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Dass Riesling nicht mehr ausschließlich „die königliche Traube des Rheins und seiner Nebenflüsse” ist, wie der legendäre Emile Peynaud es formulierte, ist spätestens seit dem internationalen Erfolg österreichischer Spitzenrieslinge kein Geheimnis mehr. Doch selbst bei diesen Weinen kommt so mancher selbst ernannte Gralshüter des „echten Rieslings” ins Lamentieren: „zu kräftig”, „zu konzentriert”, „nicht rieslingtypisch” heißt es dann. Was würden diese Leute erst sagen, wenn sie Rieslinge aus anderen Kontinenten zu probieren bekämen?

Das war die Frage, die mich umtrieb, als ich mich an diesem Morgen von Hattenheim ins Domzentrum nach Geisenheim aufmachte, dem Veranstaltungsort des ersten weltweiten Riesling-Events. Zum ersten mal sollten hier typische Vertreter aus einigen der wichtigsten Weinbauregionen der Erde einem großen Publikum aus Weinmachern, Weinbaufachleuten, Oenologen, Journalisten und Weinliebhabern präsentiert werden. Und zwar nicht um herauszufinden, welcher von ihnen nun der Beste sei, sondern um die vielen Stilrichtungen und Philosophien aufzuzeigen, die den (in diesem Falle trockenen) Riesling prägen können. Wegweisend bei der vom Bund Deutscher Oenologen, der Fachhochschule Wiesbaden, der Forschungsanstalt Geisenheim und der Vereinigung Ehemaliger Geisenheimer initiierten Veranstaltung war die komplette Einbindung des Internets als zentrales Medium, sei es zur Liveübertragung an Weinliebhaber auf der ganzen Welt, zur globalen Diskussionsrunde via Chat, oder der Direktverbindung zu den Produzenten der betreffenden Weine nach Südafrika, Kalifornien oder Australien.

Das Zustandekommen der Liveverbindungen zu den einzelnen Erzeugern in Übersee bestimmte dann auch die Reihenfolge der Verkostung. Zwischen den Weinen aus anderen Kontinenten wurden stets mehrere Rieslinge europäischer Provenienz ausgeschenkt, während man am jeweiligen Verbindungsaufbau bastelte. Den Anfang machten zwei australische Rieslinge von Stephen und Prue Henschke, die in den 70er Jahren beide zwei Jahre Ausbildung in Geisenheim genossen. Obwohl im Wesentlichen für ihren Shiraz „Hill of Grace” bekannt, um in dessen Besitz zu gelangen sich auch seriöseste Sammler ohne zu zögern Pin-Up-Figuren in den Unterarm tätowieren lassen würden, setzt sich das Paar mit großer Leidenschaft auch für den Anbau des Rieslings in Australien ein. Beide Weine bestechen dann auch mit glasklarer Rieslingfrucht, mineralischen Noten und pikanter Säure, die zwar nicht natürlichen Ursprungs ist, wie Stephen Henschke auf Anfrage bestätigte, aber dennoch keineswegs aufgesetzt wirkte. Beide Weine ließen jedoch etwas Fruchttiefe und Länge vermissen.

Auch dem ersten Riesling aus Deutschland könnte man so etwas, wie einen Exotenstatus bescheinigen. Martin Tesch praktiziert auf seinem 20-Hektar-Gut seit Jahren auch bei Rieslingen den biologischen Säureabbau, was man den Weinen jedoch so gut wie nie anmerkt. So ist auch die trockene Spätlese aus dem Laubenheimer Karthäuser ein wunderschöner Nahe-Riesling mit feinsaftiger Frucht, verspielter Säure und fester, mineralischer Struktur.
Intensiv mineralisch präsentiert sich auch Catherina, eine halbtrockene Riesling-Cuvée von Grans-Fassian aus Leiwen an der Mosel. Allerdings besitzt die Mineralik hier einen etwas rustikalen Touch, der den Wein trotz etwas Restsüße recht herb erscheinen lässt. Gerhard Grans produziert einige der feinsten rest- und edelsüßen Weine Deutschlands, doch den trockenen und fast trockenen Weinen fehlt es manchmal etwas an Saftigkeit und Stoff, um die hier sehr betonte Terroirwürze auszugleichen.

Einen Mangel an Stoff kann man den beiden Wachauer Smaragden von Franz Prager wahrlich nicht vorwerfen. Doch auch hier legt man neben dichter, saftiger Frucht großen Wert auf eine ausgeprägte Mineralik. Während der Ried Klaus dabei ganz auf Substanz und Kraft setzt, erscheint der Steinriegel etwas eleganter und rassiger. Beide Rieslinge befinden sich jedoch im Augenblick nicht in idealer Verfassung und werden erst in einigen Jahren ihr ganzes Potential ausspielen können. Dennoch zählten sie selbst in diesem Zustand zu den Highlights des Nachmittags.

