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Chianti Classico und Brunello di Montalcino im Herzen der Toskana zählen zu den bekanntesten und wichtigsten Appellationen Italiens. In beiden Anbaugebieten spielt der Sangiovese die Hauptrolle: Beim Chianti Classico zu 80 Prozent, beim Brunello zu 100 Prozent. Doch die Sorte passt sich nur schwer an veränderte Umweltbedingungen an. Wie gehen die Winzer mit den Auswirkungen des Klimawandels um?

„In Montalcino sind die mittleren Temperaturen seit dem Jahr 2000 um 1 bis 1,5° C gestiegen, darunter leiden die heißesten Zonen im Süden am meisten“, erklärt Giacomo Bartolommei vom Weingut Caprili und Vizepräsident des Brunello-Konsortiums. Wasser ist für ihn das derzeit wichtigste Problem des Weinbaus: “Montalcino ist nicht besonders wasserreich, und bei den vorhandenen Ressourcen handelt es sich meist um Thermalwasser, das mit 27 bis 28° C sehr warm ist. Wir konzentrieren uns daher auf Notbewässerung, die erst zum Einsatz kommt, wenn die Rebe unter Stress steht. Studien haben gezeigt, dass durch das Einbringen des Mineralstoffs Zeolith im Winter die Böden mehr Regenwasser speichern und frischer bleiben.“

Den Sangiovese aber wegen des Klimawandels durch Rebsorten zu ersetzen, die Hitze und Trockenstress besser aushalten, steht weder im Chianti-Gebiet noch in Montalcino zur Diskussion. „Der Sangiovese ist die Traubensorte unseres Anbaugebiets. Er hat sich über die Jahrhunderte in ihm entwickelt und mit ihm vereint“, erklärt Giovanni Manetti vom Weingut Fontodi und Präsident des Chianti-Classico-Konsortiums. „Wir haben seinen Anteil für die neuen Unterzonen der Gran Selezione bewusst von 80 auf 90 Prozent erhöht und die Verwendung internationaler Sorten untersagt. So wollen wir die autochthonen Sorten aufwerten, denn es gibt ja einen Grund, warum sie hier seit Jahrhunderten angebaut werden: Sie sind anpassungsfähiger und stehen mit Klima, Böden und dem Territorium besser im Einklang. Meiner Meinung nach stellen sie eine große Ressource für unsere Zukunft dar.“

Wir wollen die autochthonen Sorten aufwerten, denn es gibt ja einen Grund, warum sie hier seit Jahrhunderten angebaut werden.

Giovanni Manetti,
Präsident des Konsortiums Chianti Classico

Auch Giacomo Bartolommei schließt kategorisch aus, dass wegen des Klimawandels Forderungen nach Zulassung anderer Rebsorten für den Brunello wieder aufflammen könnten: „Die Qualität der Weine hat sich seit 2008 bemerkenswert verbessert, und das Wissen der Winzer, wie sie mit dem Sangiovese umzugehen haben, ist stark gewachsen. Ich bin deshalb überzeugt, dass heute sämtliche Produzenten dem Sangiovese treu ergeben sind.“

Bartolommei schließt aber ausdrücklich nicht aus, die Traditionssorte mit Hilfe der Wissenschaft besser an die Umwelteinflüsse anzupassen und so ihr Überleben zu sichern. Dennoch steht er klimaresistenten Sangiovese-Klonen skeptisch gegenüber: „Was ich bis jetzt aus den Versuchsanlagen mit weißen internationalen Rebsorten, Cabernet Sauvignon und Merlot verkostet habe, kann mit unseren heutigen Weinen nicht konkurrieren. Die Forschung steht noch ganz am Anfang, und Studien zum Sangiovese sind mir nicht bekannt.“ Der Weg ist also noch weit - und das gilt auch für die von der Universität Mailand entwickelten Unterlagsreben mit verbesserter Nährstoffaufnahme. „Deren Produktion ist so gering, dass wir selbst noch keine beschaffen konnten.“

