Wird KI künftig Aromen von Wein analysieren, Fehler und Geschmackstypen erkennen?
Prof. Dominik Durner vom Projekt “PINOT” am Weincampus Neustadt hat Kristine Bäder erzählt, was die Technologie derzeit leistet – und was unsere Nase besser kann.
Ist es möglich, Aromen mit Hilfe von KI über Sensoren zu analysieren und in menschliche Sprache zu übersetzen? Mit dieser Frage beschäftigten sich Wissenschaftler und Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen drei Jahre lang im Rahmen des vom Bundeslandwirtschaftsministerium geförderten Projektes PINOT. Ihre Vision: ein Aromendetektor für Profis im Keller und im Handel. Prof. Dr. Dominik Durner vom Weincampus Neustadt zieht eine positive Zwischenbilanz.
Mit der Idee, einen „Sommelier aus KI“ zu entwickeln, war das Start-up Genie Enterprise mit deutschem Sitz in Ludwigshafen bereits 2019 an den Professor für Önologie herangetreten. Die Gründer stießen mit der Frage auf offene Ohren, ob die Fähigkeiten der KI auch in die Welt von Aromen übertragbar ist. Mit der Hochschule Trier und dem Fraunhofer-Institut in Erlangen fand man schnell akademische Partner. Mit Genie Enterprise, Wille Engineering und dem Start-up Vineyard Cloud unterstützten drei Unternehmen das Projekt zur Entwicklung einer praktischen Anwendung der Forschungsergebnisse. Über das Förderprogramm “KI in der Landwirtschaft” wurde das Forschungsprojekt schließlich vom Landwirtschaftsministerium finanziert.
Zunächst galt es, durch das Zusammenschalten von elektrochemischen Sensoren zu testen, welche Geruchssignale die Sensoren erkennen – und ob sie mit der menschlichen Nase vergleichbar sind. „Die ersten Versuche waren katastrophal und ernüchternd, das hat gar nicht funktioniert“, erinnert sich der Önologe. „Die Maschinen wurden vom Ethanol einfach gelähmt.“ Also begann die Forschungsgruppe, die Sensoren zunächst auf Weinfehler zu trainieren, das habe „mehr oder weniger gut funktioniert.“ Durner erklärt, wie das Team sich das Vorhaben erschlossen hat: Ein Sensor erhält beispielsweise zunächst 100 Weine mit einem deutlichen Böckser, also Schwefelwasserstoff. Danach bekommt er den ersten Wein ohne diesen Inhaltsstoff vorgesetzt und muss den Unterschied erkennen. Diese Aromen-Wahrnehmung wird anschließend von den Forschern validiert. „Das ist richtige Sisyphos-Arbeit“, betont Dominik Durner. Verbindungen wie Schwefelwasserstoff seien dabei noch relativ einfach zu erlernen. „Das Erkennen komplexer Aromen kann man allerdings nur mit Big Data erreichen. 100 Weine sind da einfach nichts.“ Die Sensoren müssen stattdessen mit den Daten tausender Weine gefüttert werden. Für jede Rebsorte und jeden Weinfehler.
Auch wenn die Fähigkeiten der künstlichen Nase bisher noch überschaubar sind, sieht Prof. Durner nach drei Jahren Forschungsarbeit ein enormes Potenzial an Einsatzmöglichkeiten – auch über den Wein hinaus. „Die Performance eines Kellermeisters ist nicht jeden Tag gleich gut – die eines digitalen Systems funktioniert immer gleich und wird nicht von Emotionen beeinträchtigt “, erklärt er die mögliche Einbindung in den Produktionsablauf im Keller. Aktuell kann die Maschine „weniger als 0,1 Prozent von dem, was die menschliche Nase kann.“
Wenn sie allerdings richtig trainiert ist, sind die Fähigkeiten enorm. Zum jetzigen Stand erkennt sie beispielsweise sicher einen Böckser. „Das funktioniert schon zu einem Zeitpunkt, an dem die menschliche Nase von der Wahrnehmung des Schwefelwasserstoffs noch weit entfernt ist“, erläutert der Professor die Erfolge. Weinmacher könnten im Keller während der Produktion sehr früh reagieren, wenn der Gärprozess nicht fehlerfrei läuft. Auch für den Handel könne die KI interessant werden, wenn es um die Authentizität von Weinen geht. Mit Hilfe von KI-Systemen soll es künftig möglich sein, eine Art Fingerabdruck des Weins zu speichern und später abzugleichen. Damit könnten sich Einkäufer absichern, dass der gelieferte Wein auch der georderten Probe entspricht. Als Juror in Verkostungswettbewerben dürften KI-Systeme allerdings vorerst keine Karriere machen. „Der KI das Weinprofil beispielsweise eines Mosel-Rieslings beizubringen, ist ungleich schwieriger“, schränkt Dominik Durner ein. Ebenso die qualitative Beurteilung eines Weins, wie es Profi-Verkoster können.
Das scheitere schon an den fehlenden Datenbanken. Mit dem Start des ebenfalls vom Landwirtschaftsministerium geförderten Folgeprojekts “WineIO” wird weitere drei Jahre an dem Thema geforscht. Durner hat zudem Kontakt mit der Universität im kalifornischen Davis aufgenommen, weil es dort Weingüter mit einer entsprechenden „Liebe zu Daten“ gäbe. „In den Vereinigten Staaten ist man sehr viel datengetriebener als bei uns. Für Prognostik und Entwicklung wird dort heute schon viel gemessen und dokumentiert“, verspricht er sich einen positiven Input. Dabei verfolgt er das Ziel, die Ergebnisse seiner Forschung innerhalb der Weinbereitung kommerziell zu nutzen. Ein Gerät, idealerweise im Handyformat, das im Keller während der Gärung zum Einsatz kommt, hätte den Vorteil, direkt reagieren zu können und nicht auf Analyse-Ergebnisse aus dem Labor warten zu müssen.
Die künftige KI-gesteuerte Technologie könne außerhalb der Weinbranche auch auf andere Bereiche übertragbar sein: „Überall, wo flüchtige Stoffe im Spiel sind, ist ein solches Gerät einsetzbar.“ Beispielsweise als Ersatz oder Ergänzung für Drogen- und Sprengstoff-Spürhunde oder in der Medizin. „Es wäre nicht das erste Mal, dass Forschung aus dem Weinbereich dort erfolgreich eingesetzt wird“, erklärt Durner. Die Gefahr, Weine könnten durch KI künftig uniform schmecken, sieht er nicht: „Eher im Gegenteil. Künstliche Intelligenz bietet die Chance einer zielgerichteten Produktion. Konsumentenorientierung ist auch in der Weinbranche wichtig.“