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Frischer Spargel auf dem Markt. Ein untrüglicher Bote des Frühlings. Er zieht mich an, ich kann nicht an ihm vorbeigehen. Es ist sogar einheimischer Spargel, dem warmen Boden erst entlockt. In diesem Moment denke ich nicht daran, dass schon Philosophien entwickelt wurden zur jetzt entscheidenden Frage: „Welcher Wein passt zu Spargel?“ Ich weiß nur: noch immer liegt keine gültige Antwort vor. Doch zu diesem Thema liefert Google in 0,19 Sekunden 56 Ergebnisse, allein in deutscher Sprache. Gibt man nur Spargel und Wein ein, ohne Anführungszeichen, sind es – man staune – 2,9 Millionen Treffer. Schon 50 Vorschläge sind mir eigentlich zu viel. Mit der immer wiederkehrenden Antwort: „Den 'richtigen' oder 'idealen' Spargelwein gibt es nicht.“ vermag ich auch nichts anzufangen. Und so muss ich denn – Jahr für Jahr – die gleiche Herausforderung meistern. Welcher Wein verträgt sich mit Spargel? Niemand scheint mir da helfen zu können. Da muss ich einfach durch – immer wieder –, sobald der Spargel sprießt.

Spargel und Erdbeeren sind reif (Foto: P. Züllig)

Ein Weinhändler, der mir Jahr für Jahr sein (gutes) Verkaufsprogramm schickt, schlägt neun Weine vor, vom Prosecco extra dry bis zum Rosé, ein Roter ist nicht dabei. Seine Schlussfolgerung (eigentlich logisch, geradezu zwingend!): „Wie Sie sehen, gibt es zum Spargel mehr als immer nur Silvaner und Co. Es geht so einiges, da hilft nur ausprobieren! Deshalb hier mein Probierpaket zum 'probierfreundlichen' Sonderpreis von 72 Euro.“ 72 Euro, nur damit ich herausfinden kann, welcher Wein meinen Spargel zukünftig begleiten soll. Nur – mehr als neunmal kommt Spargel auch dieses Jahr nicht auf den Tisch. Und nächstes Jahr? Da habe ich mit Sicherheit meine Erkenntnisse – so es welche gibt – längst vergessen und der ultimativ richtige Wein ist womöglich nicht mehr erhältlich.

Da ist mir – dem Rotweintrinker – eine andere Feststellung im Google-Angebot schon viel sympathischer: „Warum weißer Spargel zu Rotwein und grüner Spargel zu Weißwein passt.“ Erstens kommt da der Spargel zum Wein (und nicht umgekehrt) und zweitens habe ich wenigstens eine Chance, auch beim Spargelessen zu Rotwein zu kommen. Zudem leuchtet mir Schweizer die Farbkombination Rot-Weiß viel besser ein als Weiß-Weiß. Begierig lese ich weiter: „Der Spargel reinigt das Blut, treibt den Harn und wird angewendet – sprich: gegessen – bei Anämie oder Grippe sowie bei Beschwerden mit Leber, Lunge, Darm und Harnausscheidungen.“ Mag ja alles richtig sein, das mit dem Harn habe ich schon selber festgestellt. Nach einem längeren Exkurs: „Zurück zum Spargel: Von den beiden Spargeltypen wächst der eine noch in der Erde, der andere wächst hinauf ans Licht. Dort setzt die Fotosynthese ein, es bilden sich vermehrt Polyphenole, Zellstoffe (verholzte Zellteile) sowie neue und andere Aromen. Somit ist ein weißer 'Erdspargel' nicht nur zarter als der Belichtete, er ist auch ärmer an Gerbstoffen, Zellstoffen und Aromen. Also ergänzt er sich sehr gut mit Rotwein... Umgekehrt beim grünen Spargel, der mehr Polyphenole aufweist: Zu ihm passt der an Polyphenolen ärmere Weißwein.“

Grüner und weißer Spargel (Foto: P. Züllig)

Ich stehe am Stand des Gemüsehändlers. Alles Produkte vom Hof. Für mich ist klar: Nur weißer Spargel kommt für mich in Frage. Da hat der Rotwein eine Chance. Hmmm. Ich stelle mir eine ganze Palette von Roten vor: ein Languedoc, natürlich, ein Pinot Noir, vielleicht sogar ein Loire-Wein, und wie wäre es mit einem Italiener, aus dem Piemont oder gar aus den Abruzzen...?

Da hilft sicher Google, oder soll ich das Programm wechseln? Ungeduldig lese ich weiter. Da kommt zuerst noch das Kapitel mit allen möglichen Zutaten. Sie seien entscheidend. Schwere Saucen vertragen weder weiße noch rote Weine.“ Hastig überfliege ich den Text, möchte wissen, welchen Rotwein ich heute öffnen soll. Endlich das letzte Kapitel, so quasi die Lösung oder Erlösung: „Woraus man ersieht: Die Wahl des Weines zum Spargel ist offen und hängt von der Vorliebe des Genießers ab – und von der schmackhaften Begleitung des Spargels auf der Platte.“ Verdutzt schiebe ich die (längst bekannte) „neue“ Erkenntnis weg und breche auf zum nächsten Ratschlag. Noch habe ich 54 Chancen.

