Die “Kollektionen des Jahres” verleihen wir an jene Weingüter, die uns zuletzt besonders positiv aufgefallen sind und die uns mit besonders eigenständigen Weinen und Sortimenten überzeugen. Das können berühmte Spitzenerzeuger sein, aber auch aufstrebende Betriebe, und von denen wir aufgrund ihrer Leistungen den Eindruck haben, dass sie sich gerade in der absoluten Gebietsspitze etablieren.
Die “Entdeckung des Jahres” wird an Weingüter verliehen, die wir bis vor Kurzem entweder gar nicht kannten, oder die uns im jeweiligen Gebiet zuletzt durch den größten Qualitätssprung aufgefallen sind und die wir jedem Weinfreund, der neue, noch nicht überall bekannte Spitzenwinzer kennenlernen will, nur ans Herz legen können. Ob wir einen Preis verleihen können, hängt auch davon ab, wie repräsentativ die Weinanstellungen aus dem jeweiligen Gebiet ausgefallen sind, aber auch davon, wie vollständig die in Frage kommenden Weingüter eingereicht haben und wie gut das Gesamtniveau ist. So kann es sein, dass wir für einige Gebiete gar keine Preisträger haben, für andere möglicherweise nur eine Kollektion oder eine Entdeckung des Jahres.
Nach Alexander Stoddens Stilwandel sind seine Weine wegweisend an der Ahr. Trotz moderatem Alkohol besitzen sie Substanz, Kraft und Tiefe, was gerade 2021 alles andere als einfach zu bewerkstelligen war. Und das Wichtigste: Sie sind völlig eigenständig, ganz ihrer Herkunft verpflichtet und vollkommen unprätentiös. Man hat beim Probieren unweigerlich den Eindruck: So muss das hier schmecken.
Die Weine der Gebrüder Bercher fliegen mit ihrem eher leisen Charakter oft ein bisschen unter dem Radar. Dabei entsteht bei nur wenigen Kaiserstühler Produzenten so zuverlässig Jahr für Jahr und quer durch alle Sorten Erstklassiges. Das beweist das Weingut gerade auch wieder mit den exzellenten roten 21ern ebenso wie mit den Weißen aus 2022; beides wahrlich keine einfachen Jahrgänge. Nur hat den Berchers das offenbar niemand gesagt.
Paul Weltner macht Silvaner, denen man ihre Größe erst auf den zweiten oder dritten Schluck anmerkt. Weil sie so fein und unaufdringlich daherkommen, bekommt man erst nach und nach mit, wie konzentriert, tief, mineralisch und ausdrucksstark sie in Wahrheit sind. Hier entsteht der beste Chablis Frankens. Nur dass er nach Silvaner schmeckt.
Das 2018 gegründete Weingut verfügt über lediglich einen Hektar Weinberge. “Aus dem Vollen schöpfen” kann man das also noch nicht nennen, was der passionierte Langstreckenläufer Florian Reus hier betreibt. Dennoch hat er sich mit einigen Weinen zuletzt fast unbemerkt in die erste Reihe der fränkischen Weinszene geschlichen. Vor allem Chardonnay und Weißburgunder haben schon echte Klasse.
Ausgerechnet in einem Jahrgang, der vielen Winzern Weine bescherte, denen es an Komplexität und Rückgrat mangelt, entstanden bei Van Volxem Rieslinge mit einer Tiefe, Ausdruckskraft und Spannung, wie wir es hier noch nicht oft erlebt haben. Das ist die beeindruckendste Serie, die wir dieses Jahr von Mosel, Saar und Ruwer probieren konnten. Wir ziehen den Hut.
Ehre wem Ehre gebührt. Es mag manchem Beobachter schon langweilig werden, und wir selbst wissen gar nicht mehr genau, wie oft Schönlebers diese Auszeichnung schon erhalten haben. Aber was soll man machen? In diesem wahrlich nicht einfachen Jahrgang sind Frank und Werner Schönlebers Weine wieder einmal Leuchttürme in der deutschen Riesling-Landschaft. Ihr “Auf der Ley” ist einer der wenigen wirklich großen Weißweine des Jahrgangs. Aber was soll einen hier noch überraschen, wo ja schon die Ortsweine besser sind als so manches Grosse Gewächs?
