zuerst kam der „Dreikönigshof“. Mein „Dreikönigs-Geheimnis“ habe ich damals für mich behalten.

 

Unterwegs in den Weinbergen und auf Weingütern in Rheinhessen. (Foto: P. Züllig)

So hat eben jeder – auch der noch so wählerischste Weintrinker – seine stillen Vorlieben, seine geheimen Wünsche, seine gespeicherten Erinnerungen. Und die können, aber müssen sich nicht mit der Qualität decken. Wein ist eben auch Mythos. Das weniger Bekannte, das eher Alltägliche, das individuell Besondere hat da durchaus seinen Platz, auch wenn die Wein-Caspars, -Melchiors und -Balthasars dabei den heller leuchtenden Stern nicht erkennen können.

 

Dreikönigswein vom Weingut „Buurehöfli“ in Kleinandelfingen% Schweiz. (Foto: P. Züllig)

Auch in der Schweiz – wie wohl noch an vielen Orten – gib es so etwas wie Dreikönigsweine. Der eine, den ich auf dem Weingut „Buurehöfli“ (Kleiner Bauernhof) entdeckt habe, nennt sich tatsächlich „Drei Könige“, eine Cuvée aus den Rebsorten Chancellor, Monarch und Cabernet Cortis. Diese Namen sind fast so exotisch wie inzwischen die Namen der drei Könige, die einst zum Stall in Bethlehem pilgerten. Die drei Rebsorten-Könige (ob es schon Könige, noch Prinzen oder gar Frösche sind, die noch geküsst werden müssen, sei dahingestellt) weisen darauf hin, dass es sich beim „Buurehöfli“ um einen Biobetrieb handeln muss, denn die „Drei Könige“ des Weinguts sind interspezifische Neuzüchtungen, pilzresistent und werden vor allem im biologischen Weinbau eingesetzt.

Ohne mein Dreikönigs-Erlebnis in der Jugend hätte ich diese Rebsorten und so manches Weingut nie kennengelernt, und meine Weinerfahrung wäre heute zwar nicht kleiner, aber ein Stück ärmer.

„Dreikönig“ ist auch verbunden mit mittelalterlichem Brauchtum. Mit Königen konnte man damals noch etwas anfangen, sie waren ein Begriff, eine Macht, Schicksalsgestalten. Deshalb war es üblich, am Dreikönigsabend einen Kuchen mit einer Bohne zu backen. Der Kuchen war als Kultspeise gedacht. „Er wurde in so viele Stücke geschnitten, dass nach seiner Verteilung noch drei Portionen für den „Bohnenkönig“ übrig blieben und die müssen vom König als Almosen verschenkt werden“, so die Chronik. Reste dieses Brauchtums – der Dreikönigskuchen – haben die Jahrhunderte bis heute überlebt.

 

Caspar% Melchior und Balthasar – jedes Jahr kehren sie im Brauchtum am 6. Januar zur Erde zurück. (Foto: P. Züllig)

Besonders beliebt – bei Erwachsenen, nicht bei den Kindern – ist der Glaube an das Weinwunder in der Dreikönigsnacht. Nochmals die Chronik: „Von Weihnachten bis Epiphanias ist heilige Zeit. Eine Reihe von Wundern spielen sich da ab. Weil die Kirche am 6. Januar auch das Kanaa-Wunder begeht, hat sich der Volksglaube gebildet, dass in der Epiphaniennacht um zwölf Uhr alles Wasser zu Wein wird.“

Für den Weinfreund eine schöne, aber auch schreckliche Vorstellung. Mir kommt der saure „Algerier“ aus den „Drei Königen“ in den Sinn. Nicht jeder vermeintliche König ist ein Wohltäter. Mittelalterliches Brauchtum hin oder her. Wer daran zweifelt, kann sich heute um Mitternacht davon überzeugen lassen.

Herzlich
Ihr/Euer

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