Das Weingut ist legendär in der schweizerischen Weinszene. Hans Ulrich Kesselring hat den Landsitz mit Wald, Wiesen und Reben oberhalb von Weinfelden – seit 1784 in Familienbesitz – viele Jahre lang gehegt, gepflegt und verwaltet, mit viel Sinn für Tradition, aber auch im Bestreben das Moderne aufzunehmen, wenn es ihm als besser erschien. Dann ist er unerwartet von uns gegangen, sein Neffe Johannes Meier musste über Nacht den Betrieb übernehmen. Ein schweres Erbe. Doch er hat es – zusammen mit der Önologin Ines Rebentrost geschafft. Seine Weine zählen wieder zu der Spitze in der Schweiz. Und der unvermeidliche „ewige“ Vergleich mit den Weinen von Kesselring hat längst aufgehört, Johannes Meier ist der neue Gutsherr und er macht mit seinem Team hervorragende Weine, genau so gute, wie einst sein Onkel. Dieser „Clairet“ ist eigentlich ein Bordeaux-Blend, eine Cuvée aus Merlot, Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon. Der Begriff Clairet ist korrekt, aber auch verwirrend. In England wird der Bordeaux – nach alter Tradition – oft noch „Claret“ genannt, während man im Bordelais unter Clairet einen hellen, roséähnlichen Rotwein aus der Gegend versteht. Um es vorwegzunehmen, es ist nicht der beste Wein des Weinguts, dies liegt nicht am Können der Equipe, vielmehr am Umstand, dass der Cabernet Sauvignon nur schwer ausreift in unseren Breitengraden und der Cabernet Franc ein gar diffiziler Geselle ist. Ich habe ihn während Jahren (in kleinen Mengen) in der Bündner Herrschaft – Weingut Von Tscharner – geerntet und weiss um seine Kapriolen (zumindest in unserer Gegend, bei unserem Klima und in unserem Boden). Wir sind hier weit nördlicher von Bordeaux und der Loire und können nicht auf den Golfstrom zählen. Deshalb ist mir nicht ganz verständlich, warum das hervorragende Team vom Schlossgut sich auch im Bordeaux-Blend versuchen muss, wo doch der Pinot Noir ihre eigentliche Stärke ist. Wunderbar schweizerisch burgundisch, das ist – für mich – das grosse Label des Weinguts. Viermal Blauburgunder (No. 1 – 4), vom schlichten (aber ausgezeichnet gemachten Wein) bis zur Topwein (No. 4), der nur in guten Jahren gemacht wird, in ganz kleinen Mengen (deshalb auch rar ist). An diese filigranen Spitzenweine kommt der Clairet nicht heran. Er ist zwar sehr ansprechend, weich und rund, doch es fehlen ihm die feinen differenzierten Aromen, die Nuancen, welche einen guten Wein zum grossen machen (können). Vielleicht ist es etwas ungerecht, wenn ich hier „nörgele“, vielleicht sind es auch nur die gesammelten Vorurteile (Bordeaux-Blend versucht man heute fast überall) und der für mich schwer verständliche Drang zum Mainstream. Jedenfalls habe ich den Wein zum ersten Mal getrunken und zwar – ich gebe dies gerne zu - mit Spass, sogar mit Lust am Trinken. Trotzdem: gross ist der Wein nicht, aber auch nicht zu sehr bordeauxisiert – viel eher ein Spasswein, noch zu jung (er kann deshalb durchaus noch zulegen), aber zu wenig eigenständig und markant (Preis 34 CHF), zum gleichen Preis (ab Hof) zu kaufen, wie der Pinot No. 3, den ich allen andern Weinen des Weinguts – auch den Weissen – vorziehe.