Jeder und jede WeintrinkerIn hat so seinen oder ihren Lieblingswein. Dies ist meist eine Frage des Geschmacks, der Weinsozialisation oder ganz einfach einer momentanen Stimmung, die nicht selten von den Umständen und dem Ambiente beim Weingenusses abhängig ist. Geglückte Winzerbesucher – wo die Winzerin, der Winzer (oder eine angestellte Person) nicht einfach die üblichen Standartsätze herunterleiert – können viel dazu beitragen, einen Wein wirklich gern zu bekommen. So ist es mir ergangen, bei einem Besuch auf Château Tertre Rôteboeuf, auf einer wunderschönen Terrasse gelegen, mit Blick auf die weiten Rebberge. Eigentlich hatte ich viel gehört, vom eigenwilligen, zielstrebigen, engagierten François Mitjavile und seinen Weinen, die bereits Kultcharakter haben. Mit dem „Kult“ ist es so eine Sache: man lässt sich so gerne – zu leicht – einnebeln von der Magie eines Ortes, einer Person oder gar eines Weins. Obwohl ich mich gern als „kulturellen Menschen“ bezeichne, habe ich meine grossen Vorbehalte gegenüber dem, was rasch und gern einmal zum „Kult“ erhoben wurde. Kommt dazu, dass der charismatische Mitjavile bei dem Besuch auf Tertre-Rôteboeuf (zum ersten Mal seit vielen Jahren, sagte seine Tochter) Urlaub machte. Doch seine Tochter – mit einem Weinhändler verheiratet – hat ihn hervorragend vertreten. Es ging um die Philosophie, die auf diesem Weingut gepflegt wird, um die Natur, um den Respekt und die Sorgfalt, mit der hier gearbeitet wird. Wir standen lange auf der Terrasse und sprachen über den Boden, das Klima, die Reben, die Lage – und noch vieles mehr. Wir verkrochen uns nicht gleich in den Keller oder in ein Degustationslokal, wie das bei den meisten Winzerbesuchen üblich ist. Was ich da gesehen und gehört habe, hat mich überzeugt.