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Der Blaue Zug – nicht nur Kult-Objekt – auch Schauplatz eines Mordes% den Hercule Poirot lösen kann.
Es ist eine Reise in die Vergangenheit, gut hundert Jahre zurück, in die Zeit der „Belle Époque“, in die Zeit des Übergangs zum 20. Jahrhundert. Man war stolz auf neue Bahnhöfe, die aus Eisen gebaut wurden und oft aussahen wie riesige Kathedralen. Zugfahren gehörte noch zum Luxus. „Sie (Katherine) kehrte in ihren eigenen Wagen zurück. Fünf Minuten später verlangsamte der Zug sein Tempo. Man hörte das lange, klagende Zischen der Westinghousebremse. Gleich darauf fuhr der Zug in den Lyoner Hauptbahnhof ein,“ so eine Schlüsselstelle im Kriminalroman „The Mistery of the Blue Train“ von Agatha Christie, geschrieben 1928. Und gleich wird der legendäre Hercule Poirot zum Einsatz kommen.

Der Luxuszug „Train Bleu“, in dem die Szene spielt, hatte die offiziellen Bezeichnung „Calais-Mediterranée Express“ und brachte einst reiche Engländer direkt in den Süden ans Mittelmeer: „…ich möchte am Vierzehnten nach Nizza fahren. Ich glaube, es gibt einen Zug, den man den ‚Blauen Express‘ nennt…“, so beginnt also bei Agatha Christie eine verhängnisvolle Begegnung im Reisebüro Cook in London. Tatsächlich verkehrte der berühmte Zug mit den blauen Schlafwagen zwischen Calais und der französischen Riviera von 1883 bis zum Zweiten Weltkrieg und nach dem Krieg wieder, bis er 2007 eingestellt wurde. Der schnelle TGV hat dem luxuriösen Kultzug seine Kunden genommen.

Im Gare de Lyon in Paris wurde aber dem Zug ein Denkmal gesetzt. „Train Bleu“ heißt jetzt das wohl schönste Bahnhofsrestaurant Europas und erinnert an die Zeit, als Reisen noch mit Luxus – auch mit gutem Essen und Trinken – verbunden war; an eine Zeit, wo anstelle der heutigen „Fastfood-Buden“ prächtige Speisesäle gebaut wurden. 1900 wurden – pünktlich zur Weltausstellung – in Paris zwei neue Bahnhöfe dem Verkehr übergeben: Gare d’Orsay und Gare de Lyon. In Orsay fahren schon lange keine Züge mehr, dort ist heute die Kunst zu Hause, vor allem sind es Meisterwerke der Impressionisten. Im Gare de Lyon aber stehen noch immer die Züge, heute moderne TGVs, in Reih' und Glied und warten auf ihre Fahrt in den Süden.

Gare de Lyon. Kein Blauer Zug fährt mehr in den Süden – dafür schnelle TGVs.

Das Bahnhofbuffet von einst, mit seinen 41 Gemälden aus der „BelleÉpoque“, ist erhalten geblieben, wunderschön renoviert und unter Denkmalschutz gestellt. Hier wird täglich „Haute Cuisine“ zelebriert, noch fast im Stil der „Belle Époque“, streng hierarchisch geordnet, aufs Beste gepflegt. Auf der Speise- und der Weinkarte wird der Weg des „Blauen Zugs“ von Norden nach Süden (oder umgekehrt) nachgezeichnet. Keine „Nouvelle Cuisine“, eher typische Gerichte aus verschiedenen Provinzen des Landes, von der Fischsuppe bis zum „Tartare de Boeuf“, vom „Foie gras de canard cuit maison“ bis zum „Gigot d’agneau rôti“. Es ist vielleicht nicht die raffinierte Spitzenküche, die man in diesem einmaligen Ambiente erwarten könnte, es sind vielmehr das Ambiente und der Stil in der Bedienung, die hier dominieren. „Die Bestellung wird von einem der ‚maîtres d´hôtel‘, im schwarzen Anzug, schriftlich aufgenommen. Diese Bestellung wird unter einen kleinen Metallteller geklemmt und von einem Kellner in einer weißen, langen Schürze geholt.“

Eine stimmungsvolle Reise durch die Weingebiete Frankreichs.
Dass alles braucht seine Zeit. Die muss man haben im „Train Bleu“. Die Zeremonie ist fast noch wichtiger als das Essen selber.

