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Winterzeit ist Saure-Gurken-Zeit – jedenfalls was den Wein betrifft. Verkostungen finden eher im Frühjahr und Herbst statt, der neue Jahrgang ist noch nicht probier- und diskussionsfähig, und viele spezialisierte Presseagenturen schließen gedanklich bereits vor den Feiertagen. Vielleicht erregte diese Information über die neue Lust am glasweise ausgeschenkten Luxus-Süßwein auch deshalb so viel Aufmerksamkeit.

Vor einigen Wochen geisterte jedenfalls die Meldung durch die Weinwelt, dass künftig ausgewählte Restaurants, Bistros und Bars Château d'Yquem glasweise anbieten sollen. Schau an, dachte ich, als ich zum ersten Mal von dieser Ankündigung hörte. Ist es den reichen Chinesen offenbar zu mühsam, das Wort Yquem auszusprechen, weshalb sie, Blödsinnspreise hin, wahnwitzigen Hype her, doch lieber zu Lafite greifen? Verkauft sich die weiße Legende aus dem Sauternais, die schon in der 1855er Klassifikation über den Premier Crus in rot eingestuft wurde, also doch nicht so gut, wie man immer geglaubt hatte? Oder stimmt die von Marketingmenschen aufgetischte Story, dass sich die Traditionsmarke in einem jüngeren und frischeren Stil zu präsentieren gedenke, etwa tatsächlich? Man wolle den Kunden nun die Möglichkeit offerieren, den Süßwein auch als Aperitif oder zum Ausklang im Club zu trinken, lässt sich Yquem-Direktor Pierre Lurton zitieren.

Fruchtiger Nachtisch% fruchtiger Wein (Quelle: W.Fassbender)

Nun, das sind leider genau jene beiden Gelegenheiten, zu denen es mir nur äußerst selten einfällt, einen Sauternes zu bestellen. Die Bordeaux-Winzer werden beleidigt mit den Ohren wackeln, wenn ich zugebe, bei solchen Gelegenheiten entweder einen Champagner (oder vergleichbar Schäumendes) oder einen frischen, trockenen Weißwein zu bevorzugen. Ein Besuch im Club oder an der Bar könnte mich auch zu einem Cocktail verführen, so drei bis vier Mal im Jahr. Wenn schon Sauternes oder vergleichbare üppige Süßweine, dann bitte nicht vor dem Essen (das wirkt sättigend) und auch eher nicht danach (das macht müde). Lieber zum passenden Dessert. Und da muss es weiß Gott nicht die nobelste aller flüssigen Leckereien Frankreichs sein, da täte es bereits ein einfacher Sauternes AC oder ein gelegentlich heftig unterschätzter Monbazillac. (Alle, die nun auf die Alternative einer Riesling Beerenauslese oder eines Ruster Ausbruchs verweisen: Ja, diese Weine sind oft genial, und vielfach ziehe ich sie einem weißen Edelfäule-Bordeaux vor – aber sie besitzen nun mal einen anderen Charakter, taugen also nur begrenzt als Sauternes-Ersatz.)

Alter Riesling mit mäßiger Süße - universell einsetzbar (Quelle: W.Fassbender)

Leider bieten geschätzte 99 Prozent aller Restaurants Europas keinen einzigen trinkbaren Süßwein glasweise an, und selbst im Gourmetbereich herrscht nur zu häufig Ignoranz. Flaschenweise Zuckriges, das gibt es häufiger, und manchmal sind sogar ein, zwei halbe Flaschen vorhanden. Doch ein Zweiertisch hat vielleicht nicht immer Lust auf solche Mengen milder Cremigkeit, will vielleicht nur mal einen Schluck kosten, eine 0,1-Liter-Portion oder, zu diesem Zeitpunkt des Essens fast noch empfehlenswerter, die Hälfte davon. Fehlt noch ein Sommelier oder Servicechef, der die rechten Empfehlungen abgibt, der genau weiß, dass allzu süße Desserts einem weniger zuckrigen Wein den Garaus machen, dass Schokolade zwar oft perfekt mit Banyuls, Madeira und Port harmoniert, manchmal aber auch gar nicht: wenn die Schoki zu bitter ist oder der Wein zu aggressiv. Rar sind die Weinkellner, die sich trauen, nicht nur das Altbekannte abzuliefern, sondern auch mal mit Neuigkeiten oder Verborgenem überzeugen. Ein paar gute Beispiele existieren immerhin.

