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Schnell, leise, günstig und extrem umweltschonend: Das erste Versuchsprojekt in Deutschland beim Einsatz von Drohnen für den Pflanzenschutz hat alle Beteiligten überzeugt. Daran war auch die deutsche Winzergenossenschaft Roter Bur im Glottertal (Württemberg) beteiligt. Die Verantwortlichen schildern ihre Erfahrungen beim Einsatz im Weinberg.

Im vergangenen August begrüßte die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ihre EU-Kollegen zu einer Exkursion in den Steillagen-Weinbergen an der Mosel. Den versammelten Agrarministern und -ministerinnen erklärte sie vor Ort nicht nur die Bedeutung der Terrassenlagen für die Biodiversität, die Kollegen wurden auch Zeuge einer Vorführung mit einer Sprüh-Drohne, die in den Weinbergen künftig für den Pflanzenschutz zu Einsatz kommen soll. Was an den steilen Hängen von Winningen als Zukunft im deutschen Weinbau angekündigt wurde, ist in der Schweiz längst Realität: Schon im Juli 2019 bewilligten die Eidgenossen den Einsatz der modernen Drohnentechnologie. Seitdem fliegen über Schweizer Weinbergen auch Drohnen mit Pflanzenschutzmittel im Zehn-Liter-Tank.

DJI

In Deutschland erhielten im vergangenen Jahr die ersten Sprüh-Drohnen ihre Anerkennung durch das Julius-Kühn-Institut. Der Hersteller droneparts hatte zuvor in Kooperation mit der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg sowie weiteren Genossenschaften und Weinbaubetrieben in Baden-Württemberg über einen Zeitraum von drei Jahren mit vielen Versuchen die Software sowie die Flugparameter optimiert. Die Ergebnisse klingen vielversprechend: „Wir konnten als Kooperationspartner in den vergangenen drei Jahren Pflanzenschutzmittel mit Drohnen ausbringen und haben ziemlich gute Erfahrungen damit gemacht“, sagt Dr. Manuel Becker, der bei der LVWO die Versuche im Rahmen eines Projekts des EIP (Europäische Innovationspartnerschaften) begleitet hat. Auch Udo Opel, Geschäftsführer der Winzergenossenschaft Roter Bur im Glottertal, nahm an den Versuchen teil und ist von der neuen Technik überzeugt: „Wir haben schon einen Antrag gestellt, um in Zukunft die am schwierigsten zugänglichen Steillagen unserer Winzer mit Sprüh-Drohnen zu bearbeiten.”

Rund 90 Prozent der Handarbeit erledigt die Drohne

Ihre Vorteile sind vielfältig: In der Praxis punkten sie in Jahren mit hohen Regenmengen durch Einsätze direkt nach Unwettern, wenn schwere Maschinen auf den durchweichten Böden mehr Schaden als Nutzen brächten. „Sie machen uns eine viel höhere Schlagkraft möglich, wir können, sobald die Blätter abgetrocknet sind, sofort mit dem Pflanzenschutz beginnen“, sagt Udo Opel. Noch interessanter ist ihr Einsatz aber in den Steillagen an der Mosel oder in Baden-Württemberg. Vor allem dort ist der Einsatz von Arbeitskräften für den Pflanzenschutz enorm. “Da macht der Einsatz von Sprüh-Drohnen einen erheblichen Unterschied“, erklärt Dr. Manuel Becker, „mit der Drohne können wir einen Hektar Rebfläche in gut 45 Minuten bearbeiten.“ Dem hohen Einsatz von Arbeitskräften stand bisher nur der kostspielige Einsatz von Helikoptern als Alternative gegenüber, der aber oft zusätzlich durch Handspritzungen nachgebessert werden musste. Die Versuche der LVWO zeigten, dass bis zu 90 Prozent der Handarbeit durch die Drohne ersetzt werden kann. „In der Traubenzone muss man manchmal für besonderen Botrytis-Schutz mit der Hand nacharbeiten, aber das ist überschaubar und durch unsere Wetterstationen auch gut einschätzbar“, berichtet Udo Opel von seinen Erfahrungen aus der Praxis.

