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„Gambei” ist chinesisch und heiße soviel wie „prost”, glaubte ich - und wurde rasch eines Besseren belehrt. „Gāoxìng!”, oder so ähnlich, sei der bessere Ausdruck, denn „gambei” bedeute „trockenes Glas” und verlange, dass man es in einem Zug leere, was unserem „Ex-Trinken” entspricht. Nur, dass man dies bei uns - vor allem unter Studenten - mit Bier, kaum aber mit Wein - praktiziert.

Unsere ersten Erfahrungen mit dem Begriff „Gambei” bei „Dynasty” in China


Überrascht war ich, als auch gewichtige Vertreter der chinesischen Weinindustrie auf unserer Wine-Tasting-Tour ein „Gambei” nach dem andern ausgesprochen haben - begleitet von guten Wünschen. Auch wenn die aufgetischten Gläser bedeutend kleiner waren als unsere Weingläser, so haben wir doch spätestens nach dem dritten Trinkspruch aufgegeben, trotz Sittenwidrig- und Unhöflichkeit. Fortan tranken wir den meist sehr guten Wein nur noch schluckweise und mit Bedacht. Vielleicht verrät die Trinksitte „gambei” ein Stück chinesische Weinkultur. „Wine” ist da nicht Wein, sondern ein alkoholisches Getränk, zu dem auch der „White Wine” gehört, der nicht aus Trauben, sondern aus Getreide gewonnen wird. Auf der Weinkarte im Restaurant finden wir deshalb unter „Wine” nicht nur rote und weiße Weine, sondern auch hochprozentige Getränke, vom Reisschnaps bis zum Whisky.

Aus dieser Begriffvermischung kommen wohl auch die „verbürgten” Geschichten, in denen „Chinesen den teuren Petrus mit Cola panschen oder eine volle Petrus-Flasche an weiß getünchte Wände zu knallen…” Weinfreund Artur Krueger diagnostiziert richtig: „Alles urban legends!  Diejenigen, die das Zeug kaufen, wissen sehr genau, was sie kaufen und werden weder das Eine noch das Andere tun. Ausnahmen bestätigen die Regel….”

 

 

Alles ist in China etwas grösser% gigantischer. Auch die Weinproduktion.


Tatsächlich gab es eine Zeit - so Mitte der Neunziger - als es schick war, Wein mit einem Süssgetränk - zum Beispiel Cola - zu mischen. Denn trockener Wein entspricht nicht dem „Geschmack” der Chinesen. Und doch gibt es einen beachtlichen Weinkonsum auch in China: einerseits sind es die wohlhabenden Chinesen, Geschäftsleute, aus dem In- und Ausland, welche - vorwiegend - importierte Weine trinken. Wein ist in China zum Prestigegut geworden, das wie Kühlschrank und Auto immer häufiger zum Lebensstil und Luxus gehört. Andererseits sind es jüngere Leute, so zwischen 20 und 35 Jahren, die in städtischen Gebieten wohnen und relativ gut verdienen. Zwar steigt auch der Weinkonsum in Bars und „In-Lokalen”, doch häufig wird Wein immer noch mit Limonade gemischt.

 

 

Laut Statistik konsumiert in China weniger als ein Prozent der Bevölkerung Wein. Die beträchtlichen Wein-Importe (heute ca. 45 Millionen Liter) waren lange Zeit auf die in China wohnenden Ausländer ausgerichtet. Dies hat sich geändert. Immer häufiger findet man importierte Weine auch auf Speisekarten von Restaurants, die von Einheimischen bevorzugt werden. Dabei geht es - wie man uns immer wieder versichert hat - eher um den Statusgewinn als um ein Geschmackserlebnis. Eigene Erfahrungen bestätigten dies: Weingläser, wie wir sie für die verschiedenen Weine kennen oder gar Degustationsgläser sind selten, selbst an Verkostungen bei renommierten Weinproduzenten.


Changyu, die älteste Weinproduktion Chinas, hat uns im pompösen Konferenzsaal des Wein-Kultur-Museums empfangen. Immerhin stellte man sechs Weine bereit, dazu aber viel zu kleine, gar nicht weingerechte Gläser, kein Spuckgefäss und schon gar keine Unterlagen zu den Weinen. Nach etwa einer Viertelsunde kam dann die eloquente Export-Chefin. Erst als sie unsere Visitenkarten studiert hatte, orderte sie sowohl Spuckgefässe als auch richtige Weingläser. Zum zweiten und letzten Mal auf unserer China-Reise gab es so etwas wie eine echte Degustation mit verschiedenen Weinen zum Vergleich. Über die Weine selber, ihre Qualitäten, ihre Eigenschaften, die Zusammensetzung der Rebsorten, die Produktionsmethoden wollte die Weinfachfrau aber nicht reden. Nur über Zahlen, Erfolge, Exportchancen, Weingeschichte, Unternehmensstrukturen…...

 

 

Der Einfluss der französischen Weintradition ist in der chinesischen Weinproduktion überall sichtbar.


