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Die Bilder und Nachrichten, die uns in den letzten Tagen und Wochen aus Italien erreichen, sind verstörend. Kein anderes europäisches Land ist so stark von der Corona-Krise betroffen, hat so viele Tote zu vermelden. Aber Italien wäre nicht Italien, wenn es einer solch schweren Situation nicht auch mit Herzlichkeit, Solidarität und Humor begegnen würde: Der Hashtag #tuttoandrabene (Alleswirdgut) bestimmt die sozialen Netzwerke; die musikalischen Flashmobs auf den Balkonen haben die ganze Welt zu Tränen gerührt. Das Gedicht „La primavera non lo sapeva“ (Denn der Frühling wusste es nicht) der italienischen Journalistin Irene Vella hat den Menschen im ganzen Land Hoffnung gegeben (die deutsche Übersetzung von   Hier klicken, um mehr über Katrin Walter zu erfahren. Katrin Walter hier). Einmal mehr beweisen die Italiener, dass sie besonders in Krisensituationen zusammenhalten und sich nicht unterkriegen lassen.

Uns von Wein-Plus interessiert natürlich auch, wie es den italienischen Winzern geht. Wie kompensieren sie die abgesagten Messen und Events, welche alternativen Strategien haben sie, um ihre neuen Jahrgänge zu verkaufen. Wie meistern sie den Alltag in einem Land, das fast vollkommen zum Stillstand gekommen ist. Wir haben mit Winzern von Südtirol bis Sizilien telefoniert oder sie per Mail interviewt und im Folgenden alles Wissenswerte zusammengefasst.

Märkte brechen ein

Italien lebt vom Tourismus. Manche Region mehr, manche weniger. Die fehlenden Urlauber machen nicht nur Hotels, Pensionen und Restaurants zu schaffen, sondern auch den Winzern. Überaus hart trifft es die Südtiroler, da ihre Umsätze stark vom Direktverkauf und der italienischen Gastronomie abhängig sind. Erst musste die Wintersportsaison vorzeitig abgebrochen werden, jetzt fallen die Osterferien komplett ins Wasser und somit auch der Weinverkauf. Je länger die Krise dauert, desto mehr sind auch die Regionen in Mittel- und Süditalien davon betroffen, wo die Saison traditionell etwas später startet.

Da Corona mittlerweile die ganze Welt fest im Griff hat, brechen den italienischen Winzern sowohl im In- als auch im Ausland nach und nach die Märkte weg. Das heißt, es sind sowohl Appellationen betroffen, die hauptsächlich vom Export leben, wie Brunello oder Chianti Classico als auch solche, die fast ausschließlich im Land selbst konsumiert werden, wie beispielsweise Franciacorta oder Trento DOC.

Der Großteil der befragten Winzer hat im März eine geringere Nachfrage von Seiten der Importeure verzeichnet. Große Unsicherheit macht sich breit. Absatzsorgen bereiten nicht nur die europäischen Länder, sondern vor allem der US-amerikanische Markt, der von immenser Bedeutung ist. Zwar scheint sich die Nachfrage aus Asien langsam zu erholen, den Ausfall auf den historischen Märkten kann sie jedoch nicht kompensieren.

Die Winzer bestätigen, dass Speditionen ins In- und Ausland weiterhin relativ problemlos möglich sind, im Inland ist der Absatz jedoch bei den meisten praktisch zum Erliegen gekommen, mit Ausnahme sehr kleiner Mengen, die von italienischen Online-Händlern bestellt werden.

Alarm schlagen auch die Konsortien und Dachverbände, denen die Maßnahmen der italienischen Regierung zur Unterstützung der Weingüter nicht weit genug gehen. Sie befürchten, dass die meisten Betriebe ihren finanziellen Verpflichtungen bald nicht mehr nachkommen können, dass die fehlende Liquidität viele in die Knie zwingen wird. Größere Weingüter mit etablierten Marken werden die fehlenden Umsätze verständlicherweise leichter verkraften als kleinere, unbekanntere Betriebe.

Fast auf der ganzen Welt ist momentan nur noch der Weinkonsum zuhause möglich. Zwar können die Winzer ihren Wein an Endverbraucher in Italien schicken, aber der Verkauf ab Weingut ist per Dekret verboten worden. Der Direktverkauf via Versand kann die fehlenden Bestellungen aus Handel und Gastronomie jedoch bei weitem nicht auffangen.