Der weiße Spargel ist längst eingepackt. 3,50 Euro hat er gekostet, der Bund, noch etwas teuer, doch es sind die ersten Stangen auf dem Markt. Doch zurück zu der alles entscheidenden Frage: „Welcher Wein passt zu dem gekauften Spargel?“ Die nächste Enttäuschung steht an: „Zu den klassischen Spargelgerichten passt im allgemeinen besser ein Weißwein, aber es gibt auch Ausnahmen…“ Himmel, ja, diese Ausnahme suche ich! All die angebotenen Tipps – vom Riesling bis zum Grauburgunder – schlagen weiße Weine vor. Auf zur nächsten Empfehlung!

Mit meinem Spargelbund zu Hause angekommen, möchte ich eigentlich am liebsten in den Keller verschwinden, um einen Wein zu holen. Aber welchen?

Der Entscheid ist klar% weißer Spargel muss es sein (Foto: P. Züllig)

Geduldig google ich weiter: „Wein und Spargel – eine sinnliche Affäre!“ Dem kann ich nur beistimmen. Doch der Tipp: „Johannisberg... seine reichhaltige Fülle und sein sortentypischer, charmanter Geschmack begeistert. Eine Andeutung von Restsüße vervollständigt die Harmonie…“ Mich kann dies – auf der Suche nach einem passenden Roten – nicht begeistern. Langsam werde ich nervös: Wo ist denn da die Ausnahme? Wo die Ergänzung zur Fotosynthese eines weißen Spargels?

Auch der Klick auf die nächste Website bringt eine herbe Enttäuschung. Werbung, nichts als Werbung. Etwa in der Art: „Finden Sie den idealen Wein zum Spargel – mit Hauslieferung.“ Und dies ohne Rückkehrfunktion aus der Website – ich bleibe also mitten in der Werbung „gefangen“ und muss die Google-Funktion neu starten. So rasch lasse ich mich nicht ins Bockshorn jagen.

Höchste Zeit, den Spargel zu waschen und zu schälen. Der Hunger und vor allem die Lust machen sich bemerkbar. Ratsch, ratsch, ratsch… Nicht zuviel weg, nicht zu wenig… Holzig können diese Stangen noch nicht sein.

Zum nächsten – schon fast verzweifelten – Weinfindungsversuch: „Neue Spargel-Ideen“. Ja, das ist es, was ich suche! Dann: „In unserer Gratis-Broschüre finden sich interessante Rezepte mit Weinempfehlungen.“ Diesen Verweis auf die Gratis-Broschüre, die natürlich zu bestellen ist, finde ich schon fast gemein. Doch das Stichwort beflügelt mich: Weinempfehlungen. Dies ist wohl das erfolgversprechendste Stichwort für den Computer. Nichts wie los. Keine Zeit vergeuden. 29.400 Ergebnisse in 0,18 Sekunden. Da muss sich ja etwas finden lassen!

Schon bald geschält und noch immer kein Wein (Foto: P. Züllig)

Das Wasser auf dem Herd ist schon heiß, der Spargel muss in die Pfanne. Noch immer weiß ich nicht, welcher Wein ihn auf dem Tisch begleiten soll.

„Weinexperte JP verrät den passenden Wein zum Spargel.“ Schon fast gierig lese ich weiter: „Vorsicht! Längst nicht alles, was sich Spargelwein nennt, passt auch zum Spargelgericht.“ Endlich das erlösende Wort eines Experten, nicht eines Werbers. „Rotweine scheiden grundsätzlich aus. Sie sind zu kräftig und besitzen zu viel Eigencharakter.“ Ein neuer Tiefschlag, sozusagen ein unerlaubter KO-Schlag. Zuviel Eigencharakter hat der Rotwein? Was ich also suchen muss, das ist ein „charakterloser Wein“. Davon gibt es viele, da werde ich rasch fündig.

Der Spargel muss langsam aus der Pfanne auf den Tisch. Sonst wird er lahm, zu lange gekocht. Und der Wein?

Ein letzter Versuch, angelockt durch die große, klare 36-Punkt-Überschrift: „Welcher Wein passt zum Spargel?“ Ich schöpfe Hoffnung! Dann: „Wasser als Essensbegleiter bietet sich für Spargelliebhaber an… Ein nicht zu kohlesäurehaltiges Mineralwasser passt jedenfalls besser als Fruchtsäfte.“ Ein letzter Hoffnungsschimmer bleibt, der Artikel endet so: „Welchen Wein man wählt, hängt natürlich auch von der Zubereitungsart des Spargels ab.“ Ach wie neu! Doch: „Wer das Gemüse gern deftig mag, braucht bei der Wahl des Getränks nicht allzu skrupulös zu sein…“ Also ohne Skrupel, ein Roter. „Spargel wird manchmal auch mit Käse überbacken.“ Ja, so mache ich es, und schon greife ich ins Weinregal: Château de Nouvelles, 2006, Cuvée Cantorel aus Fitou, Languedoc. Nicht mehr lange überlegen, der Spargel steht schon auf dem Tisch. Es fehlt nur noch der Wein.

Endlich% auf dem gedeckten Tisch steht ein Rotwein (Foto: P. Züllig)

Ein letzter Blick auf den Expertenrat: „Bei diesen starken geschmacklichen Herausforderungen für das subtile Gemüse kann man auch ein Bier bestellen.“

Wir haben den ersten Spargel des Jahres genossen – und wie. Wir haben den Wein dazu getrunken. Beide haben sich vertragen, nicht rebelliert. Nicht einmal unsere Geschmacksnerven waren aufgebracht, sie haben mitgemacht und sich so gefreut, einmal etwas Ungewohntes zu erleben.

Herzlich
Ihr/Euer

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