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Pinot Noir von der Domaine d'Antugnac im "Haute Vallée de l'Aude" (Languedoc)% der im Guide Hachette immerhin mit einem Stern ausgezeichnet ist.

Während in den Weingebieten im Süden Frankreichs noch immer Winterruhe herrscht, tobt in den Winzerkreisen des „Midi“ ein heftiger Krieg. Die regionale Tageszeitung titelt: „Argwohn. Diese Blauburgunder lassen die Weinwelt des Südens erzittern.“ Was ist passiert? Was hat die Rebsorte „Pinot noir“ in einer Gegend zu suchen, in welcher sie nie heimisch war? Bevorzugt der Pinot nicht ein kühleres Klima als das sonnenverwöhnte Gebiet am Mittelmeer? Richtig. Doch der Pinot soll helfen, die Weinkrise im Süden zu meistern.

 

Carignan (über 50%), Grenache, Syrah, Mourvèdre und Cinsault sind die traditionellen Rebsorten für Qualitätsweine im Languedoc. Doch – sind Weine aus diesen typisch mediterranen Trauben weltweit noch gefragt? Sind nicht Cabernet und Merlot heute die international erfolgreichsten Rebsorten, die als Assemblage in fast allen Weinländern der Welt anzutreffen sind? Es erstaunt deshalb nicht, dass sowohl Cabernet als auch Merlot im größten Anbaugebiet Frankreichs, im Languedoc-Roussillon, immer häufiger angepflanzt werden, obwohl die beiden Rebsorten für AOC-Weine nicht zugelassen sind. Man sucht mit allen Mitteln den Markt zu erobern. Mit allen Mitteln? Allzu oft leider auch mit illegalen. Seit das Road Movie „Sideways“ dem Pinot Noir in den Vereinigten Staaten zu Kultstatus verholfen hat, wittert man selbst im Languedoc das „große Geschäft“ mit dem Pinot. Tatsächlich erzielt der Pinot „en vrac“ (Fasswein) etwa 130 Euro pro Hektoliter, während Merlot und Cabernet bei 50 bis 70 Euro stagnieren. Also ein gutes Geschäft! Aber: es gibt im Languedoc nur 978 Hektar, die mit Pinot Noir bepflanzt sind, was einer Produktion von etwa 50‘000 Hektolitern entspricht. (Gesamte Rebfläche im Languedoc: knapp 300‘000 Hektar)

 

Schlagzeile in der Regionalzeitung von Südfrankreich - Verdacht auf Weinbetrug

Soweit die Fakten. Und nun der vermutete Skandal: Es wurde zwischen 2006 und 2008 von einem einzigen Händler weit mehr „angeblicher“ Pinot aus dem Languedoc an die USA verkauft als hier produziert werden kann, auch wenn man jeden Tropfen zusammenrechnet. Nun, Pinot ist im Languedoc kein AOC Wein. Er wird unter dem Begriff „Vins de Pays d’Oc“ vermarktet. Es gibt also keine strikten Kontrollen, welche Rebsorten darin enthalten sind. Doch die Amerikaner (Ernest & Julio Gallo Winery) kauften (und bezahlten) Pinot Noir und nicht irgendeinen Wein aus dem französischen Süden. Ein Rechtsstreit also, mehr nicht?

Doch viel mehr: vielleicht ein weiterer, entscheidender Schlag gegen die aufkeimende Hoffnung, endlich aus der Absatzkrise im Languedoc herauszufinden. Der amerikanische Weinhändler Gallo vermarktet seit 2005 unter dem Namen „Red Bicyclette“, Vin de Pays d’Oc, einen Wein zu etwa 10 Dollar (Verkauf). Mit 6 Millionen Paletten und einem Werbeaufwand von 5 Millionen Dollar ist dies die größte Verkaufsaktion für einen französischen Wein in den USA. Erhärtet sich der Betrugs-Verdacht, ist auch dieses Geschäft in Gefahr, denn die Firma hat bereits angekündigt, allenfalls die Geschäftsbeziehungen abzubrechen.

 

Auslöser des Pinot Noir-Booms in den USA: der Film "Sideways"

Was sich wie ein Krimi anhört, ist für die betroffenen Weingebiete (vor allem für gute, bisher erfolgreiche Genossenschaften) existenzbedrohend. „Wir haben bereits genügend wirtschaftliche Schäden zu verkraften. Wir brauchen dies nicht auch noch“, lamentiert ein Verantwortlicher der Genossenschaften in der Zeitung. Dies alles „nur“, weil ein Film aus einem Wein einen Kultwein gemacht hat. Gibt man nämlich auf Google die beiden Begriffe „Sideways“ und „Pinot“ ein, erhält man in 23 Sekunden etwa 80‘000 Antworten. So sehr hat die Gralssuche der beiden Freunde Jack und Miles in Amerika eingeschlagen. Pinot Noir heißt hier der Gral, und er hat unter anderem zur Folge, dass zum Beispiel Willamette Valley Vineyards den Verkauf von Pinot in den Jahren 2005 und 2006 um rund 100 Prozent steigern konnte (der Film erschien 2005!), und in den USA wuchs die Anbaufläche von Pinot von 8‘000 auf 11‘000 Hektar. Damit ist die USA nach Frankreich das zweitgrößte Produktionsland für Pinot geworden

 

Neupflanzungen von riesigen Rebfeldern in Kalifornien

Die Moral der Geschichte: Wein ist eben auch ein Modeartikel, vor allem dann, wenn es um die Vermarktung geht. So zieht der Pinot eben – allen Entsetzensschreien der Weinpuristen zum Trotz – unverdrossen aus dem Burgund in den Süden. Soeben ist er im Languedoc angekommen. Er mildert – wenigstens solange die Mode anhält – das Absatzleiden einer Region. Ob dies aber langfristig eine Lösung für die globalen Weinmarkt-Probleme ist, wage ich zu bezweifeln. Ist die Mode nämlich einmal vorüber, gehen andere Gralssucher einmal auf Wanderschaft und finden einen andern Gral; dann bricht das Marktkonstrukt zusammen. Viele Regionen aus der alten Weinwelt haben ihre schmerzlichen Erfahrungen gemacht.

 

Rebgebiet im Languedoc: Saint Chinian

Weinstöcke sind „Lebewesen“, wenn auch nur pflanzliche. Sie lassen sich aber nicht ohne weiteres in jedes Klima setzten, sie geben nicht auf jedem Boden die gleiche gute Frucht, sie lassen sich auch nicht einfach umerziehen, von Cabernet, zu Merlots, zu Pinot Noir, zu.... Die jahrhundertealte Zuordnung von Rebsorten zu bestimmten Gegenden, in bestimmte Klimata, auf bestimmte Böden hat vielleicht doch einen Sinn. Auch wenn wir ihn nicht wahrhaben wollen.

Herzlich
Ihr/Euer
Peter (Züllig)

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