Bürklin-Wolf ist mit seinen Rieslingen so fern von allen Moden wie kaum ein anderes Weingut in Deutschland. Wie gut dieses Konzept, unbeirrbar den eigenen Weg zu gehen, funktioniert, wird in einem schwierigen Jahrgang wie 2022 ganz besonders deutlich. Die Weine sind völlig unprätentiös, knochentrocken, ruhen regelrecht in sich, verfügen dabei aber über eine Tiefe, Komplexität und Ausdruckskraft wie nur wenige andere in Deutschland. Die ganze 22er Riesling-Serie ist eigentlich ein einziges Statement: “Hier stehe ich, ich kann nicht anders!” Wir sind schon ein kleines bisschen sehr beeindruckt.
Die “Kollektion des Jahres” für Gunter Künstler gilt vor allem seiner bemerkenswerten Riesling-Kollektion und unserer Freude darüber, dass sich die Weine nach einer Phase, wo sie uns manchmal ein wenig zu glatt erschienen, wieder in der absoluten Spitze der Rheingauer Weinszene zurückmelden. Da im Rheingau die Grossen Gewächse seit Kurzem erst mit einem Jahr Verspätung auf den Markt kommen, haben wir hier überwiegend die exzellenten 21er probiert. Doch einen Vorgeschmack auf 2022 gibt es schon: Der großartige 22er Marcobrunn übertrifft gegen den Trend alle 21er noch und schaffte es gleich in die Top Ten aller trockenen Rieslinge des Jahrgangs in Deutschland. Und das ist kein einzelner positiver Ausrutscher, denn schon die noch ziemlich preiswerten 22er Ersten Lagen haben für den Jahrgang ungewöhnliche Klasse.
Jeder Wein von Simone Adams macht einem deutlich, dass hier jemand offenbar genau weiß, was sie tut. Besonders die Spätburgunder sind von bemerkenswerter Güte. Präzise, tendenziell kühle und feine rote Burgunder sind in Deutschland keine Seltenheit mehr, aber nur wenige Weine dieses Stils verfügen über eine ähnliche Dichte, echte Komplexität und Tiefe und über einen so festen, herben Kern, die einen unweigerlich an die großen Vorbilder aus dem Burgund denken lassen. Man ist in der deutschsprachigen Weinkritik mit den Attributen “groß” und “Weltklasse” oft allzu freigiebig oder mindestens voreilig, auch hier ist das der Fall. Aber wenn die Ingelheimer Lagen in der Lage sind, große rote Burgunder hervorzubringen, werden wir es von Simone Adams als erstes erfahren. Auf dem Weg ist sie.
Moritz Haidle, so scheint es, hat seinen Stil gefunden. Seine Weine sind fest, ausdrucksstark und geschliffen, auch die kräftigen Exemplare besitzen immer auch Kühle und Eleganz, und den Schlanken wiederum fehlt es nie an Stoff. Das gilt nicht nur für die hervorragenden Rotweine: Der 21 Pulvermächer gehört zu den besten trockenen Rieslingen, die wir aus Württemberg kennen.
Wenn man wissen will, wie gute Orange-Weine schmecken können, ist Denavolo eine der ersten Adressen. Dass Naturwein konzentriert, vielschichtig und spannend sein kann, dürften auch seine Gegner nur selten bestreiten, doch nur selten erlebt man ihn so ungeheuer animierend wie hier. Wen die Weine von Denavolo nicht zum Fan bekehren, der ist für Orange für immer verloren.
Chiara Boschis produziert auf ihrem 14-Hektar-Weingut in Barolo Weine, die erhaben sind über die pauschale Einordnung in “modern” oder "traditionell”. Zwar kommen hier auch neue Barriques zum Einsatz, doch ihr Einfluss ist geschmacklich ebensowenig prominent wie etwa bei großen Grands Crus aus dem Burgund. Hier entstehen Barolo, wie man sie sich nobler kaum wünschen kann; nur selten erlebt man eine ähnliche Balance von Kraft und Feinheit, Schliff und Komplexität, Tiefe, Druck und Finesse wie hier. Sie sind schon jung betörend wie wenige andere, und doch benötigen sie Flaschenreife, um zu zeigen, was wirklich in ihnen steckt. 2019 ist Boschis eine überragende Serie gelungen, die sich kein Barolo-Liebhaber entgehen lassen darf. Der Cannubi gehört zu den ganz großen Weinen der Welt.