Verzicht auf Grüne Lese für solides Traubenwachstum

Aussichtsreicher erscheinen Bartolommei daher spezielle agronomische Techniken. So verzichtet man etwa auf das frühzeitige Entblättern der Traubenzone und schützt die Früchte so vor zu starker Sonneneinstrahlung. „In jüngster Zeit setzen wir vor allem darauf, die ‘grüne Lese’ zu reduzieren. Wir schneiden im Juni oder Juli nur wenige grüne Trauben weg“, erklärt Bartolommei weiter. „Damit erreichen wir ein solides Traubenwachstum über den Sommer, das wir erst Ende August gezielt dezimieren. So kommen bis zur Weinlese nur die besten Trauben zu voller Reife.“

Ganz anders stellt sich die Situation für den Chianti Classico dar: „Trotz einer wahrnehmbar leichten Erwärmung spüren wir den Klimawandel bis jetzt nur wenig“, sagt Konsortiums-Präsident Giovanni Manetti. „Unser Anbaugebiet ist vergleichsweise hoch gelegen. Zudem sind 65 Prozent mit Wald bedeckt, das beeinflusst das Mikroklima erheblich. Es ist im Mittel frischer und bringt vor allem nachts Abkühlung. Dazu kann der Wald das Wasser besser speichern. Er nützt so der Bodenfeuchtigkeit und dient den umliegenden landwirtschaftlichen Produzenten als Wasserspeicher.“ Auch hier entblättern die Winzer nicht sofort, damit die Trauben es schattiger und frischer haben. Dazu werden inzwischen fast überall die Weinberge begrünt. Das begrenzt die Verdunstung und dient dem Erhalt der Bodenfeuchtigkeit. Laut Giovanni Manetti wirken sich diese Anpassungen „nachweislich positiv” aus.

Mehr als 50 Prozent der Chianti Classico-Weinberge sind bio

Dass der stärkere Wuchs zu mehr Echtem oder Falschem Mehltau führen könnte, besorgt die Winzer derzeit nicht. „Die haben wir ziemlich gut im Griff“, erklärt Manetti. Das belege auch das starke Wachstum des Bio-Landbaus: „Mehr als 52 Prozent der Chianti-Classico-Weinberge sind inzwischen bio-zertifiziert, das ist unter den großen Anbaugebieten Italiens einer der höchsten Anteile.” Das belege, dass die Winzer die gefürchteten Pilzkrankheiten auch mit Methoden des ökologischen Landbaus erfolgreich bekämpfen könnten. Die Winzer seien sich inzwischen bewusst, dass ökologisch oder nachhaltig bewirtschaftete Weinberge mit den gegenwärtigen Widrigkeiten besser als beim konventionellem Anbau zurechtkommen - etwa bei Pilzkrankheiten, Insektenbefall oder den Auswirkungen des Klimawandels. „Wir sind überzeugt, dass dies der Weg ist, dem man folgen muss – hin zum Weinberg mit immer größerem Respekt vor der Natur.“

In Montalcino hingegen verfolgen die Weingüter derzeit einen Mittelweg zwischen konventionellem und ökologischem Landbau. „Es gibt aber zahlreiche Bio-Betriebe, und sämtliche Weinberge werden nachhaltig bewirtschaftet“, weiß Bartolommei. „Beispielsweise können wir die maschinellen Arbeiten im Weinberg auf ein Minimum reduzieren, damit sich die Reben möglichst ungestört an die gegebenen Bedingungen anpassen können. Wir haben verstanden, dass die umweltbewusste Art der Landwirtschaft mit weniger äußeren Einflüssen hilfreich ist. Doch die Situation ändert sich von Jahr zu Jahr erheblich: Es gibt beim Klimawandel eben keine lineare Entwicklung, an der man sich ausrichten könnte. Nur wenn man seine Rebstöcke Tag für Tag im Weinberg erlebt, kann man sie bewahren und zu einer ‚normalen’ Weinlese begleiten.“

Markus Blaser arbeitet als freischaffender Journalist und Historiker in Florenz. Der Schweizer schrieb bis 2016 für „Merum” und publiziert über die ökonomischen, politischen, kulturellen und historischen Hintergründe von Wein und Olivenöl in Italien.

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