Auch die Weinkarte spiegelt die Fahrt durch berühmte Weingebiete Frankreichs: Alsace, Vallée du Rhône, Bourgogne, Vallée de la Loire, Bordeaux, Languedoc, Champagne...

Ein „Geheimtipp“ ist er längst nicht mehr, der „Blaue Zug“ im Gare de Lyon von Paris. Die meisten Gäste kommen nicht hierher, um besonders gut und exklusiv zu essen, sondern um die Atmosphäre zu genießen. Wer heute mit dem TGV oder gar mit dem Flugzeug aus dem „sonnigen Süden“ in die Hauptstadt jettet, kann hier die verlorene Ruhe wieder finden. Viele der Gemälde zeigen Landschaften, so wie man sie vor hundert Jahren auf der Fahrt vom oder in den Süden – entlang der Schiene – noch sehen konnte. Anstatt über den Wolken zu schweben, breitet sich im „Train Bleu“ in zehn Meter Höhe ein „Himmel der Kunst“ aus, in Gold getaucht, als wäre dies die universelle Währung der „Belle Époque“.

Der Speisesaal in Gold getaucht.

Die schwärmerischen Bilder, aber auch der große, reich verzierte Saal, sowie die Gelassenheit, mit der hier gegessen, getrunken, serviert, ja sogar aufgetischt und abserviert wird, bringen ein Stück Reisekultur zurück. Es lohnt sich auch heute noch, gemächlich zu reisen, die Augen offen zu halten und nicht um Minuten und Stunden zu feilschen, um die man noch schneller am Ziel sein könnte. Dazu gehört eben ein gepflegtes Essen, ein guter Wein (aus der Gegend), genauso wie eine unterhaltsame Reiselektüre. Sogar „Mein Freund Maigret“, der von Georges Simenon im „Train Bleu“ zur Aufklärung eines Mordes auf der Insel Porquerolles ans Mittelmeer geschickt wird – für einmal nicht allein, sondern in Begleitung eines Inspektors von Scotland Yard – nimmt den Nachtzug: „Im Gang des Zuges trafen sie auf reiche Reisende mit luxuriösen Gepäckstücken. Eine Gruppe elegant gekleideter Leute mit Blumensträußen auf dem Arm begleitete eine Filmschauspielerin zum Zug. ‚Es ist der Blaue Zug‘, murmelte Maigret, wie um sich zu entschuldigen."

Bequemes Reisen in der Ambiance des Blauen Zugs.

Wenn sich Maigret in dieser Kriminalgeschichte – wie immer – dem Handlungsort anpasst und einen Wein aus der Region trinkt, dann muss es wohl ein Rosé oder Weißwein sein; vielleicht von der „Domaine de l’île“; vielleicht sogar ein Wein aus der alten, fast nur noch in Südfrankreich angebauten Rebsorte Rolle: „Ich freue mich, Sie willkommen heißen zu dürfen, Monsieur Maigret… darf ich Sie zu einem Gläschen von unserem hiesigen Weißwein einladen? … Der Weißwein war gut gekühlt, ein wenig herb, aber voller Würze.“ Also doch ein Rolle! Auf der Weinkarte des „Train Bleu“ ist er nicht zu finden, da gibt es auch keinen Wein aus Porquerolles. Vielleicht kommt aber ein cleverer Werber irgendwann auf die Idee, das Angebot entsprechend zu ergänzen, sollte er einmal im Zug statt im Auto reisen und Zeit haben, einen Krimi von Georges Simenon zu lesen. Wer weiß?

Herzlich
Ihr/Euer

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