Täuschen wir uns, oder machen die Weine bei Schreckbichl gerade eine zwar behutsame, aber doch merkliche Entwicklung durch? In einer Zeit, die es den Betrieben zunehmend schwierig macht, in den Weinen Feinheiten und Frische zu erhalten, erleben wir hier erstaunlich differenzierte Rot- und Weißweine mit Leben, Spannung und Schliff - und das quer durch alle Qualitätsstufen. Besonders auffällig: in nahezu jeder Kategorie stellt Schreckbichl einen der Spitzenweine der Saison. Die Entscheidung zur Kollektion des Jahres fiel uns da ungewohnt leicht.
Michael Winkler hat die von seinem damals schwer erkrankten Vater 2001 stillgelegte Sektkellerei 2017 wiederbelebt und brachte Anfang 2021 mit dem Lamm N°12 seinen ersten eigenen Schaumwein auf den Markt, dem gerade mit dem “Anna-Katharina N°15” eine Rosé-Version an die Seite gestellt wurde. Mit beiden Weinen schaffte es der Familienbetrieb auf Anhieb in die Spitzengruppe nicht nur der Südtiroler, sondern aller italienischen Spumante-Produzenten. Von Verena und Michael Winkler werden wir ganz ohne Zweifel noch öfter hören.
Bei Salvioni entsteht so etwas wie die Essenz des Brunello, und das nicht nur in großen Jahrgängen. Es gibt vielleicht eine Handvoll Betriebe im Gebiet, die mit solcher Zuverlässigkeit traditionellen Brunello von Weltklasse produzieren – und das ist schon großzügig geschätzt. Enttäuscht wurden wir hier noch nie. 2018 ist hier ein tiefes, in sich ruhendes Meisterwerk von leiser Größe und Noblesse gelungen, wie man es in diesem Jahrgang kaum für möglich halten würde.
Giannitessari produziert nicht nur sehr guten Soave und andere bemerkenswerte Weißweine, das Gut ist auch das Flaggschiff der erst 2011 gegründeten DOC Lessini Durello, einer reinen Schaumwein-Appellation im Osten des Gardasees, deren erste Spitzenweine noch nicht lange auf dem Markt sind. Mit seinen großartigen Spumante ist Giannitessari hauptverantwortlich dafür, dass der Lessini Durello schon heute zu den bedeutendsten und eigenständigsten Schaumweinen Italiens gezählt werden muss.
Herbert Zillinger produziert schon lange Weine, die sowohl was den Charakter, als auch die Qualität an sich angeht, mit dem Mainstream im Weinviertel wenig bis gar nichts zu tun haben. Doch zuletzt muss er nochmal an einigen Stellschrauben gedreht haben. Die aktuelle Serie ist so profund, wie wir es selbst bei einem Meister wie ihm bislang nicht erlebt haben. Die Weine verbinden Kraft und Substanz mit Feinheiten, Leben und innerer Ruhe, sie besitzen eine Tiefe und Komplexität, die man nicht nur im Gebiet selten findet. Doch nicht nur auf dem “klassischen” Terrain können Zillinger nur wenige das Wasser reichen: Mit seinem 16 “Radikal” zeigt er ein wildes, extrem vielschichtiges, ungestümes Meisterwerk, einen der besten Weine dieser Art überhaupt.
Der 1999 gegründete Betrieb verfügt über drei Weingüter in der Rioja und in der Ribera del Duero mit insgesamt 300 Hektar. Kein Wunder also, dass hier eine breite Palette an Weinen aller Klassen entsteht. Das Wunder ist eher die Konsequenz, mit der hier Spitzenqualität angestrebt wird. Selbst die Basisweine sind zuverlässig von bemerkenswerter Güte, ganz gleich ob weiß oder rot. Hier kann man praktisch blind kaufen, man wird nicht danebengreifen.
Volker Raumland hat in Deutschland eine wahre Revolution losgetreten. Er hat nicht nur einigen Spitzengütern zu erstklassigem Sekt verholfen, wie es ihn vorher in Deutschland nicht gab, er setzt auch mit seinem eigenen Sektgut in Rheinhessen Maßstäbe. Er hat damit (fast) allen gezeigt, wie es geht. Und segelt weiter vorneweg.