Ebenfalls sehr wichtig sind auch die deutlich besseren Ergebnisse für den umweltschonenden Pflanzenschutz: Sprüh-Drohnen reduzieren den Eintrag von Pflanzenschutzmittel auf Nicht-Zielflächen um bis zu 95 Prozent ebenso wie die insgesamt verwendete Menge der Pflanzenschutzmittel. „Bei voller Laubwand benötigen wir in Handarbeit 1.800 Liter auf den Hektar, die Sprüh-Drohne benötigt nur rund 100 Liter“, berichtet Udo Opel aus seiner Erfahrung. Es sei sogar möglich, die Menge weiter zu reduzieren - das sei ihm “aber zu heikel” gewesen. Für die Drohnen spricht auch auch der verbesserte Anwenderschutz: Während die Arbeitskräfte im schlimmsten Fall auch bei 30 Grad im Schutzanzug und mit Atemschutz zwischen den Rebzeilen stehen müssen, reicht dem Piloten eine einfache Atemschutzmaske, da der Kontakt mit dem Pflanzenschutzmittel fast entfällt. Und auch wenn der Einsatz des Helikopters im engen Glottertal keine Rolle spielt, ist die im Vergleich drastisch geringere Lärmbelästigung ein weiteres Argument für die Drohnen.

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Kosten des Pflanzenschutzes lassen sich erheblich reduzieren

Ihre Wirtschaftlichkeit hängt aber vor allem von den möglichen Einsatzzeiten ab. „Ich schätze, ab zehn bis 15 Hektar wird so eine Drohne interessant“, schätzt Udo Opel. „Deshalb ist die Anschaffung und die Ausbildung eines Piloten für uns als Winzergenossenschaft auf jeden Fall sinnvoll.“ Doch selbst wenn man die variablen Kosten für den Piloten einer Drohne als Dienstleister einkalkuliert, dürften die fliegenden Helfer die Kosten des Pflanzenschutzes aus der Luft deutlich reduzieren. „Wir kalkulieren mit bis zu 300 Euro pro Hektar“, erläutert Dr. Manuel Becker.

Mit der Anerkennung der Sprüh-Drohnen Agras MG-1P und Agras T16 des Herstellers DJI stehen inzwischen zwei Modelle für den Einsatz im Steillagenweinbau zur Verfügung. Die etwa 12.000 Euro teure DJI Agras T16 ist mit einem 16-Liter-Wechseltank und acht Düsen ausgestattet und hat ein maximales Aufstiegsgewicht von 40,5 kg. Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens wurde die Injektordüse IDK 90-025 C der Firma Lechler als Standard-Düse definiert. Mit einer Fluggeschwindigkeit von bis zu 12,8 km/h im automatischen Betrieb beträgt ihre reine Flugzeit für die Behandlung von einem Hektar Rebfläche rund 15 Minuten. Hinzu kommen Anfahrt sowie Aufbau, Flug zur Rebfläche und Rückflug zum Landeplatz, Akku-Tausch und das Nachfüllen des Tanks. Die Drohne hat eine Spannbreite von ca. 2,5 Meter und eine Arbeitsbreite von drei Metern. Sie erfasst über Radarsensoren das Terrain und reguliert in Echtzeit während des automatischen Überflugs ihre Flughöhe.

Doch bislang haben Verwaltung und Politik noch keine Starterlaubnis erteilt: Die Zulassung der Pflanzenschutzmittel zum Drohnen-Einsatz fehlt noch immer. Das machte die FDP-Bundestagsfraktion schon im Oktober 2020 zum Anlass einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung. Mit Verweis auf den Einsatz von Drohnen in der Schweiz und in Luxemburg drücken die Abgeordneten ihr Unverständnis über die fehlende Zulassung aus. Darin schreiben sie, in der Schweiz würde deutsche Technik die Digitalisierung und Modernisierung des Steillagenweinbaus längst voranbringen, “während sie in Deutschland am Fehlen anerkannter Verfahren zur korrekten Messung und Erfassung der Abdrift scheitern”.

Immerhin bestätigt die Bundesregierung die Vorteile der Drohnen im Hinblick auf die umweltschonende Ausbringung der Pflanzenschutzmittel und die messbar verringerte Abdrift. Probleme bereitet den Verantwortlichen demnach vor allem die dafür vorgesehene Wassermenge. Die liegt für Helikopter bei 150 Litern, eine Menge, die für Drohnen zu hoch ist. „Wir gehen davon aus, dass die Genehmigung für 75 Liter pro Hektar erfolgen wird“, ist Dr. Manuel Becker optimistisch. Auch Udo Opel ist von der neuen Technik mehr als überzeugt: „Ich habe wenige Bedenken, dass die Zulassung der Pflanzenschutzmittel nicht schnell nachzieht. Die neue Technik wird sich durchsetzen und die Arbeit der Winzer deutlich erleichtern.“

Kristine Bäder arbeitet als freie Journalistin und Autorin. Sie war bis Januar 2021 Chefredakteurin des Weinmagazins FINE und zuvor Chefredakteurin des Sommelier Magazins.

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