Die Messe „Wine Paris” ist an der ProWein mit über 50.000 Besuchern und 5.300 Ausstellern vorbeigezogen. Die waren bester Stimmung – und hatten gute Gründe dafür. Doch in Paris glänzte nicht alles, berichtet Mathias Stelzig.
„Über zwanzig internationale Kontakte“, sagt Stephan Attmann und scrollt lächelnd seine Liste auf dem Telefon hinab, „davon aus sieben neuen Ländern“. Es ist erst Mittag am zweiten Messetag. Der Geschäftsführer des Pfälzer VDP-Weinguts Von Winning aus Deidesheim ist begeistert und begrüßt zwei befreundete Händler aus Deutschland. Alle schwärmen von den Restaurant-Besuchen am Vorabend. „Bei den Preisen zur ProWein“, klagt einer, „fahre ich abends lieber nach Hause“.
Solche Gespräche hört man auf der Messe an jeder Ecke. 5.300 Aussteller und 52.622 Besucher meldet die Messegesellschaft VinExposium, und die sind durchweg begeistert. Die Messeleitung erwähnt mehrfach die steigende internationale Beteiligung: Aussteller aus 54 Ländern belegten diesmal 80 Prozent mehr Fläche als im vergangenen Jahr und schenkten ihre Weine an Besucher aus 154 Ländern aus. Die ausländischen Gäste machten 45 Prozent des Publikums aus, 28 Prozent mehr als im vergangenen Jahr.
Volle Hallen, gute Stimmung und viele neue Kontakte: Vor allem ausländische Aussteller hat die Messe überzeugt.
J.B. NadeauDie Aufholjagd gegenüber der Leitmesse ProWein hatte sich bereits angekündigt. Dass das Ergebnis so klar zu Gunsten der Wine Paris ausfällt, war aber nicht abzusehen. Zweistellige Flächenzuwächse verzeichneten Österreich (+ 35 %), China (+ 60 %), Deutschland (+ 65 %) und Rumänien (+ 75 %) sowie Australien (+ 300 %). Allerdings buchten fast alle einen Gemeinschaftsstand für etwa 20 bis 50 Aussteller. Der Zuwachs von 50 Prozent ergibt in der Realität der Messetage daher immer noch eine überschaubare Gesamtzahl. Bei den Weingütern aus Spanien sieht das mit einem Plus von 40 Prozent aber schon anders aus. Doch vor allen anderen hat Italien seine ohnehin mit Abstand größte Beteiligung glatt verdoppelt. Dazu gehören inzwischen immerhin 30 großzügige regionale Pavillons.
Sämtliche französische Regionen verzeichnen nur sieben Prozent Zuwachs, machen aber weiter den größten Anteil aus. Diese Entwicklung bekommt auch Düsseldorf zu spüren: Auf der ProWein sind in diesem Jahr 71 Prozent weniger französische Produzenten dabei als im Rekordjahr 2019.
Für reichlich Rahmenprogramm für die Gäste aus aller Welt war in Paris gesorgt: In der Spirituousenhalle „Be Spirits“ standen knapp 300 Aussteller und bespielten die 40 Meter lange „Indefinite Bar“, an der neue Mixologie-Trends vorgeführt wurden. Die Sparte „Alkoholfrei und Alkoholarm” wuchs zudem um 76 Prozent. Dazu kamen 110 Seminare und Masterclasses mit über 250 Dozenten. Weiter wurde am Tag vor der Eröffnung der Preis „V d’Or“ verliehen, ein Business Award der Getränkebranche, zu dessen Jury beispielsweise Michel Chapoutier, Edourado Chadwick und Mario Piccini gehörten.
Doch die Realität sieht anders aus als der Hype mit Rekordnachrichten: Vieles läuft ganz ähnlich wie in Düsseldorf. Aber die Stimmung ist gut und wird verkörpert von Rodolphe Lameyse. Der CEO des Veranstalters Vinexposium dreht gern am großen Rad, wenn er über die Messe spricht: „In Zeiten der Unsicherheit, der Wirtschaftskrise und des Bedeutungsverlusts ist Isolationismus keine Option. Nur durch die Bündelung der Kräfte und die Verbindung von Wirtschaft und Politik können wir Lösungen finden.“
In Paris wird die Weinbranche offiziell sehr ernst genommen: Schirmherr ist wieder Staatspräsident Manuel Macron persönlich. Zur Eröffnung kamen zudem Abgeordnete, Senatoren und über 30 offizielle ausländische Delegationen mit Botschaftern und Staatsministern. Drei französische Minister – für Landwirtschaft, Außenhandel und Tourismus – hielten jeweils eine Rede.
