Was macht ein Schweizer, der mit zwei deutschen Weinfreunden an die Saar fährt? Er besucht einige Spitzenwinzer. Warum eigentlich? Ihre Weine sind im Handel erhältlich, die Preise ab Hof auch nicht verlockend günstiger. Was zieht also den Weinfreund zu den Produzenten? Am Verkosten der Weine allein kann es nicht liegen.
Für mich ist es die Heimat des Weins: Landschaft, Boden, Menschen in ihrem Alltag, ihrer Tradition, mit ihren Ansichten und Erfahrungen. Es ist das Leben, dort wo der Wein wächst.
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Berühmter Ausblick auf die Mosel |
Deshalb erzähle ich nicht von den Weinen, denen ich begegnet bin, sondern von den Persönlichkeiten, den Winzern und ihrer Art, uns unbekannten, selbsternannten Weinliebhabern zu begegnen, zwar kurzfristig angemeldet, doch eher zufällig auf den Hof gekommen, um - wenn alles gut geht - ein paar wenige Flaschen oder Kartons zu kaufen.
Sechs unterschiedliche Hofvisiten sind Anlass, um etwas zu beleuchten, was ich so gerne als „Menschen hinter dem Wein” bezeichne, und was mich in allen Weingegenden immer wieder auf viele Weingüter lockt.
Doch fangen wir an! Der Name des Hofs oder des Winzers ist hier Nebensache: es geht um den Typus von Winzer, um die persönliche Begegnung mit verschiedenen Weinwelten.
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Weinberg an der Ruwer |
Da ist der Typus „Bauer und Jäger”, wie man sich eben einen rauen, mit der Natur verbundenen, sicher aber auch schlauen „Bauern” vorstellt: etwas laut, nicht gerade gepflegt, sehr zielstrebig, der seinen Besitz - sei er nun materiell oder geistig - lautstark verteidigt. Er poltert gegen vieles, fast alles: Vorschriften, Politik, Uneinsichtigkeiten, unvernünftige Menschen.... Doch er meint es nicht so ernst, wie es daher kommt. Mit seinen Weinen geht er liebevoll um. Auf jede Frage folgt ein Redeschwall, er erzählt und erzählt. Für die Zuhörenden scheint er sich wenig zu interessieren. Er ist überzeugt, seine Weine sind die besten.
Ganz anders auf dem zweiten „Hof”. Er ist nicht allein Weingut, sondern auch Hotel und Restaurant: Hier essen wir, und bitten nachher um eine kleine Verkostung. An diesem Mittag sind kaum Leute im Lokal. Der Winzer kommt zwar rasch vorbei, sagt ein paar unverbindliche Worte, dann aber ist er weg - beschäftigt. Den Wein schenkt die nette Kellnerin ein. Später stellt uns die Winzerfrau die gekauften Kartons bereit, ein Gespräch kommt auch nicht zustande. Anonymer Geschäftsalltag!
Ähnliches erleben wir auf dem nächsten Weingut: Restaurant und Hotel. Der Patron taucht gar nicht erst auf. Die Bitte - nach reichlicher Konsumation - wird zwar erfüllt, routiniert, unpersönlich, fast schon widerwillig... Es sind keine Gäste mehr da, nur noch die Kellnerin (oder Chef de Service). Wir möchten ein paar Kartons kaufen und am andern Tag abholen. Bezahlen geht nicht, das Büro geschlossen... Wir lassen es sein!
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Feierlich% vornehmer Degustationsraum auf einem Weingut an der Saar |
Beim nächsten Winzer war ich vor Jahren schon. Damals an einem Sonntagmorgen! Ich erinnere mich: persönlicher, herzlicher Empfang, interessante Gespräche. Doch diesmal, zwar noch derselbe Winzer, der gleiche Ort, aber viel geschliffener, professioneller. Es herrscht zwar noch die gleiche Höflichkeit, das gleiche Engagement. Doch Routine, Leerformeln, schon tausendmal wiederholt. Verkaufsroutine, das Interesse wirkt gespielt, die Diskussionen zwar heftig, aber flach, zu oft geführt. Da hat sich ein Weinenthusiast zum Weinprofi gemausert, der weiß, wie er sich zu geben hat...
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Auf einem Weingut% wo nicht nur Wein wächst |
Und nun zum Typ: herzlicher Sonderling. Hier sind wir nicht angemeldet, „trampeln” also einfach rein. Der Winzer ist noch in den Arbeitskleidern, er muss sich noch umziehen, um zum nächsten Anlass zu hetzen... Doch er hat Zeit für uns. Er richtet es so ein, dass wir - wie zufällig - durch Hof und Weinkeller gehen, um den kleinen Degustationsraum zu betreten. Er erzählt von seinem Wein: frei, schon fast spitzbübisch, wortschwallartig, aber interessant. Man hat den Eindruck es sei alles ganz persönlich, zwar etwas gehetzt, trotzdem herzlich. Es ist eine kurze Begegnung - doch sie bleibt mir in Erinnerung. Hier wird Wein nicht nur verkauft, sondern auch erduldet und errungen.
Und schließlich noch der Typus des offenen, um beste Weinqualität bemühten, doch nicht nur auf seinen eigenen Wein bezogenen Winzer. Er nimmt sich Zeit, gibt zwar zu erkennen, dass die Lese begonnen hat. Doch Kontakte scheinen ihm wichtig zu sein, er vermittelt nicht den Eindruck, man habe ihn gestört. Er drängt uns keinen Augenschein auf, macht aber jede Einsicht in seinen Arbeitsort möglich... Er erkundigt sich nach unseren Vorlieben, unseren Erfahrungen. Ist sogar interessiert an Weinen anderer Gegenden. Weltoffen, gewandt, so mein Eindruck. Vielleicht spürt man, dass wir uns jetzt an der Mittelmosel befinden, mit den berühmten Lagen und den vielen Touristen.... Da braucht es keine Anbiederung, auch an Übung im Umgang mit „Weintouristen” fehlt es kaum. Ein Winzer, der weder die Geschäftigkeit eines Topmanagers noch die Kumpanei eines geschäftewitternden Verkäufers zeigt, sondern sachlich, korrekt, interessiert, verbindlich seine Weine präsentiert.
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Überraschungsbesuch im Weinkeller |
Sechs unterschiedliche Begegnungen, natürlich auch vom Zufall abhängig, ins Tagesgeschäft der Winzer eingebettet, Momentaufnahmen aus dem Alltag auf den Weingütern. Und doch: von welchem Weingut werde ich - unabhängig von der Weinqualität - meinen Freunden und Bekannten erzählen? Welchen Wein werde ich bestellen, wenn er im Restaurant auf der Karte ist? Wer wird mir in Erinnerung bleiben, wenn ich an Mosel-Saar-Ruwer denke?
Sind dies nicht Fragen, die stark ins Gewicht fallen, wenn wir Weine trinken und darüber reden? Es sind weitaus bessere Merkmale als alle noch so gekonnten Weinbeschreibungen und Bewertungen, denn im Wein begegnen wir immer auch Menschen. Und die interessieren nicht nur Weinfreaks, sondern alle, wo und wann sie auch immer Wein trinken.
Herzlich
Ihr/Euer
Peter (Züllig)