Ein weiterer Geisenheim-Absolvent ist Dany De Wet vom Weingut De Wetshof im Südafrikanischen Anbaugebiet Robertson. So ist es kein Wunder, dass De Wet entgegen dem allgemeinen Trend zum verstärkten Rotweinanbau eisern an seiner Spezialisierung für Weißweine festhält. In Europa ist De Wetshof jedoch erheblich besser für seine Chardonnays und Sauvignon Blancs bekannt. Zu Unrecht, wie der 2000er Rhine Riesling mit feinsaftiger Frucht, gutem Stoff und einem interessanten Aromenspiel beweist.

Leider wurde das Elsass als klassisches Riesling-Anbaugebiet mit dem Grand Cru Florimont von Kuehn aus Ammerschwihr nicht ideal repräsentiert. Laktische Aromen in der Nase und ein verhältnismäßig magerer Auftritt am Gaumen ließen wenig Freude aufkommen.

Die stellte sich jedoch schon beim nächsten Wein wieder ein, einem Bilderbuch-Kabinett von Schloss Vollrads. Nachdem dieses Traditionsgut jahrelang unter seinen Möglichkeiten arbeitete, stellte sich unter dem neuen Direktor Rowald Hepp hier in kürzester Zeit ein erstklassiges Qualitätsniveau verbunden mit einer deutlichen Stilwende ein. Der Kabinett mit seiner glasklaren feinsaftigen Frucht, der verspielten Säure und der feinen Mineralik im Hintergrund steht hierfür exemplarisch.

Aus einer legendären Lage stammt der letzte deutsche Teilnehmer der Verkostung. Das Forster Kirchenstück wurde 1830 von der königlichen Steuerkatasterkommission in die Höchste von 65 Klassen eingestuft und gilt auch heute noch als eine der besten Rieslinglagen überhaupt. Die 99er Spätlese trocken vom Weingut Eugen Müller trägt dem Rechnung mit klarer, saftiger Pfirsichfrucht, vollem Körper, nachhaltiger Mineralik am Gaumen und perfekter Balance.

Randall Grahm, der geniale Scherzkeks vom Weingut Bonny Doon im kalifornischen Santa Cruz hätte vermutlich gegrinst wie ein Lottomillionär, hätte er die Reaktionen der versammelten Winzerschaft an unserem Tisch auf seine beiden Rieslinge beobachten können. Von zorniger Ereiferung bis zum zufriedenen Zurücklehnen im Bewusstsein scheinbarer Überlegenheit war da alles dabei. Einig waren sie sich alle: DAS hatte mit Riesling nichts zu tun, war „international”, „gemacht” und überhaupt indiskutabel. Wie Ketzerei muss einigen Puristen die Zusammensetzung des 99er Pacific Rim vorkommen: Neben Trauben von Weinbergen in Kalifornien und Washington wurden auch solche von Nahe und Mosel verarbeitet. Das Ergebnis ist ein pikanter Riesling mit deutlich vegetabilen und blumigen Aromen, Zitrusfrucht und guter Struktur. Ein ganz anderes Kaliber der 98er Critique of Pure Riesling, ein ungemein saftiger, vollmundiger Wein mit deutlicher, aber perfekt eingebundener Holzwürze, einem komplexen Aromaspektrum, sowie großer Präsenz und Länge. Ein wunderbares Sakrileg und gleichzeitig der faszinierendste Wein des Tages.



Abschließend kann man die gesamte Veranstaltung trotz einiger Kinderkrankheiten nur als Erfolg bezeichnen. Auch das Rahmenprogramm war gelungen. Nachdem der Kommunikationsdesigner und Fotokünstler Norbert Bretschneider einem staunenden Publikum die zwölf Weine unter dem Motto „Weinsinnig - Weinaromen visuell” in neuen Dimensionen für Auge, Ohr, Nase und Zunge nahebrachte, verlängerte ein 8-Gänge- Menu, zu dem die Beschriebenen und einige weitere Weine ehemaliger Geisenheim-Studenten gereicht wurden, den Abend bis nach 1 Uhr. Ein Glücksgriff waren die Moderatoren des Programms. Während am Nachmittag Prof. Dr. H. R. Schulz gut gelaunt durch die Verkostung führte, amüsierte Weinauktionator Prof. Dr. Leo Gros, der es in einem anderen Leben aufgrund seines Humors und seiner Unerschütterlichkeit als Moderator von „Risk your Life” - Fernsehspielen sicher zu Weltruhm gebracht hätte, die Gäste mit immer neuen Anekdoten nicht nur zu jedem Wein, sondern auch zu jedem aufgetragenen Gang.

Ich freu‘ mich schon aufs nächste Mal.

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