Später, im Weinshop, wollte ich den besten Rotwein des Unternehmens kaufen, um ihn zur Nachverkostung in die Schweiz zu bringen. Der beste war etwa doppelt so teuer wie der Drittbeste. Als ich mich über die unterschiedliche Qualität erkundigte, da meinte man: es gibt keinen Unterschied, in allen drei Varianten ist der gleiche Wein, nur die Aufmachung, die Flasche, das Etikett sind anders: Volksausführung und Luxusausführung. Wein ist eben Prestigesache in China.

In den Hotels und Restaurants, die von Touristen und Geschäftspartnern aus dem Ausland frequentiert werden, gibt es in der Regel sowohl inländische als auch importierte Weine. Zudem weiß mindestens eine Person im Service mit Wein umzugehen. Doch für die allermeisten ist Weinkultur ein Fach, das in der Service-Ausbildung (noch) nicht gelehrt worden ist.

In typischen chinesischen Restaurants hingegen - auch dort, wo man sehr gut chinesisch isst - gibt es meist nur je einen Weiss- und einen Rotwein zur Auswahl, serviert in einem Einheitsglas, das auch für Bier verwendet wird. Andere Gläser sind kaum aufzutreiben. Auch der Umgang mit dem Korkenzieher ist oft ein amüsantes Schauspiel: Glück gehabt, wenn der Korken nach fünf Minuten draussen ist und nicht in der Flasche schwimmt. Dekantieren oder so etwas wie Temperaturanpassung: völlig unbekannt.

 

 

Getränkeladen in China. Hier wird im Alltag eingekauft. Es gibt da kaum Wein.


Das wichtigste Kriterium für die Weinwahl in China ist das Herkunftsland und - bestenfalls - die Rebsorte. Anbaugebiet, Jahrgang, Assemblage spielen so gut wie keine Rolle. Bei den Roten dominiert Cabernet-Sauvignon. Wenn er aus Frankreich kommt, dann ist es bereits ein Top-Wein für die Chinesen. Im Billigsegment kommen die Weine meist aus Italien, im mittleren Bereich darf es Spanien, Australien oder Nordamerika sein.

Für uns „westliche” Weintrinker ist eines nur schwer nachzuvollziehen: das „Mischen” der Weine (Verschnitt). Da gibt es kaum Vorschriften und keine Transparenz. Ein Cabernet-Sauvignon muss mehrheitlich (mehr als 50%) Cabernet enthalten, doch was sonst noch dazugeschüttet wird, welche Weine, welche Rebsorte, welcher Jahrgang, Importiert oder Eigenproduktion, das bleibt „Betriebsgeheimnis”. Unsere entsprechenden Fragen wurden immer mit freundlichem, aber eisigem Schweigen quittiert.

 

 

Weinbauern in den Rebbergen begegneten wir nur in Schaukästen im Museum.


Erst wenn man nicht den Alltag, sondern die Statistik beachtet, wird die Bedeutung von China in der Weinwelt der nahen Zukunft klar. 390 Millionen Liter Wein trinken die Chinesen heute schon, dies ist bei 1,3 Milliarden Menschen noch sehr wenig (0.3 Liter pro Jahr). Nimmt der Weinkonsum aber zu - alles deutet darauf hin, und der Weinabsatz wird von der Regierung kräftig gefördert - dann braucht China schon bald eine Milliarde Liter Wein pro Jahr (bei 1 Liter Jahreskonsum). Würde sogar einmal europäischer Weinkonsum in China Einzug halten (30 und mehr Liter pro Kopf im Jahr), dann wäre Wein schon nach kurzer Zeit weltweit Mangelware.

 

 

Englisch beschriftet% zum Export bereit. „Nobel Dragon”% Weißwein aus Shandong.

China produziert heute schon 90 Prozent des Eigenbedarfs und exportiert zudem Wein in den Westen. Dreißig Länder sollen bereits Abnehmer sein, genaue Zahlen sind nicht erhältlich - nur firmeneigene Angaben. Auf rund einer halben Million Hektar wachsen in China schon heute Reben, Jahr für Jahr sind es etwa 15 Prozent mehr. Man muss nicht Statistiker sein, um auszurechnen, wann China das grösste Rebgebiet der Welt aufweisen wird (sofern die Entwicklung so weitergeht). Die Voraussetzungen dafür sind gut: über 50 Prozent der Bevölkerung betreibt Agrarwirtschaft, es ist unendlich viel Anbauland vorhanden, und in den nördlichen Regionen herrschen günstige Bedingungen für den Rebbau. Nur im Winter wird es empfindlich kalt, so dass die Rebstöcke in die Erde eingegraben werden. Doch Personalmangel kennt man in China nicht.

„Langfristige Pläne”, sagte man uns immer wieder, sowohl in der Dynasty Winery, als auch in der Bodega Langes, beim Staatsbetrieb Great Wall und bei den „Exportkönigen Dragon Seal und Changyu Winery. Immerhin verabschiedeten wir uns dort mit dem Versprechen: „Auf Wiedersehen an der „Pro-Wein” in Düsseldorf. Allerdings dann ohne das Ritual von „Gambei”!

Herzlich
Ihr/Euer
Peter (Züllig)

 

 

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