Daher wurden diverse Initiativen ins Leben gerufen. Mit der Kampagne #iobevoitaliano (ichtrinkeitalienisch) soll der heimische Weinkonsum angekurbelt werden. Erste Erfolge haben sich schon eingestellt. Laut Umfragen des Marktforschungsinstituts Iri Infoscan konnten die Verkäufe um 11,9 % gesteigert werden. Auch mit den Hashtags #iolaperitivolofaccioacasa (ichnehmemeinenaperitifzuhauseein) und #shareitalianwine sollen die Konsumenten sensibilisiert werden.

Keine Messen – was tun?

Für die meisten italienischen Weingüter sind ProWein und Vinitaly die wichtigsten Veranstaltungen des Jahres. In Düsseldorf und Verona pflegen sie den Kontakt zu ihren Kunden aus aller Welt, knüpfen aber auch neue Geschäftsverbindungen. Diese verpassten Chancen und Aufträge auszugleichen ist schwierig. Für Winzer, die sehr viele kleine Wiederverkäufer haben, stellt der Musterversand an Händler und Importeure keine sinnvolle Alternative dar, zu kostspielig, zu unpersönlich sagen sie.

Wer bereits hingegen ein ausgeklügeltes Netzwerk an Importeuren hat, der findet sehr wohl eine Möglichkeit, seine neuen Jahrgänge zu präsentieren. Das heißt, konsolidierte Geschäftsbeziehungen auf diesem Weg zu erhalten, ist realistisch, Neukunden zu gewinnen dagegen schier unmöglich.

Aktuell gibt es Bestrebungen von Seiten der Messe Verona, aber auch der Organisatoren der Milano Wine Week (3. bis 11. Oktober 2020) und des Merano Wine Festivals (6. bis 10. November 2020), den italienischen Weinsektor zu unterstützen. Immerhin stehen in Italien 1,3 Millionen Arbeitsplätze auf dem Spiel, in Weinberg, Keller und Distribution.

Alternative Strategien

Die sozialen Netzwerke sind in Zeiten von Corona wichtiger denn je, um Kontakte zu Kunden aufrechtzuhalten, mit denen man sich wegen der abgesagten Messen nicht persönlich austauschen konnte.

Der Online-Handel sowohl in Italien selbst als auch im Ausland ist momentan für viele Weingüter der einzige Lichtblick. Wer schon vor der Krise intensiv mit Internetanbietern zusammengearbeitet hat, hat weniger Einbußen als Produzenten, die ihre Weine vornehmlich über traditionelle Vertriebskanäle absetzen. Auch Winzer mit eigenem Internet-Shop haben bessere Chancen. Viele Produzenten appellieren mit Direktmailings an ihre Kunden, sie zu unterstützen.

Quo vadis Italia?

Für Prognosen ist es zwar noch sehr früh, aber es ist wahrscheinlich, dass einige Weingüter die Corona-Krise nicht überleben. Dies hängt unter anderem auch davon ab, in welcher Höhe staatliche Beihilfen und Rettungsfonds von Seiten der EU zur Verfügung gestellt werden, und wann das gesellschaftliche Leben wieder aufgenommen werden kann. Davon, wann in Italien wieder Tourismus möglich sein wird. Wann die Bars und Restaurants wieder öffnen werden. Manche sprechen von einer Lockerung der Auflagen Mitte Mai, aber es gibt auch Gerüchte, dass es vor dem Sommer keine Besserung geben wird.

Was können wir tun?

Wir können die italienischen Produzenten unterstützen, in dem wir weiterhin ihre Weine kaufen, vielleicht sogar ein paar Flaschen mehr als üblich! Wir können uns gegen Fake-News gezielt zur Wehr setzen, die behaupten, das Corona-Virus könne auch über Wein übertragen werden! Kämpfen wir gemeinsam gegen solche Lügen, indem wir die wissenschaftlichen Fakten kommunizieren. Jetzt mehr denn je, sollten wir den Italienern die Treue halten. Wenn wir schon nicht bei den Winzern persönlich vorbeischauen und unseren Urlaub in Italien verbringen können, sollten wir ihnen auf diesem Wege zeigen, dass wir sie und ihre großartige Arbeit schätzen.

In diesem Sinne: #iobevoitaliano!

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