Molekulardessert im Restaurant Arzak (Quelle: W.Fassbender)

Im Restaurant „Amador“ in Langen, nahe von Frankfurt, setzt man ganz auf spanische Süßweine und hustet den Sauternes was; im gerühmten „Pierre Gagnaire“ in Paris kann man sich bisweilen bei einem 1990er Eiswein zum Dessert vor Augen führen, dass Wein-Plus-Autor Karl Bajano nicht nur ein außergewöhnlicher Verkoster, sondern auch ein hoch talentierter Winzer ist. Süßwein zur Süßspeise, das kann auch bedeuten, dass man auf Sauternes verzichtet und beispielsweise einen blutjungen Moscato d’Asti (wenig Alkohol, sehr erfrischend) zu einer federleichten Vanillevariation ausprobiert, wie ich sie kurz vor Weihnachten im Restaurant „Alpina“ im schweizerischen Klosters genossen habe. Das Gegenbeispiel ist sehr alt und hat Seltenheitswert: Reife oder extrem reife Rieslinge passen auch in der (edel-)süßen Variante zu vielen Süßigkeiten, sofern der Zucker nicht dominiert und die Aromen des Essens (Nüsse, Äpfel, Steinobst) exakt auf die jeweilige Auslese, die TBA oder den Eiswein abgestimmt wurden. Leider gibt es nur wenige Restaurants und Weinbars auf diesem Planeten, die bezahlbare Rieslinge aus den Siebzigern und Sechzigern führen: Der Hattenheimer „Krug“, eines der engagiertesten Weinrestaurants Deutschlands, gehört zu diesen Ausnahmen: Teuer wird es da erst, wenn man sich Weine aus der Vorkriegszeit öffnen lassen möchte.

Dessert mit weihnachtlichen Aromen - das schreit nach einem oxidativen Tropfen (Quelle: W.Fassbender)

Süßweine, junge wie alte, mangeln übrigens nicht nur der Speisen-Gastronomie, sondern auch dort, wo ich gern mal zwischen zwei Gastrotests meinen Cholesterin- und Zuckerspiegel erhöhe. Kaum eine Konditorei der westlichen Welt sieht sich – weiß Bacchus weshalb – in der Lage, Genießbares im süßen Getränkebereich anzubieten. Als ob jedem ausgelernten Bäcker ein Kuchen-Gesetzbuch anvertraut würde, in dem ausdrücklich steht, dass zu einem Paris-Brest oder einer Walderdbeertorte ausschließlich Kaffee bestellt werden dürfe und eine kleine Portion Alkohol am späten Nachmittag ein Tabu wäre. Angehende Pâtissiers müssten, so stelle ich mir vor, zum Besuch einiger Weinkurse verpflichtet werden.

Kuchen zu Wein - alles andere als eine Selbstverständlichkeit (Quelle: W.Fassbender)

Was den Yquem angeht, so werde ich nun aber bestimmt keine Tour durch jene Lokale antreten, die sich auf dieses Sauternes-Spiel eingelassen haben. Die Liste der High-End-Dessertwein-Anbieter ist auf der Yquem-Website (www.myquem.com/yquem-by-the-glass) abrufbar und umfasst derzeit ein knappes Dutzend Edelfäule-Fetischisten. Dass die meisten sich in Paris und Monaco befinden, ist sicher kein Zufall – allerdings scheint es auch in den französischen Alpen eine süße Nachfrage zu geben. „Wir bieten ein Glas 1996er Yquem zu 50 Euro pro 8 cl an“, teilt das Restaurant Flocons de Sel in Megève auf Nachfrage mit. „Der Preis ist korrekt, wenn man den Preis der Flasche berücksichtigt“. Mag ja stimmen. Aber diese Summe investiere ich lieber in das Essen in einem meiner Lieblingsrestaurants – und hoffe, dass die ihr Süßweinsortiment inzwischen ausgeweitet haben!

Château d’Yquem glasweise:

Flocons de Sel, 1775 Route de Leutaz, F-74120 Megève, Tel. +33 (0) 4 50 21 49 99, www.floconsdesel.com, contact@floconsdesel.com

La Saulire, Place du Rocher, F-73120 Courchevel 1850, Tel. : +33 (0) 4 79 08 07 52www.saulire.com, info@lasaulire.com

Sehr persönliche Süßweinauswah:

Restaurant Amador, Vierhäusergasse 1, D-63225 Langen, Tel. 0 61 03/50 27 13, www.restaurant-amador.de, www.pierre-gagnaire.com

Zum Krug, Hauptstraße 34, D-65347 Hattenheim, Tel. 0 67 23/9 96 80, www.hotel-zum-krug.de, info@hotel-zum-krug.de

Eigene Süßweinkarte:

Ferienart Resort & Spa, CH-3906 Saas-Fee, Tel. +41 (0) 27 958 19 00, www.ferienart.ch,

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