Schon beim Messestart fiel auf: Organisatorisch hat die Wine Paris im Vergleich zum Vorjahr zugelegt. So kam man in die internationale Halle, ohne zum zweiten Mal die Eintrittskarte vorzuzeigen. Auch die italienischen Aussteller fühlten sich deutlich besser aufgehoben: „Noch im vergangenen Jahr standen wir so abgelegen“, sagt Pierangelo Tommasi, „nicht mal Kunden mit Termin haben uns gefunden. In diesem Jahr waren wir mit unserem Stand immerhin zusammen mit allen Italienern.“
„Wir suchen einen Importeur für unseren Ammura“, erklärt Annalisa Armani. Das Ätna-Weingut ist der jüngste Zuwachs von Familie Tommasi, die von der Valpolicella aus Weingüter in ganz Italien aufgekauft hat. „Die Weine werden nur auf Allokation verkauft“, erklärt die Exportmanagerin. Vor allem dafür sei die Wine Paris optimal wegen der vielen hochwertigen Kontakte – und der Nachfrage der Händler nach Premiumweinen. Namen von Ländern wie den USA, China, Japan, Kanada, Singapur und Hong Kong fallen bei Ausstellern wie ihr immer wieder, wenn sie von ihren Gesprächen berichten. Suchen Händler und Importeure aus Frankreich neue Weine, sind es vor allem hochwertige aus Italien.
Katja Pronegg, Marketing-Spezialistin der Österreichischen Traditionsweingüter, stimmt diesem Eindruck zu: "Düsseldorf eignet sich zur Kontaktpflege und um gesehen zu werden." Die Konsequenz: Die Vereinigung hat auf der Weine Paris einen großen Gemeinschaftsstand gebucht – in Düsseldorf aber nicht. Viele, wie etwa Tommasi, sitzen dagegen zwischen den Stühlen und stellen zähneknirschend auf zwei Messen aus.
Paris gefällt beiden auch aufgrund der bequemen Anreise sehr gut. Flüge sind meist direkt buchbar und oft günstiger als nach Düsseldorf. Selbst für deutsche Winzer ist die Anreisestrecke zwar weiter, die Fahrt dauert aber nicht unbedingt länger. Zudem ist der TGV komfortabler als die Deutsche Bahn und die Ankunft deutlich zuverlässiger.
Einige internationale Winzer erhalten zudem einen Zuschuss von ihrem Verband oder einer anderen Organisation, um in Paris ausstellen zu können. Das macht ihnen die Messe noch sympathischer. Gelobt wird von den Ausstellern auch die Online-Plattform für Geschäftskontakte, die vielen besser gefällt als das Pendant in Düsseldorf. Dazu kommen das gute Essen am Abend im Restaurant und vor allem die preiswerte Übernachtung. Schließlich fallen die Messebesucher in Paris unter den insgesamt 50 Millionen Übernachtungen pro Jahr kaum auf. Astronomisch hohe Messepreise gibt es in Paris daher schlicht nicht. Die Übernachtungskosten bleiben für die Aussteller unterm Strich der größte und wichtigste Minuspunkt der ProWein.
Auf den zweiten Blick halten einige Aspekte aber noch nicht ganz Schritt mit dem neuen, globalen Anspruch: Manchen Teilnehmern fällt die recht abgestoßene Einrichtung auf, auch die Orientierung ist nicht besonders gut. In die internationale Halle etwa kommt man über eine Rolltreppe, die aber nur schlecht beschildert ist. Zudem wurden Seminare über französische Regionen und Themen meistens nur auf Französisch gehalten. Auch manche Ordner und Hilfskräfte sind nicht in der Lage, bei Fragen wenigstens auf Englisch zu antworten.
Trotz Besucherrekord sind die Hallen am letzten Tag der Wine Paris eher nur noch mittelvoll. Manche Aussteller öffnen ihren Stand auch erst später am Vormittag. Das könnte mit dem hervorragenden gastronomischen Angebot der Stadt zu tun haben. Business hin oder her: Paris ist für Weinprofis eben immer eine Reise wert.